Die Begleitbeistandschaft. Daniel Rosch

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Die Begleitbeistandschaft - Daniel Rosch Schriften zum Kindes- und Erwachsenenschutz

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Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massnahme.[82]

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      Die Pflegschaft, die den volljährigen Mann betrifft, der nicht mehr unter patria potestas steht, wird als eine Ausnahme angesehen und auf ihren Zweck beschränkt, sodass sie beim Geisteskranken (furiosus) die Person[83] und das Vermögen, beim Verschwender aber nur das ererbte Familiengut betrifft.[84] Hier finden sich somit erste Elemente einer Massschneiderung und der Personensorge.[85] Diese Reduktion des Aufgabenfeldes auf die Zwecksetzung als Handlungen im Interesse des Mündels ist dann auch der massgebliche Unterschied der curatio zur tutela, wird aber von der cura minorum und deren grosser Bedeutung wieder überdeckt.[86]

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      Die cura furiosi sieht vor, dass zunächst die gradnächsten Nachkommen (Agnati) und, wenn es keine solchen gibt, die weiteren Angehörigen der patrilinearen Verwandschaft (Gentilen), die Pflegegewalt erhalten. Die Regelung der Berechtigung zur Pflegegewalt deckt sich mit derjenigen der Intestarerbfolge, wodurch die cura furiosi – ähnlich der tutela impuberum – zugleich fremd- und eigennützig ist. So kann der curator auch nicht testamentarisch eingesetzt werden und bedarf stets einer behördlichen Anordnung.[87] Die cura wegen Verschwendung (cura prodigi) setzt – im Unterschied zur cura furiosi – die Entmündigung voraus (interdictio).[88] Neben diesen regelmässig vorkommenden Massnahmen fanden sich im klassischen Recht auch Cura aus besonderem Anlass, wie die sog. cura debilium personarum, z. B. für Stumme, Taube, Gebrechliche etc., die ihre Angelegenheiten nicht ordnungsgemäss erledigen konnten und auf Antrag vom Prätor einen curator erhielten. Eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit trat jedoch nicht ein.[89] Faktisch wurde die Handlungsfähigkeit aber beschränkt.[90]

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      Im vorstaatlichen germanischen Recht kommt die Grossfamilie im Rahmen ihrer umfassenden Hausherrschaft (Munt) für die schutzbedürftigen Mitglieder auf.[91] Munt ist etymologisch mit manus verwandt und beinhaltet somit neben der Herrschafts- auch die Schutzfunktion im Sinne des «Hand darüber Haltens». Den Rechten des Muntherrn stehen entsprechende Pflichten gegenüber. In extremis besteht sogar die Möglichkeit, den Muntherrn zu verstossen, wenn er seinen auferlegten Pflichten nicht nachkommt.[92]

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      Die Muntgewalt ersetzt die noch nicht ausgebildete Staatsgewalt[93] und fokussiert die Angehörigen der eigenen Familie und der Sippe. Sie erhält erst in fränkischer Zeit (fünftes bis neuntes Jahrhundert) ansatzweise Gemeinwohlcharakter, indem der König die Muntgewalt im Rahmen seines Stammesverbandes über alle beansprucht, die muntlos geworden sind, vor allem Witwen und Waisen. Aus der Munt bildeten sich sodann staatliche Funktionen aus. Hier finden sich bereits erste Ansätze für die spätere staatliche Obervormundschaft.[94]

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      Ab dem dreizehnten Jahrhundert verstärkt sich die Verlagerung der Hausgewalt von den Rechten zu den Pflichten. Hintergrund dessen ist, dass die alte Familienorganisation mit Hausgewalt und Sippenverband zerbricht. Die Kleinfamilie bleibt übrig. Das Individuum löst sich heraus, und die öffentliche Gewalt beansprucht fortan die Rechte, die dem Sippenverband zugestanden waren.[95] Damit verändert sich auch die Stellung des Vormundes. Die Vormundschaft entwickelt sich immer mehr zur Ersatzvaterschaft:[96] aus Herrschaft wird Fürsorge, aus Recht Pflicht, und der schutzbedürftigen Person wird die Handlungsfähigkeit entzogen; sein Vormund wird gesetzlicher Vertreter.[97] Dadurch wird automatisch auch die Personensorge gestärkt und wichtiger. Die Städte, Landeshoheiten und Grundherrschaften übernehmen aufgrund der theologisch begründeten Fürsorge die Obervormundschaft. Sie organisieren die Aufsicht, die Inventarisierung des Mündelgutes, die Rechnungsablegung, nehmen Beschwerden entgegen und wirken bei wichtigen Massnahmen mit.[98] Die Verantwortlichkeit gegenüber dem fehlerhaften Vormund wird gleichzeitig ausgebaut.[99] Des vormundschaftlichen Schutzes bedürfen in jener Zeit Minderjährige ohne Vater, Frauen, «Narren», «Sinnlose», Geisteskranke, Gebrechliche, Verschwender, Abwesende, Dirnen, vereinzelt auch noch Priester[100] etc.[101] In den ländlichen Territorien entstehen der Obervormundschaft nachgebildete Vormundschaftsämter, die teilweise nach ständischen Gesichtspunkten aufgespaltet waren.[102]

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      Das Vormundschaftsrecht als amtsgebundenes Massnahmensystem unterliegt in der Neuzeit keinem grundlegenden Wandel mehr.[103] Es ist nun stark polizeilich geprägt[104] und setzt deutlich auf Kontrolle bis in die Einzelheiten der Amtsführung. Anzeichen dafür sind die Erweiterung der Entmündigungsgründe, die Heraufsetzung des Mündigkeitsalters bis auf 23 oder 24 Jahre, und die Obervormundschaft, die faktisch eine Polizeiinstanz wird. Polizei- und Verwaltungsrecht des aufgeklärten Absolutismus deuten somit das bisher familienrechtlich geprägte Vormundschaftsrecht zumindest teilweise um.[105]

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      Dieser Tendenz stellt sich zunächst eine naturrechtliche Bewegung entgegen, die im Sinne der Rechtsgleichheit Veränderungen zugunsten von Frauen, ausserehelichen Kindern und anderer Diskriminierungen anstrebt und teilweise auch erwirkt.[106] Die Französische Revolution und insbesondere der davon geprägte Code Civil vermag die Staatsallmacht im Vormundschaftsrecht sodann zu beschränken.[107] Zugleich wird der Code Civil zum Vorbild für andere Länder, auch für einzelne Schweizer Kantone.[108] Der Code Civil, aber auch später das Vormundschaftsrecht des Privatrechtlichen Gesetzbuches für den Kanton Zürich vermögen das Spannungsverhältnis zwischen Familieninteressen und staatlicher Ordnung für diese Zeit auszutarieren.[109]

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      Im 19. Jahrhundert regeln viele Kantone das Vormundschaftsrecht in eigenständigen Erlassen, wobei sich die frankophone Schweiz am Code Civil, der Kanton Bern am österreichischen ABGB orientiert.[110] Gerade die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts steht unter dem Einfluss von liberalen Ideen, wendet sich von der «Reglementierungssucht des Polizeistaates»[111] mehr oder minder ab und verweist den Staat in die Rolle des subsidiären Helfers.[112] Das Bundesgesetz betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit vom 22. Juni 1881 bringt eine erste Vereinheitlichung mit sich. Art. 5 des Gesetzes legt erstmals die Entmündigungsgründe für die ganze Schweiz fest (Verschwendung, geistiges bzw. körperliches Gebrechen, Misswirtschaft, Strafgefangenschaft, eigenes Begehren). Zudem ist auch eine lediglich teilweise Beschränkung der Handlungsfähigkeit möglich.[113] Folge davon ist, dass mit der Beschränkung der Anzahl der Entmündigungsgründe die persönliche Freiheit faktisch gestärkt wurde, wenn auch der historische Gesetzgeber eher den Rechtsverkehr mit schutzbedürftigen Personen vereinheitlichen und sichern wollte.[114]

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      Im 20. Jahrhundert treten zu dieser liberalen Haltung noch sozialstaatliche und –politische Ziele hinzu, und zwar gerade dort, wo infolge der Industrialisierung die Familie ihren Aufgaben nicht mehr nachzukommen vermag.[115]

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      Das massgeblich von Eugen HUBER geprägte geltende Zivilgesetzbuch von 1907 basiert im Wesentlichen auf den vor Inkrafttreten des ZGB geltenden kantonalen Ordnungen. Dort finden sich bereits in Bezug auf die Personensorge gerade in den Kantonen Bern und Graubünden entsprechende Bestimmungen, die Gebrechlichen eine anständige Verpflegung und in Graubünden, soweit tunlich, eine heilende Pflege zuteilwerden lassen; zudem sind Verschwender zu einer «verständigen und geordneten Lebensweise anzuhalten.»[116] Die Leistung von Eugen HUBER ist in diesem Bereich insbesondere in «der Sichtung und straffenden Synthese der schier unübersehbaren kantonalen Stofffülle»[117] zu sehen. Dennoch ist das Vormundschaftsrecht durch das neue Zivilgesetzbuch einem inneren Wandel ausgesetzt. Dieser liegt in seiner sozialen Ausrichtung und seiner fürsorgerischen Zielsetzung. Zwar war es im kantonalen Recht bereits so, dass dem Vormund Aufgaben der Personensorge übertragen wurden.[118] Im Kindesrecht hat das ZGB sie aber in den Vordergrund gestellt und erweitert. Diese Tendenz ist auch im Vormundschaftsrecht ersichtlich: Die Formulierung der Entmündigungsgründe zeigt deutlich das verstärkte Bedürfnis nach vermehrter Personensorge.[119]

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