Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche. Kathrin Loewe

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Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche - Kathrin Loewe Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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Entscheidungen des BVerfG163 lauter.164 Neumann führt hierzu erklärend aus, dass die Frage des Schrankenvorbehalts im Arbeitsrecht erst dann aufgetaucht sei, weil nun eigenständige kirchliche Regelungen getroffen würden.165 Damals wurde die sogenannte Heckel’sche Formel, nach der nur ganz besonders bedeutende Gesetze die Kirchenautonomie begrenzen können, überwiegend aufgegeben und durch das neue Verständnis des Bundesverfassungsgerichts ersetzt.166 Danach können zu den ’für alle geltenden Gesetze[n] nur solche Gesetze rechnen, die für die Kirche dieselbe Bedeutung haben wie für Jedermann167. Trifft das Gesetz die Kirche nicht wie den Jedermann, sondern in ihrer Besonderheit als Kirche härter, also beschränkt die Norm ihr Selbstverständnis, so ist sie keine Schranke i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV.168

      Verfechter der Ansicht, dass dem staatlichen Arbeitsrecht ein strikter Vorrang einzuräumen ist - die den Großteil der Stimmen im Schrifttum darstellte169 - schwächen wegen dieser Rechtsprechung des BVerfG ihre früheren Thesen teilweise ab und relativieren die Anwendbarkeit im kirchlichen Bereich. Frank beispielsweise geht zwar nach wie vor von einer zwingenden Geltung des sozialen Kündigungsschutzes, des Jugend-, Mutter- und Schwerbehindertenschutzes auch im kirchlichen Bereich aus, stellt aber ansonsten nicht mehr auf eine uneingeschränkte Geltung des staatlichen Arbeitsrechts ab, sondern setzt auf Relativierung und Differenzierung angesichts der Schrankenrechtsprechung.170 Nur sehr vereinzelt geht man dennoch soweit, einen strikten Kompetenzverlust der Kirchen zur Regelung eines eigenständigen Dienstrechts aufgrund der Tatsache anzunehmen, dass die Kirchen sich der staatlichen Privatautonomie bedienen. Nell-Breuning sieht es beispielsweise als inkonsequent an, wenn sich die Kirchen einerseits „des Arbeitsvertrags [zu] bedienen und sich damit dem individuellen Arbeitsrecht als dem für alle geltenden Gesetz [zu] unterwerfen, andererseits aber alles, was in den Bereich des kollektiven Arbeitsrechts einschlägt, als spezifisch, kirchlich‘ und in diesem Sinn, eigene‘ Angelegenheiten an[zu]sehen und dafür mit Berufung auf Art. 137Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG Freistellungen von der allgemein geltenden Regelung [zu] beanspruchen.“171 Birk sieht die rechtliche Bindung kirchlicher Mitarbeiter durch einen Arbeitsvertrag ebenso nicht als eigene Angelegenheit im Sinne des kirchlichen Selbstverständnisses an172, wohingegen das BVerfG in seiner späteren Entscheidung vom 25.03.1980 allerdings ausdrücklich klarstellt, dass eine Bedienung staatlichen Rechts im Rahmen von Organisations- und Ordnungsformen nicht die Zugehörigkeit zu den eigenen Angelegenheiten der Kirche aufhebt.173

      Mit seiner Entscheidung vom 25.03.1980174 und der Anwendung eines Abwägungsmodells zur Bestimmung des Schrankenvorbehalts erreicht das BVerfG eine differenziertere Interpretation des Art. 137 Abs. 3 WRV, wie sie teilweise in der Literatur bereits herangezogen wurde.175 Weiss geht beispielsweise bereits vor der Entscheidung des BVerfG von der Notwendigkeit einer Abwägung hinsichtlich der Geltung des staatlichen Arbeitsrechts aus und möchte dabei die kirchliche und staatliche Ordnung so weit wie möglich zur Übereinstimmung bringen, „ohne einerseits die Kirchenautonomie auszuhöhlen und ohne andererseits die durch staatliches Arbeitsrecht den Arbeitnehmern eingeräumten Garantien preiszugeben“.176 Diese Entwicklung ist im Vergleich zum früheren Vorgehen nach der Bereichsscheidungslehre als methodischer und sachlicher Fortschritt zu begrüßen.177 Zudem stellt das Gericht klar, dass „die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht [hebt indessen] deren Zugehörigkeit zu den eigenen Angelegenheiten der Kirche nichts“ aufhebt.178

      Weder die These vom Vorrang des kirchlichen Rechts noch die These vom strikten Vorrang des staatlichen Rechts erfasst die Ausprägungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts also umfassend, wenn die Kirche sich bei dem Abschluss eines Arbeitsverhältnisses der Privatautonomie bedient.179 Die These vom Vorrang des kirchlichen Rechts allein übersieht, dass bei einer Inanspruchnahme der Privatautonomie und damit einer privatrechtlichen Begründung eines Arbeitsverhältnisses, kein „ursprünglicher Regelungsbereich“ der Kirche betroffen und die staatliche Rechtsordnung als Ergänzung vorauszusetzen ist.180 Der strikte Vorrang des staatlichen Arbeitsrechts wiederum vernachlässigt, dass das Staatskirchenrecht des Grundgesetzes die Eigenständigkeit der kirchlichen Ordnung gerade anerkennt. Was genau zu ihren eigenen Angelegenheiten gehört, wird deshalb nach ihrem Selbstverständnis bestimmt, weil der Staat dafür keine Maßstäbe kennt und somit „insoweit farbenblind“ ist.181

      Das BVerfG hat in seinem richtungsweisendem Beschluss vom 04.06.1985 dann eine Art Mittelweg eingeschlagen und klargestellt, dass das staatliche Arbeitsrecht als „schlichte Folge einer Rechtswahl182 auch im kirchlichen Bereich Anwendung findet, wenn sich die Religionsgemeinschaften im individualrechtlichen Bereich der jedermann offen stehenden Privatautonomie bedienen, auch wenn die Regelung der Arbeitsverhältnisse zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche zählt. Grundlage für die Geltung des staatlichen Arbeitsrechts ist dann konkret der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag.183 Allerdings ist diese Geltung des staatlichen Arbeitsrechts nicht insgesamt zwingend, denn das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften darf trotz der grundsätzlichen Geltung des staatlichen Arbeitsrechts nicht ausgehebelt werden und steht somit in einigen Bereichen einer vollständigen Anwendbarkeit des staatlichen Arbeitsrechts entgegen.184

      Den Kirchen ist also auch im Bereich des Arbeitsrechts - auch wenn dort grundsätzlich staatliche Arbeitsrechtsvorschriften für sie gelten – ein eigener Weg offenzuhalten zur Gestaltung des kirchlichen Dienstes und seiner arbeitsrechtlichen Ordnung in der von ihrem Selbstverständnis gebotenen Form.185 Man spricht dabei auch von einer arbeitsrechtlichen Regelungsautonomie.186 Denn die Kirchenautonomie sichert grundsätzlich die Freiheit der Kirchen innerhalb der staatlichen Ordnung.187

      Kirchlicher Beweggrund, im Arbeitsrecht zum Teil eigenständige Wege zu gehen, und Grundlage dieses modifizierten, „kirchlichen Arbeitsrechts“ ist insgesamt das Leitbild der Dienstgemeinschaft, das die Arbeitsrechtsbeziehungen in der Kirche prägt.188 Sie bezeichnet das Gemeinschaftsverhältnis zwischen der Leitung und der Mitarbeiterschaft einer kirchlichen Einrichtung.189 Mit dem Leitbild einer Dienstgemeinschaft soll ausgedrückt werden, dass der Auftrag Jesu, ihm im Dienst der Versöhnung zu folgen, sich nicht nur auf den Dienst jedes Einzelnen beschränkt, sondern auch ein Zusammenstehen vieler in der Gemeinschaft des Dienstes gefordert wird.190 Nach dem Selbstverständnis der Kirche umfasst dieser Dienst die Verkündigung des Evangeliums, den Gottesdienst und den aus dem Glauben erwachsenden Dienst am Mitmenschen.191 Zur Erfüllung dieses Auftrags ist jeder berufen, der im Dienst der Kirche steht, da es in der Dienstgemeinschaft keinen „auftragsfreien Raum“ gibt. Aus ihrem Leitbild ergibt sich, dass auch eine Konfliktaustragung im Rahmen des Dienstverhältnisses respektvoll und fair erfolgen muss.192 Die Kirche unterscheidet sich damit in diesem Punkt von allen anderen Einrichtungen und Betrieben, denn nirgends sonst wird das eigene Tätigsein jedes Einzelnen auch mit einem übergeordneten Werk verbunden, an dem alle mitarbeiten als Gemeinschaft. Sie hebt sich dadurch unter allen anderen Betrieben heraus.193 Die Kirche soll ihren Auftrag in der Nachfolge Christi so auslegen und leben dürfen, wie sie ihn versteht. Sie ist dabei lediglich an die „Schranken der für alle geltenden Gesetze“ gebunden, die sich in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, dem Willkürverbot, den guten Sitten, dem „ordre public“ sowie den Arbeitsschutzgesetzen gebunden.194 Denn die Ordnung des Wirkens der Kirche ist als Ordnung innerhalb – nicht jenseits – des gesamten Gemeinwesens zu verstehen.195

      Wie das Bundesverfassungsgericht eigens ausgeführt hat, darf die Einbeziehung kirchlicher Arbeitsverhältnisse in das staatliche Recht die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen.196 Damit beendete das BVerfG eine Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die bei der Kündigung von Mitarbeitern

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