Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche. Kathrin Loewe
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I.Allgemeines zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX
1.Entstehungsgeschichte nach staatlichem Recht
2.Wesensmerkmale und Rechtsfragen
a.Zielsetzung und Anforderungen
b.Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
c.Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers
d.Beteiligung der Interessenvertretungen
e.Rechtsfolgen bei unzureichendem oder fehlendem Betrieblichem Eingliederungsmanagement
II.Betriebliches Eingliederungsmanagement in der Rahmen-MAVO
1.Keine dem § 84 Abs. 2 SGB IX entsprechende Regelung
2.Anwendbarkeit auf Betriebe ohne bestehende Interessenvertretung bzw. ohne nach § 93 SGB IX bestehende Interessenvertretungen
3.Beteiligung der Interessenvertretungen nach allgemeineren Rahmen-MAVO-Vorschriften
a.§ 28a Abs. 3 und ggf. § 26 Abs. 3a Rahmen-MAVO
b.Beteiligung der Mitarbeitervertretung nach § 26 Abs. 3 Nr. 3 und 7 Rahmen-MAVO
c.Beteiligung über Mitbestimmungsrecht entsprechend § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
d.Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gem. § 52 SGB IX
e.Fazit
f.Andere Ansicht: Von Rahmen-MAVO nicht umfasst
III.Beispiel zur Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements im kirchlichen Bereich
EINLEITUNG
Am 31.12.2009 lebten in Deutschland insgesamt 7,1 Millionen schwerbehinderte Menschen.1 Als grundrechtlich garantierter Sozialstaat strebt Deutschland in seinem Handeln stets soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit an, um die Teilnahme aller an den gesellschaftlichen Entwicklungen zu gewährleisten. Schon aus dieser Staatszielbestimmung sowie aus dem in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verankerten Benachteiligungsverbot behinderter Menschen ergibt sich für den Staat die Aufgabe, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe Schwerbehinderter am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Schwerbehinderte Menschen unterliegen deshalb vor allem im Arbeitsleben, einem sehr wichtigen Baustein unseres gesellschaftlichen Lebens, einem speziellen Schutz. Dieser Schutz ist im 9. Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) verankert und ist Teil des sozialen Arbeitsschutzrechts. Darin sind beispielsweise spezielle Pflichten für die Arbeitgeber festgelegt, wie etwa die angemessene Beschäftigung und Förderung von schwerbehinderten Arbeitnehmern zur optimalen Weiterentwicklung ihrer Kenntnisse, gem.§ 81 Abs. 4 S.1 Nr. 1 SGB IX.2 Auch eine eigene Interessenvertretung, die Schwerbehindertenvertretung sowie verschiedene kollektive Mechanismen, die die innerbetriebliche Mitbestimmung betreffen, sind vorgesehen. Insgesamt haben schwerbehinderte Menschen somit in arbeitsrechtlicher Hinsicht eine gewisse „Sonderrolle“ inne.
Einer der größten Arbeitgeber Deutschlands ist die verfasste Kirche und ihre Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie. Bereits 2005 wurde die Zahl der in der Kirche und ihren Einrichtungen Beschäftigten auf insgesamt 1,83 Millionen geschätzt – Tendenz steigend.3 Aufgrund ihres verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts spielt auch die Kirche selbst in rechtlicher Hinsicht eine gewisse „Sonderrolle“.4 Dieses Recht findet seine Grundlage in Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), der durch Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporiert ist und dadurch bis heute seine Gültigkeit behalten hat.
Danach kann die Kirche ihre „eigenen Angelegenheiten“ selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes regeln. Sie hat deshalb auch das Recht, eigene Regelungen in Bezug auf das Arbeitsrecht zu setzen.5 Man spricht dabei auch von einer arbeitsrechtlichen Regelungs-autonomie.6 Anhand dieser Besonderheiten wird die religiöse Intention der Kirche im Sinne ihres Selbstverständnisses sichergestellt.7
Im kollektivarbeitsrechtlichen Bereich hat die Kirche auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV großteils eigene Regelungen geschaffen, wie etwa im Rahmen der innerbetrieblichen Mitbestimmung die Rahmen-MAVO. Das staatliche Betriebsverfassungsgesetz ist nach § 118 Abs. 2 BetrVG auf Religions-gemeinschaften nicht anwendbar.8 Hat sich die Kirche auf individualrechtlicher Ebene bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses der Privatautonomie bedient, so gelten auch für sie die Bestimmungen des weltlichen Arbeitsrechts. Allerdings sind diese für die Kirche im Lichte des Selbstbestimmungsrechts auszulegen. Den Kirchen ist also im Bereich des Arbeitsrechts ein eigener Weg zur Gestaltung des kirchlichen Dienstes und seiner arbeitsrechtlichen Ordnung in der von ihrem Selbstverständnis gebotenen Form offenzuhalten.9 Sie sind dabei aber an die Schranken des für alle geltenden Gesetzes i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV gebunden, die sich in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, dem Willkürverbot, den guten Sitten, dem „ordre public“ sowie eben den Arbeitsschutzgesetzen konkretisieren.10
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie in der Kirche, als bedeutendem Arbeitgeber in Deutschland der Schutz und die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gewährleistet werden. Welche Regelungen sind anwendbar, vor allem im kollektivarbeitsrechtlichen Bereich, wenn beide rechtlichen „Sonderrollen“ in der Arbeitswelt aufeinander treffen, also schwerbehinderte Menschen als Arbeitnehmer und die Kirche als Arbeitgeber? Kann es sein, dass hier eine Geltung des SGB IX als öffentlich-rechtliches Arbeitsschutzrecht in allen Bereichen des kirchlichen Arbeitsrechts – auch im kollektivarbeitsrechtlichen Bereich – erfolgen muss und aus Sicht der jeweiligen Interessenvertretungen sogar vorteilhaft wäre? Oder kann die Kirche hier eigene Regelungen setzen? Sind entsprechende kirchliche Bestimmungen – vor allem im kollektivrechtlichen Bereich – auch ausreichend vorhanden oder überwiegen diese die staatlichen Regelungen gar in ihrer Reichweite? Es gilt also in dieser Arbeit zu klären, ob das SGB IX als staatliches Arbeitsschutzrecht auch im kirchlichen Bereich umfassend Anwendung findet und somit insgesamt ein für alle geltendes Gesetz im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV ist, oder ob die Kirche von der Anwendbarkeit insbesondere hinsichtlich kollektivrechtlicher Regelungen freigestellt ist bzw. inwieweit das SGB IX Auswirkungen auf den kirchlichen Bereich hat. Im Zuge dessen ist darzulegen,