Recht des geistigen Eigentums. Thomas Ahrens
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III. Wesen und Einordnung
Im Zuge der grundlegenden Reformierung des Designschutzrechts, die ihren Niederschlag bereits im „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz)“ vom 12.3.2004 gefunden hat (s. bereits § 2 II.), hat sich das Wesen des Designschutzrechts verändert und sein Standort innerhalb des Koordinatensystems des Immaterialgüterrechts deutlich verschoben. Das alte Geschmacksmustergesetz – das „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen“ – basierte, wie bereits aus der Gesetzesbezeichnung ablesbar, auf urheberrechtlicher Grundlage. Als im 19. Jahrhundert im Zuge der fortschreitenden industrialisierten Warenproduktion das zunehmende Bedürfnis nach einem rechtlichen Schutz für gestalterische Leistungen entstand, konnte zunächst mangels anderer rechtlicher Schutzinstrumente nur auf das Urheberrecht zurückgegriffen werden, dessen relativ hohe Anforderungen an die schöpferische Gestaltung eines Werkes sich für gewerbliche Gestaltungsleistungen in der Regel allerdings als zu hoch erwiesen. Vor diesem Hintergrund entstand 1876 das erste Geschmacksmutergesetz, das gegenüber dem Urheberrecht eine deutlich herabgesetzte Schutzschwelle vorsah und, das – obgleich gewerbliches Schutzecht – terminologisch und in seiner Ausgestaltung, insbesondere seiner Beschränkung auf einen reinen Nachahmungsschutz, starke Bezüge zum Urheberrecht aufwies. Dieser enge Bezug zum Urheberrecht wurde durch die grundlegende Geschmacksmusterrechtsreform 2004 beseitigt.1 Insbesondere mit Blick auf die im reformierten Geschmacksmusterrecht 2004 eingeführte sog. SperrwirkungSperrwirkung des Designschutzrechts (§ 38 DesignG), die hiermit korrespondierende Anerkennung eines VorbenutzungsrechtVorbenutzungsrechts (§ 41 DesignG), aber auch aufgrund der überwiegend patentrechtlich ausgerichteten Beschränkungen der Rechte aus dem eingetragenen Design (§ 40 DesignG) ergibt sich heute eine „strukturelle Nähe“ zum Patentrecht. Im Anwendungsbereich des reformierten Designrechts ist das eingetragene Design daher nicht mehr länger ein „Zwitter“ zwischen Urheberrecht und gewerblichem Rechtsschutz, sondern ein eigenständiges gewerbliches SchutzrechtSchutzrechtgewerbliches, das in seinen Schutzvoraussetzungen und Schutzwirkungen den übrigen gewerblichen Schutzrechten ähnelt.2
IV. Bedeutung: Designschutzrecht in Zahlen
Die Bedeutung des Designschutzrechts in der Praxis ist erheblich. Das Design eines Produkts wird in der modernen Industriegesellschaft als qualitätsbestimmende Produkteigenschaft angesehen, die angesichts zunehmender Homogenisierung der Erzeugnisse einen immer wichtigeren Faktor im Rahmen des Marketings darstellt.1 Nicht zuletzt der öffentlichkeitswirksame Rechtsstreit zwischen Apple und Samsung, in dem Apple die Verletzung ihrer Geschmacksmusterrechte am iPhone- und iPad-Design durch Samsung geltend gemacht hat, haben die Bedeutung des Designschutzrechts in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt.2 Die tatsächlich-praktische Bedeutung des Designschutzrechts sowie die Anmeldeaktivität einzelner Länder und Regionen spiegeln sich recht anschaulich auch in den alljährlich vom DPMA im Rahmen seines Jahresberichts veröffentlichten statistischen Zahlen wider.3 So wurden im Jahr 2016 beim DPMA – zuständig ist die Designstelle des DPMA in Jena – insgesamt 54588 Designs in 7143 Anmeldungen angemeldet. Gegenüber dem Vorjahr 2015 mit 57741 Designs in 7.223 Anmeldungen war damit ein moderater Rückgang um 5,5 % bei den Anmeldungen zu verzeichnen. Von der Möglichkeit, mehrere Designs in einer SammelanmeldungDesignschutzSammelanmeldung (§ 12 DesignG) zusammenzufassen, haben in 2016 55,7 % der Anmelder Gebrauch gemacht, wobei durchschnittlich 12,9 Muster innerhalb einer Sammelanmeldung angemeldet wurden. Der Anteil ausländischer Designanmeldungen belief sich im fraglichen Zeitraum auf 17 % (Vorjahr 21,8 %) und war damit gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig. Spitzenreiter der ausländischen Anmelder war Italien (8,1 %), gefolgt von Österreich (2,9 %), China (1,9 %), der Schweiz (1,3 %), den USA (0,8 %), Frankreich (0,4 %), Luxemburg (0,3 %) und sonstigen Ländern (1,4 %). Bei den inländischen Designanmeldungen lagen in 2016 vorn: Nordrhein-Westfalen (27,1 %), Bayern (25,6 %) und Baden-Württemberg (13,9 %), gefolgt von Niedersachsen (7,4 %), Hessen (5,1 %), Rheinland-Pfalz (4,4 %), Berlin (4,2 %), Sachsen (3,3 %), Schleswig-Holstein (3,2 %), Hamburg (2,2 %) und den übrigen Bundesländern (3,6 %). Auf die drei erstplatzierten Bundesländer entfielen damit zusammen 66,6 % der angemeldeten Designs, was den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskraft einzelner Regionen und der Anmeldetätigkeit der dort ansässigen Unternehmen und Personen verdeutlicht. Zur Veranschaulichung des DesignschutzDesignschutz-rechtrechts nach Wirtschaftsbranchen ist die prozentuale Verteilung der Warenklasseneinträge aufschlussreich: 18,7 % der Einträge betrafen die Klasse 6 „Möbel“, gefolgt von Klasse 32 „Grafische Symbole und Logos“ (12,7 %) und Klasse 2 „Bekleidung und Kurzwaren“ (11,6 %).4
§ 38 Schutzvoraussetzungen
I. Begriffsbestimmungen
Während das alte Gesetz bis zur Reform 2004 keine Legaldefinition des Begriffs des Geschmacksmusters enthielt und die Definition der Rechtsprechung überließ, enthält das reformierte, seit der Modernisierung 2013 als Designgesetz bezeichnete Recht einige wesentliche Begriffsbestimmungen (vgl. § 1 DesignG), insbesondere auch eine Definition des Begriffs „Design“ (früher „Muster“), das den Gegenstand des Schutzrechts beschreibt. Ein „DesignDesign“ ist danach eine zweidimensionale oder dreidimensionale ErscheinungsformFormErscheinungs- eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teiles davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt (§ 1 Nr. 1 DesignG). Ein „Erzeugnis“ ist seinerseits definiert als jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand, einschließlich Verpackung, Ausstattung, grafischer Symbole und typografischer Schriftzeichen sowie von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis (seinerseits definiert in § 1 Nr. 3 DesignG) zusammengebaut werden sollen; ein ComputerprogrammComputerprogramm gilt nicht als Erzeugnis (§ 1 Nr. 2 DesignG). In begrifflicher Hinsicht ist im Übrigen zu beachten, dass der SchutzgegenstandSchutzgegenstandDesign des Designschutzes bis zur Eintragung als „Design“ und erst nach der Eintragung als „eingetragenes Designeingetragenes Design“ (früher „GeschmacksmusterGeschmacksmuster“) bezeichnet wird (vgl. § 2 Abs. 1 DesignG). Diese sprachliche Differenzierung des deutschen Gesetzes weicht, wie bereits nach alter Gesetzeslage, von der Terminologie der GemeinschaftsgeschmacksmusterGemeinschaftsgeschmacksmuster-verordnungverordnung (GGV) ab, die den zu schützenden Gegenstand vor der Eintragung als „Geschmacksmuster“ bezeichnet und danach als „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ (vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 GGV). Die in der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung verwendeten Begrifflichkeiten „Geschmacksmuster“ und „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ können nur durch die verordnungsgebenden Organe der EU geändert werden. Eine der modernisierten deutschen Terminologie entsprechende Änderung soll offenbar von deutscher Seite angeregt werden.1
II. Materielle Schutzvoraussetzungen
Die materiellen Schutzvoraussetzungen des Designschutzes ergeben sich aus § 2 Abs. 1 DesignG. Danach wird ein Design als eingetragenes Design geschützt, wenn es neu ist und EigenartEigenartDesignschutzEigenart aufweist.
1. NeuheitNeuheitgeschmacksmusterfähige
Ein Design gilt als neu, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches Design offenbart worden ist (§ 2 Abs. 2 S. 1 DesignG).