Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche. Kathrin Loewe
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Das Eingehen von Arbeitsverhältnissen auf der Grundlage von Arbeitsverträgen ist für die Kirchen also kein Tatbestand, der nicht mehr vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht umfasst und damit außerhalb der Verfassungsgarantie angesiedelt ist.200 Deshalb zählt das religionsgemeinschaftliche Dienst- und Arbeitsrecht zu den eigenen Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft, auch wenn diese privatrechtliche Arbeitsverhältnisse eingeht.201
Die Kirchen haben sich auf individualrechtlicher Ebene dazu entschieden, außerhalb des engeren, öffentlich-rechtlich geregelten Bereichs auf die privatrechtlichen Gestaltungsformen des staatlichen Rechts zur Begründung ihrer Dienstverhältnisse zurückzugreifen.202 Es findet deshalb grundsätzlich das individualrechtliche Arbeitsrecht vollumfänglich Anwendung, bei dessen Auslegung die kirchlichen Besonderheiten jedoch zu berücksichtigen und einzelne Bestimmungen gegebenenfalls einzuschränken sind. Es wird den Kirchen etwa die Möglichkeit eingeräumt, selbst zu regeln, welche Voraussetzungen ein Mitarbeiter zur Einstellung erfüllen muss. In diesem Zusammenhang führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 04.06.1985 ausdrücklich aus: „Auch im Wege des Vertragsschlusses können daher einem kirchlichen Arbeitnehmer besondere Obliegenheiten einer kirchlichen Lebensführung auferlegt werden. Werden solche Loyalitätspflichten in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; er macht zugleich von seinem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch. Beides zusammen ermöglicht es den Kirchen erst, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen. Das schließt ein, daß die Kirchen der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter zugrunde legen konnen (vgl. BVerfGE 53, 366 (403 f.)).“203
Auch im kollektivarbeitsrechtlichen Bereich sind die kirchlichen Besonderheiten zu beachten und der Kirche eigene Wege offenzuhalten. Hier hat sie sich gegen die Übernahme des Tarifvertragsmodells entschieden und stattdessen den sog. „Dritten Weg“ eingeschlagen, bei dem das Leitbild der Dienstgemeinschaft bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen in den Verfahrensstrukturen einer Arbeitnehmerbeteiligung zum Ausdruck kommt.204 Zudem hat die katholische Kirche mit der Rahmen-MAVO eine eigene Mitbestimmungsordnung für den kirchlichen Bereich geschaffen.
II.Kein Verfassungsrang des Arbeitsschutzrechts
Spezifische Bedeutung des Arbeitsrechts ist es insgesamt, die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwingend zu gestalten und damit einen Rahmen für die grundsätzliche Vertragsfreiheit zu geben, um soziale Gerechtigkeit in diesen Beziehungen zu verwirklichen. Zur Herstellung dieses sozialen Interessenausgleichs hat der staatliche Gesetzgeber nicht nur Arbeitsgesetze mit zwingender Wirkung geschaffen, sondern mithilfe des Arbeitsschutzrechts auch öffentlich-rechtliche Sanktionen und ein weitverzweigtes Gefahrenschutzrecht.205 Wie bereits erläutert206 entspricht der staatliche Gesetzgeber mit letzteren Regelungen dem Sozialstaatsprinzip. Dieses gibt für sich gesehen keine unmittelbaren Rechte, sondern wird stets durch staatliche Gesetze ausgefüllt.207 Das Sozialstaatsprinzip kann somit selbst den Grundrechten und damit auch dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht keine unmittelbaren Schranken ziehen.208 Im arbeitsrechtlichem Kontext hat das Sozialstaatsprinzip ebenso nur als generelle Staatszielbestimmung oder als Auslegungskriterium Bedeutung. Insbesondere erklärt es keine konkrete Arbeitsrechtsordnung, wie etwa einen bestimmten Arbeitsschutz, als verfassungsfest.209 Dem staatlichen Gesetzgeber wird also gerade nicht eine „so und nicht anders einzulösende verfassungsrechtliche Verpflichtung vorgegeben“.210 Die auf dem Sozialstaatsprinzip basierenden Vorschriften und damit auch öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzgesetze sind deshalb nicht selbst in den Verfassungsrang erhoben. Und der Gesetzgeber wird durch die Erfüllung seiner Verantwortung auch nicht zu einer beliebigen Begrenzung des Selbstbestimmungsrechts ermächtigt.211 Ein solches Gesetz setzt der Kirchenautonomie also ebenfalls nur Schranken, wenn und soweit es zu dem für alle geltenden Gesetz im Sinne des Schrankenvorbehalts des Art. 137 Abs. 3 WRV gehört.212
III.Bindung an öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz-Vorschriften
Der staatliche Gesetzgeber erfüllt mit den Vorschriften des Arbeitsschutzrechts die Sozialstaatsklausel des Art. 20 GG durch staatliches Gesetz und wirkt sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegen.213 Er setzt damit für das Arbeitsverhältnis insgesamt Grenzen, die unerlässlich sind, um die Voraussetzungen für eine rechtsgeschäftliche Ordnung herzustellen. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen sichert die Freiheit dieser innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung.214 Denn auch gegenüber den Kirchen braucht der Staat, wie jeder anderen Rechtsordnung gegenüber, ein Schrankenziehungs- bzw. Vorbehaltsrecht.215 Wie bereits erwähnt sind die Kirchen also an die „Schranken der für alle geltenden Gesetze“ gebunden, die sich grundsätzlich in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, dem Willkürverbot, den guten Sitten, dem „ordre public“ sowie den Arbeitsschutzgesetzen finden.216 Die Kirchen sind schließlich Teil des Staatsganzen.217 Insgesamt muss ihre kirchliche Besonderheit allerdings stets Berücksichtigung finden, so dass staatliche Gesetze zur Erfüllung des Sozialstaatsprinzips auch nur insoweit im kirchlichen Bereich Geltung erlangen, als sie zu dem für alle geltenden Gesetz im Sinne des Schrankenvorbehalts gehören.
1.Staatliche Regelungen als Grenzen der Privatautonomie
Die Privatautonomie, auf deren Grundlage die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen grundsätzlich eigenverantwortlich gestalten können, besteht nur im Rahmen der geltenden Gesetze, die ihrerseits an die Grundrechte gebunden sind.218 Nach zivilrechtlichen Grundsätzen gehen die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehung zueinander eigenverantwortlich ein und setzen selbst Regelungen, weil die Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht. Allerdings kann der dem Gesetzgeber auferlegte Grundrechtsschutz es gebieten, dass gesetzliche Vorschriften sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenwirken. Im Sozialstaat wird die vertragliche Gestaltungsfreiheit also zum Teil durch gesetzliche Regelungen überlagert und beschränkt, die ihrerseits eine soziale Schutzvorkehrung zugunsten des Arbeitnehmers bilden sollen.219 Solche Vorschriften sind zwingend nötig, um die Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Ordnung herzustellen und auch zu bewahren.220 So greifen vor allem Gesetze, die in Erfüllung des Sozialstaatsprinzips erschaffen wurden, in die gesellschaftliche Ordnung intervenierend ein.221 Idee des Sozialstaates ist es schließlich, zum Schutz aller in die Gesellschaft regulierend einzugreifen und so eine gleichberechtigte Wirtschaftslage herzustellen.222 Der Gesetzgeber ist jedoch auch bei der Schaffung solcher „Schranken“ an das Grundgesetz gebunden und damit auch an die Glaubensfreiheit,