Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche. Kathrin Loewe

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Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche - Kathrin Loewe Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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können, die in Verbindung zum religiösen Bekenntnis stehen und dazu dienen, die religiöse Überzeugung zu äußern. Grundsätzlich dulden staatliche Instanzen keinen Staat im Staate, denn in allen Bereichen der Gesellschaft gilt primär die staatliche Ordnung. Nur wenn Angelegenheiten betroffen sind, die als nichtstaatliche, religiöse Angelegenheiten zu qualifizieren sind und also ein Bezug zum Schutzbereich des Art. 4 GG gegeben ist, ist die Zuordnung zu den Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften auch plausibel.34 Nur durch diesen, den kirchlichen Auftrag betonenden Ansatz wird die in Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV konstituierte religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates gewahrt.35 Insgesamt werden daher als eigene Angelegenheiten Lehre und Kultus, Kirchenverfassung und Organisation, Ausbildung der Geistlichen, Rechte und Pflichten der Mitglieder, Kirchenmitgliedschaft, Vermögensverwaltung, und karitative Tätigkeit verstanden.36

      Das kirchliche Dienst- und Arbeitsverhältnis gehört ebenfalls zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften, denn theologische Grundlage des kirchlichen Dienstes ist der Sendungsauftrag der Kirche. Es ist kirchliche Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass zwischen kirchlicher Ordnung und dem Tun der kirchlich Bediensteten kein Zwiespalt besteht. Die Ausgestaltung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse in einer Form, in der sie mit dem kirchlichen Auftrag und den kirchlichen Besonderheiten in Einklang stehen, weist einen Bezug zum Schutzbereich des Art. 4 GG auf und ist eine eigene Angelegenheit der Kirche i.S.v. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV.37 Die Kirchen können gem. Art. 137 Abs. 3 WRV ihr Ämterwesen eigenständig regeln und zudem aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts, der in Absatz 5 des Artikels geregelt ist, Dienstverhältnisse öffentlichrechtlich begründen.38 Allerdings steht es ihnen auch frei, sich der jedermann offenstehenden Privatautonomie zu bedienen, um Dienstverhältnisse einzugehen und zu regeln.39

       III.Schranken des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts

      Das allgemeine Selbstbestimmungsrecht wird jedoch nicht schrankenlos gewährt, sondern unterliegt, neben den allgemeinen Schranken40, den Schranken des „für alle geltenden Gesetzes“, Art. 137 Abs. 3 WRV. Zu Zeiten der Frankfurter Reichsverfassung von 1849, an die Art. 137 Abs. 3 WRV letztlich angelehnt ist41, hat sich der Staat von jeglichem Eingriff in die gesellschaftliche Ordnung enthalten. Dagegen hat sich diese gesamtpolitische Haltung schon zu Zeiten der Weimarer Republik stark gewandelt und der Gesetzgeber war zur Gestaltung der Gesellschaft und ihrer Funktionsbereiche nach der Reichsverfassung legitimiert – insbesondere im Bereich der Arbeitsverfassung nach Art. 157 bis 165 WRV.42 Der Schrankenvorbehalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrecht in Form des „für alle geltendes Gesetzes“ bedarf schon deshalb einer genauen Auslegung, um eine übermäßige staatliche Einmischung abwenden zu können. In welchem Umfang die Religionsgemeinschaften bei der Ordnung und Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten frei sind, hängt deshalb in großem Maße von der in der Vergangenheit viel diskutierten Definition dieser Schranken ab. Jenseits ihrer eigenen Angelegenheiten sind Religionsgemeinschaften aber dem Staat und dem staatlichen Recht genauso verpflichtet wie weltliche Organisationen.43 Die Schrankenklausel wirkt damit als Kollisionsregel: Sie beschreibt zum einen die Grenze der Regelungszuständigkeit der Religionsgemeinschaften und beschränkt zum anderen die Zuständigkeit des Staates, da nur solche Normen für die Religionsgemeinschaften bindend sein können, die für alle geltendes Gesetz sind.44

      Jahrelang hat die Rechtsprechung in der Bundesrepublik45 die Formel von Johannes Heckel angewendet, nach der ein „für alle geltendes Gesetz“ wie folgt interpretiert wurde: „Ein Gesetz, das trotz grundsätzlicher Bejahung der kirchlichen Autonomie vom Standpunkt der Gesamtnation als politische Kultur- und Rechtsgemeinschaft unentbehrliches Gesetz ist, aber auch nur ein solches Gesetz.“46 Diese Heckel’sche Formel begegnete allerdings vielen Einwänden und es wurde vorgebracht, dass sie das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht zu sichern vermöge.47 Unter anderem wurde kritisiert, dass sie zu wenig präzise sei und damit praktisch kaum handhabbar. Außerdem sei die Grenzziehung in einer rational kaum nachvollziehbaren, freien Abwägung erfolgt und nicht in einem rechtlich und rational argumentierenden Prozess, um die praktische Konkordanz zwischen rivalisierenden Rechtsgütern herzustellen.48 Zudem ergibt sich aus dem Grundrecht der Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG, dass der Staat nicht nur die Selbstbestimmung der Religionsgemeinschaften akzeptiert, sondern auch ihr bekenntnismäßiges Verständnis respektiert. Der Schrankenvorbehalt gibt dem Staat auch nicht im Rahmen von Gesetzen, die die Sozialordnung festlegen, das Recht für die Religionsgemeinschaften zu entscheiden, wie sie ihren Auftrag zu erfüllen hat.49

      Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb einen eigenen Weg zur Begriffsbestimmung der Schrankenklausel eingeschlagen. Danach dürfen die Kirchen innerhalb ihres Selbstbestimmungsbereichs nicht an das „für alle geltende Gesetz“ i.S.v. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV gebunden sein, denn dadurch würde die verfassungsrechtlich garantierte Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der kirchlichen Gewalt geschmälert werden.50 Der Bereich der rein innerkirchlichen Angelegenheit, das „forum internum“, ist daher dem staatlichen Eingriff vollständig entzogen, im Gegensatz zu Sachverhalten, die unmittelbaren Bezug zur weltlichen Rechtsordnung haben (Bereichslehre).51

      Dieser Lehre ist entgegenzuhalten, dass zwischen Sachverhalten der innerkirchlichen Bereiche und solchen, die Bezug zur weltlichen Rechtsordnung haben, nicht immer scharf abgegrenzt werden kann. Schließlich können auch eigene Angelegenheiten der Kirche in den weltlichen Rechtskreis hineinwirken. Somit handelt es sich letztendlich wiederum um eine Abwägungsentscheidung. Im Grunde kommt es deshalb maßgeblich darauf an, wer diese Grenzziehung treffen darf.52

      Die Bereichslehre wurde darum durch verschiedene Theorien in der Rechtsprechung modifiziert und weiterentwickelt. In der Entscheidung vom 21.09.197653 hat das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht weiter verdeutlicht und klargestellt, dass eine Materie auch dann eine „innere kirchliche Angelegenheit“ bleibe, wenn sie mittelbare Rechtswirkungen in den staatlichen Zuständigkeitsbereich hat. In diesem Bereich kommt nur solchen Bestimmungen der Status eines „für alle geltenden Gesetzes“ zu, die für die Kirchen und Religionsgemeinschaften dieselbe Bedeutung wie für jeden anderen haben. Denn „trifft das Gesetz die Kirche nicht wie den Jedermann, sondern in ihrer Besonderheit als Kirche härter, ihr Selbstverständnis, insbesondere ihren geistig religiösen Auftrag beschränkend, also anders als den normalen Adressaten, dann bildet es insoweit keine Schranke“.54 Jedes Gesetz, das sich zwar nicht speziell gegen die Kirche wendet, sie aber härter trifft als andere, ist somit nach der so genannten „Jedermann-Formel“ nicht als „ein für alle geltendes Gesetz“ i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV anzusehen. Die „Jedermann-Formel“ soll damit die Schaffung von einschränkendem Sonderrecht verhindern, das sich gegen Kirchen und Religionsgemeinschaften richtet.55 Positiv formuliert können staatliche Gesetze also nur dann die religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmung beschränken, wenn sie für das Gemeinwesen bedeutsame Rechtsgüter beschützen. Ein für alle geltendes Gesetz im Sinne der Vorschrift ist danach ein Gesetz nur dann, wenn es „zwingenden Erfordernissen des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche in einem religiös und weltanschaulich neutralen politischen Gemeinwesen entspricht.“56

      Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zieht einen differenzierteren Verhältnismäßigkeitsmaßstab heran, ohne dabei jedoch von den früheren Ansätzen ausdrücklich abzurücken.57 In der grundlegenden Entscheidung vom 25.03.198058 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt,

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