Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention. Matthias Lodemann

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Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention - Matthias Lodemann Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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nicht unähnlich zur katholischen GrO die Anforderungen zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich188 ist die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder verbundenen Kirche Voraussetzung (Absatz 1). Hiervon kann für andere als verkündigungsrelevante, seelsorgerische, unterweisende oder leitende Aufgaben abgesehen werden, sofern geeignetere Mitarbeiter nicht zu gewinnen sind (Absatz 2). Ungeeignet ist in jedem Fall, wer aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, ohne in eine andere Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen189 oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen übergetreten zu sein.190 Ein Austritt aus den letztgenannten kann ebenfalls die mangelnde Eignung begründen (Absatz 3). Hier muss eine Einzelfallprüfung erfolgen, etwa dahingehend, ob der Austritt in kirchenfeindlicher Weise geschah oder ein Eintreten gegen allgemeine christliche Vorstellungen beinhaltete.191

      b. Fragerecht und Offenbarungspflicht

      Hier kann trotz der nicht normierten Fragepflicht auf das oben Gesagte verwiesen werden.192 Etwaige Verstöße zögen keine kündigungserheblichen Rechtsfolgen nach sich, so dass diese Frage offen bleiben kann.

      c. Loyalitätsanforderungen

      Betrachtet man die RL.EKD gerade auch im Vergleich zur katholischen GrO, so fallen zwei Aspekte besonders ins Auge. Zunächst einmal zeigt sich die RL.EKD deutlich weniger detailliert als die GrO, indem beispielsweise auf einen Katalog an Regelbeispielen verzichtet wird. Zum anderen ist sie im Ergebnis auch teilweise durchaus liberaler.

      Grundsätzlich wählt § 4 RL.EKD aber einen der GrO sehr ähnlichen Weg an gestuften Loyalitätsobliegenheiten. Von allen Mitarbeitern wird zwar gemäß § 4 I RL.EKD Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche erwartet. Evangelische Mitarbeiter haben aber darüber hinaus Schrift und Bekenntnis anzuerkennen193, und, sofern ihre Tätigkeit in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung liegt, eine dieser Verantwortung entsprechende inner- und außerdienstliche Lebensführung aufzuweisen. Christliche Mitarbeiter haben demgegenüber gemäß § 4 II RL.EKD Schrift und Bekenntnis zu achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung einzutreten. Nichtchristliche Mitarbeiter schließlich haben nur den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.

      In noch stärkerem Maß als bei der katholischen GrO lassen sich diesem Rechtstext nur schwer konkrete Anforderungen entnehmen.194 Ob sich durch die offenen Formulierungen überhaupt ein Mehr an Rechtssicherheit erreichen lässt, scheint daher fraglich.195 Hingewiesen sei allerdings bereits auf einige Unterschiede zu den katholischen Loyalitätsobliegenheiten.

      Während die katholische Kirche die Ehe als unauflösliches Sakrament versteht,196 kennt die evangelische Kirche die Wiederverheiratung Geschiedener.197 Eine solche führt hier also nicht zur Kündigung. Ein weiterer Unterschied zeigt sich im Umgang mit der Homosexualität. Trotz des grundsätzlich gleichen Konflikts, dass gleichgeschlechtliche Liebe dem Plan Gottes widerspricht,198 favorisiert die EKD die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften unter bestimmten Voraussetzungen.199 Schon 1996 empfahl eine Orientierungshilfe des Rates der EKD den Homosexuellen, denen Enthaltsamkeit nicht gegeben ist, eine „vom Liebesgebot her gestaltete und damit ethisch verantwortete gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft.“200 Wiewohl also Ehe und Familie weiterhin den Normalfall des Zusammenlebens bilden sollen, müsse zur Stützung des verantwortlichen Umgangs miteinander eine Möglichkeit für diejenigen geboten werden, denen die Ehe als Lebensform nicht zur Verfügung steht, solange dies nicht auf Kosten und zu Lasten der Ehe geschieht.201 Die eingetragene Lebenspartnerschaft stellt sich daher nach Sicht der evangelischen Kirche als eine schützenswerte Institution dar.202 Damit stellen sich die Loyalitätserwartungen der evangelischen Kirche grundsätzlich als liberaler dar als die GrO der katholischen Kirche.

      d. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Loyalitätsobliegenheiten

      § 5 I RL.EKD normiert ebenfalls das gängige ultima-ratio-Prinzip. Bei Verstößen gegen Loyalitätserwartungen hat zunächst ein beratendes Gespräch zu erfolgen, weitere mögliche Maßnahmen sind nach den Umständen des Einzelfalls dann Versetzung, Abmahnung, ordentliche Kündigung und schließlich die außerordentliche Kündigung. Ein Grund für Letztere ist gemäß § 5 II RL.EKD insbesondere der Austritt aus der evangelischen Kirche oder ein die evangelische Kirche grob missachtendes Verhalten, das eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes darstellt. Der Begriff der groben Missachtung erscheint zu unbestimmt, entscheidend ist aber nicht allein die Tat als solche, sondern auch „das Skandalon, das mit ihr verbunden ist oder sein kann.“203 Aber auch der Austritt aus einer anderen als der evangelischen Kirche kann einen Kündigungsgrund darstellen, § 5 III RL.EKD.

      Der Ansicht, dass es sich beim Erfordernis des beratenden Gespräches um eine zwingende Verfahrensvorschrift handelt,204 kann aufgrund der klaren Formulierung des Wortlauts als Soll-Vorschrift nicht gefolgt werden. Gleichwohl sollte aber aus Gründen der Rechtssicherheit nicht auf ein solches Gespräch verzichtet werden.205

      3. Ergebnis

      Eine Kodifizierung kündigungswesentlicher Loyalitätsobliegenheiten ist damit sowohl durch die katholische Kirche als auch durch die EKD erfolgt. Erste Kritikpunkte sind bereits jetzt offensichtlich. Derartige Rechtstexte bewegen sich zwangsläufig im Spannungsfeld zwischen Theologie und Recht, so dass ihnen aus rechtlicher Hinsicht eine gewisse – aber zumindest nicht absolut vermeidbare – Unbestimmtheit vorgeworfen werden muss. Die katholische GrO beugt diesem Problem durch einen Katalog an Regelbeispielen vor, so dass zumindest auf eine Vergleichbarkeit abgestellt werden kann. Der evangelischen RL.EKD sind dagegen nur schwer konkrete Regelungsaussagen zu entnehmen, so dass insoweit auf die kirchlichen Wertungen vertraut werden muss. Mag dies auch durchaus rechtmäßig sein206 – ein Plus an Rechtssicherheit ist so nicht erreicht worden.

      19 Vgl. die Übersicht bei Bleckmann, Von der individuellen Religionsfreiheit des Art. 9 EMRK zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, S. 73 ff.

      20 Aus Gründen der überragenden Bedeutung wird diese Arbeit sich insbesondere exemplarisch den beiden Großkirchen in Deutschland widmen und andere Kirchen und/oder Religionsgemeinschaften nur dort einbeziehen, wo dies geboten und sinnvoll erscheint.

      21 Schliemann, NZA 2003, 407, 408.

      22 Vgl. Struck, NZA 1991, 249, 254: „Letztlich ist die Offenbarung Grundlage aller Verkündigung und tätigen Nächstenliebe.“; Richardi, NZA 1994, 19, 24; dagegen Däubler, RdA 2003, 204, 206, der die Orientierung an der christlichen Nächstenliebe als „bisweilen fiktiv“ bezeichnet.

      23 Schliemann, NZA 2003, 407, 408.

      24 Klar, NZA 1995, 1184; Joussen, NZA 2008, 675; Link, in: GS Blomeyer, S. 675, 677; Thüsing/Börschel, NZA-RR 1999, 561.

      25 Ruland, NJW 1980, 89, 91, Wieland, DB 1987, 1633, jeweils m.w.N.

      26 Keßler, in: FS Gitter, S. 461, 463.

      27 Schliemann, NZA 2003, 407 m.w.N. in Fn. 9.

      28 Thüsing, ZTR 2006, 230.

      29 Czermak,

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