Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche. Kathrin Loewe

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Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche - Kathrin Loewe Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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Gesetzgeber selbst in diesem Zusammenhang auf die Regelung weltlicher Bereiche beschränkt ist.14 Religionsgemeinschaften sind deshalb Institutionen, die vom Staat unabhängig sind und „ihre Gewalt nicht von ihm herleiten“.15

      Bezieht sich die Kirche in ihrer Eigenschaft als Religionsgemeinschaft auf Art. 137 Abs. 3 WRV, so unterfallen auch ihre rechtlich selbständigen Untergliederungen dem Selbstbestimmungsrecht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst es insgesamt „alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, […] wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen.“16 Somit sind vom Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts der evangelischen und katholischen Kirchen auch die Diakonie und die Caritas umfasst.

      Im Folgenden soll die historische Entwicklung des heutigen, verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht der Kirchen veranschaulicht werden und auf seine Inhalte und Schranken eingegangen werden.

       I.Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel

      Wichtige Grundlage des heutigen Staatskirchenrechts ist die Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz. Diese hatten zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung zu einer entscheidenden Wendung im Staat-Kirche-Verhältnis geführt.

      Obwohl der Trennungsgedanke zwischen dem „Geistlichen“ und dem „Weltlichen“ schon immer zum Kernbestand christlichen Gedankenguts gehörte und das Christentum in Deutschland seit etwa der Spätantike dominierte17, herrschte in Deutschland jahrhundertelang eine enge Verbindung von Staat und Kirche. Die Existenz des Kirchenstaates und des Verwobenseins der Kirche in das politische Ordnungs- und Herrschaftssystem des Staates, wie zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, blieb in mal mehr und mal weniger ausgeprägter Form weitgehend erhalten.18 Erst im 19. Jahrhundert begann ein Prozess der zunehmenden Lockerung dieses Verhältnisses - „trotz mancher heftiger Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche nicht in der Tendenz feindschaftlicher Trennung, sondern wechselseitiger Zugewandtheit und Kooperation“.19 Eine in der Paulskirchenverfassung von 1849 in § 147 verankerte Kirchenautonomie, ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten, legte den Grundstein für das heute gültige staatskirchenrechtliche System, wurde aber zu damaliger Zeit nicht in Kraft gesetzt.20 Nach Ende des Kulturkampfes fand zumindest die Garantie der Gleichberechtigung der Konfessionen in der Bismarckschen Reichsverfassung von 1871 ihren Niederschlag. Mit dem Untergang der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg wurden grundsätzliche Neuerungen geschaffen. Die Weimarer Verfassung von 1919 verankerte in Art. 136, 137, 138, 139 und 141 WRV die auch noch heute Geltung findenden Kirchenartikel und gab der Kirche damit vor allem Freiheit der Bewegung und des Wirkens. Smend beschreibt die Ordnung zwischen Staat und Kirche in der Weimarer Verfassung als eine Ordnung „der inneren Fremdheit, der Berührung nur noch an der beiderseitigen Peripherie, ohne Beteiligung des Wesenskerns des einen oder des anderen Partners“.21 Allerdings wird das durch die Weimarer Verfassung geschaffene Kirchensystem auch als hinkendes Trennungssystem bezeichnet22, weil es zwar einerseits die Trennung von Staat und Kirche und die Autonomie zur eigenen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes festsetzt, andererseits den Kirchen aber weiterhin den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt. Daran wird letztlich erkennbar, dass die entsprechenden Artikel der Weimarer Verfassung schon damals das Ergebnis eines Kompromisses der Regierungskoaltion waren.23

      Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die genannten Kirchenartikel dann durch Art. 140 GG in das neue Grundgesetz vom 23.05.194924 inkorporiert. Durch die Inkorporation in Art. 140 GG sind die Weimarer Kirchenartikel Bestandteil des Grundgesetzes geworden und bilden mit ihm ein organisches Ganzes.25 Auch wenn sich die kirchenpolitischen Verhältnisse in der Nachkriegszeit grundlegend von den Verhältnissen zu Zeiten der Weimarer Nationalversammlung unterschieden, besann man sich auf die in der Weimarer Verfassung grundsätzlich bewährten Regelungen zurück – dies war teilweise wiederum einem Kompromiss der Abgeordneten geschuldet.26 In der Zeit nach 1945 konzentriert sich die Kirche verstärkt auf ihre Eigenständigkeit. Zugleich beschränkt sich der Staat auf die Ordnung des "Weltlichen“ und entlässt damit die Kirchen prinzipiell aus seiner Aufsicht und erkennt die besondere Bedeutung der Kirchen für das Leben in Staat und Gesellschaft an. Das Verhältnis von Kirche und Staat soll nun als Partnerschaft charakterisiert werden.27

       II. Inhalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts

      Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen erstreckt sich gem. Art. 137 Abs. 3 WRV auf das selbständige „Ordnen“ und „Verwalten“ der „eigenen Angelegenheiten“.

      Mit der Gewährleistung einer selbständigen Ordnung ist dem Staat die Einflussnahme auf die kirchliche Rechtsetzung versagt und das Inkrafttreten kirchlicher Bestimmungen ist von keiner staatlichen Genehmigung abhängig, sofern durch sie lediglich eigene Angelegenheiten der Religionsgesellschaft geregelt werden sollen.28

      Dieses Recht zur selbständigen Verwaltung ist weit auszulegen und umfasst die freie Betätigung der Organe der Religionsgemeinschaften zur Verwirklichung der jeweiligen Aufgaben einschließlich des Verfahrensrechts und der Berechtigung zur eigenen Rechtsprechung. Mit einbezogen ist dabei insbesondere auch die freie Ämterbesetzung, die in Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV explizit erwähnt wird.29

      Der unbestimmte Rechtsbegriff der „eigenen Angelegenheiten“ in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV war lange Zeit umstritten.

      Zu Zeiten der Weimarer Republik wurde die Ansicht vertreten, dass der Staat durch die Reichsverfassung selbst normiere, was eigene Angelegenheiten der Kirche seien bzw. die staatlichen Gerichte durch Auslegung der Reichsverfassung eine verbindliche Feststellung treffen könnten. Allerdings widerspricht diese Ansicht der in Art. 137 WRV garantierten Eigenständigkeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften und ist deshalb abzulehnen. Die Neutralität des Staates gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften wäre durch eine solche staatliche Normierung gerade nicht mehr gegeben, so dass das Grundgesetz in sich widersprüchlich ausgelegt würde.30

      Nach anderer Lehrmeinung, der auch die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt ist31, wurde vertreten, dass die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts gerade nicht durch die Verfassung selbst normiert, sondern vorausgesetzt und in diesem vorausgesetzten Umfang gewährleistet werde. Eine Abgrenzung müsse nach objektiven Gesichtspunkten erfolgen. Als „eigene Angelegenheiten“ seien deshalb solche Angelegenheiten zu qualifizieren, die materiell, der Natur der Sache oder der Zweckbestimmung nach „eigene“ sind.32 Auch diese Auslegung des Begriffs der „eigenen Angelegenheiten“ erschien jedoch sehr weit gesteckt und bedurfte der weiteren Konkretisierung, nämlich wie die Natur der Sache oder Zweckbestimmung festzulegen sei.

      Mittlerweile vertritt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass maßgebend für die Qualifizierung einer Angelegenheit als „eigene“ im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV Auftrag und Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften sind.33 Es obliegt also den Religionsgemeinschaften darzulegen, dass eine Angelegenheit durch den kirchlichen Auftrag umschrieben ist und auf der Grundlage des kirchlichen Selbstverständnisses rechtlich gestaltet werden sollte.

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