Recht des geistigen Eigentums. Thomas Ahrens

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Recht des geistigen Eigentums - Thomas Ahrens

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d.h. die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Designschutz auch für Ersatzteile in Betracht kommt, ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, insbesondere für den KFZ-Ersatzteilmarkt, auf dem sich neben den Automobilherstellern bekanntlich auch freiefreieErsatzteilherstellung Ersatzteilhersteller etabliert haben.1 Das Volumen des gesamten EU-Marktes (vor Erweiterung = „EU 15“) für KFZ-Ersatzteile wird auf 42 bis 45 Mrd. EUR jährlich geschätzt, wobei der Anteil der Fahrzeughersteller am Ersatzteilmarkt Schätzungen zufolge 50–55 % beträgt, während die verbleibenden 45–50 % auf den sog. unabhängigen Anschlussmarkt entfallen. Das Marktvolumen des Ersatzteilmarktes, der designfähige Fahrzeugteile betrifft (z.B. Stoßstangen, Kotflügel, Motorhauben, Beleuchtung), wird auf ca. 25 % des gesamten Anschlussmarktes, mithin auf ca. 9–11 Mrd. EUR jährlich veranschlagt.2 Aber nicht nur für die Teileindustrie, auch für die Sachversicherer ist die Frage, ob der Ersatzteilmarkt vermittels des Designschutzes durch den Hersteller der Ausgangsware monopolisierbar ist, von besonderem wirtschaftlichem Interesse.3

      1. Ausgangspunkt: Terminologie

      Wie bereits erörtert (s.o. § 2 I.), ist für die Frage der Designfähigkeit der Erzeugnisbegriff von entscheidender Bedeutung. Dieser erfasst nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung auch Einzelteile, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen (§ 1 Nr. 2 DesignG). Ein komplexes ErzeugnisDesignschutzkomplexes Erzeugnis ist seinerseits definiert als ein Erzeugnis aus mehreren Bauelementen, die sich ersetzen lassen, sodass das Erzeugnis auseinander- und wieder zusammengebaut werden kann (§ 1 Nr. 3 DesignG). Ein Auto ist mithin – anders als ein „individuelles Erzeugnis“ (z.B. eine Vase) – in der Terminologie des Designrechts ein „komplexes Erzeugnis“, da es aus einer Vielzahl von ersetzbaren „Bauelementen“ besteht. Aus der vorgenannten Definition des Erzeugnisses (§ 1 Nr. 2 DesignG) folgt wiederum, dass die Bauelemente eines komplexen Erzeugnisses (z.B. der Türrahmen) als „Einzelteile“ grundsätzlich designfähig sind.1 Handelt es sich um zu Reparaturzwecken hergestellte oder verwendete Einzelteile, so werden diese als „Ersatzteile“ bezeichnet.2

      2. Ausschluss sog. must-fit-Teile

      Ist die Designfähigkeit von Einzelteilen damit im Grundsatz zu bejahen, ist gleichwohl – namentlich bei KFZ-Ersatzteilen – zu berücksichtigen, dass Verbindungselemente (sog. must-fit-Teilemust-fit-Teile), wie gesehen (s. zuvor III. 2.), im Interesse der Interoperabilität vom Designschutz ausgeschlossen sind. Entsprechend der Zielrichtung der diesem Ausschlusstatbestand zugrunde liegenden unionsrechtlichen Gesetzgebung liegt die hauptsächliche Bedeutung dieser Regelung gerade bei Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge. So sollen danach z.B. die Abmessungen der Verbindungsmuffen eines Auspuffrohrs vom Schutz ausgeschlossen sein, weil sie durch die Abmessungen auf der Unterseite des Kraftfahrzeugs vorgegeben sind.1 Der Ausschluss erstreckt sich, wie gleichfalls bereits erörtert (s. zuvor III. 2.), jedoch nicht auf solche Ersatzteile, die zwar zur Herstellung des Erscheinungsbildes eines komplexen Erzeugnisses in einer bestimmten FormForm gefertigt werden müssen, bei denen es sich jedoch – wie etwa bei den stilistischen Formelementen der Motorhaube, der Scheinwerfer oder Stoßstange – nicht um Verbindungselemente handelt, sodass ihre Gestaltung – funktional bzw. technisch – nicht zwangsläufig vorgegeben ist (sog. must-match-Teilemust-match-Teile).2 Die Designfähigkeit der sog. must-match-Teile ist daher im Grundsatz zu bejahen.

      3. Schutzbeschränkung auf sichtbare Bauelemente

      Auch soweit die Gestaltung eines Ersatzteiles nicht von einem gesetzlichen Ausschlussgrund erfasst ist, bleibt jedoch als weitere gesetzliche „Hürde“ zu beachten, dass der Gesetzgeber den Designschutz für „Bauelemente komplexer Erzeugnisse“ an besondere Bedingungen geknüpft hat. So gilt ein Design, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses eingefügt wird, nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, wenn das Bauelement, das in ein komplexes Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt und diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen (§ 4 DesignG).1 Für die Designfähigkeit von Bauelementen komplexer Erzeugnisse wird der grundsätzlich eröffnete TeileschutzDesignschutzTeileschutz damit also wieder eingeschränkt. Unionsrechtlicher Hintergrund der Regelung ist, dass jeder Streit über die Schutzfähigkeit von innenliegenden KFZ-Bauteilen (z.B. Kupplung, Motorteilen) ausgeschlossen und der Schutz für KFZ-Ersatzteile durch den Ausschluss nicht sichtbarer Teile auf ein Minimum beschränkt werden sollte.2 Bei bestimmungsgemäßer Verwendung gelten nicht sichtbare Gestaltungsmerkmale nach der gesetzlichen Fiktion als nicht neu und eigenartig und sind daher vom Schutz ausgeschlossen. Demgegenüber wird sichtbaren KFZ-Bauteilen, soweit die sichtbaren Merkmale neu und eigenartig sind, Designschutz zuerkannt.

      4. Übergangsbestimmung zu Reparaturteilen

      Im Zusammenhang mit der Ersatzteilfrage von Bedeutung ist schließlich, dass das Gesetz seit der Geschmacksmusterreform 2004 zu dieser Frage eine Übergangsbestimmung enthält. Danach können Rechte aus einem eingetragenen Design gegenüber Handlungen nicht geltend gemacht werden, die die Benutzung eines Bauelements zur Reparatur eine komplexen Erzeugnisses im Hinblick auf die Wiederherstellung von dessen ursprünglicher Erscheinungsform – also die Benutzung eines Reparaturteiles – betreffen, wenn diese Handlungen nach dem alten, d.h. dem durch das Geschmackmusterreformgesetz 2004 abgelösten Geschmacksmustergesetz nicht verhindert werden konnten (§ 73 Abs. 1 DesignG). Mit anderen Worten: Verbietungsrechte aus einem eingetragenen Design können gegen die Benutzung eines Reparaturteiles dann nicht geltend gemacht werden, wenn dies auch nach altem Recht, d.h. der bis zum 31.5.2004 maßgeblichen Gesetzeslage, nicht möglich gewesen wäre, insbesondere weil das fragliche Ersatzteil weder für sich allein noch im Rahmen eines Gesamterzeugnisses geeignet ist, eine ästhetische Funktion zu entfalten.1 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Handlungen, gegen die bereits nach alter Rechtslage Ansprüche geltend gemacht werden konnten, folglich auch zukünftig geahndet werden können. Für Reparaturteile, die zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes dienen, bleibt also bis auf Weiteres die alte Rechtslage – der „status quo“ – erhalten, nach der es genügt hat, dass das fragliche Ersatzteil die ihm eigene ästhetische Wirkung im Rahmen des Gesamtproduktes entfaltet.2 Hintergrund der Übergangsbestimmung ist, dass im Rahmen der Beratungen der dem Gesetz zugrunde liegenden GeschmacksmusterGeschmacksmuster-richtlinierichtlinieRichtlinieGeschmacksmuster- (GRL) aus dem Jahre 1998 (s.o. § 2 II.) eine Einigung in der Ersatzteilfrage noch nicht erzielt werden konnte.3 Deshalb wurde in die Richtlinie als Kompromiss eine sog. Revisionsklausel aufgenommen, nach der die Kommission drei Jahre nach Ablauf der UmsetzungsfristFristUmsetzungs- (also bis zum 28.10.2004) einen Bericht vorzulegen hatte, in dem die Auswirkungen dieser Richtlinie auf die Industrie der Gemeinschaft, insbesondere auf die am stärksten betroffenen Industriesektoren, den Wettbewerb und das Funktionieren des Binnenmarktes analysiert werden und nach der die Kommission spätestens ein Jahr danach (also bis zum 28.10.2005) etwaige Änderungsvorschläge vorzuschlagen hatte (vgl. Art. 18 GRL). Ferner enthält die Richtlinie eine Übergangsbestimmung, nach der die Mitgliedsstaaten bis zur Annahme der von der Kommission nach Art. 18 GRL zu unterbreitenden Änderungsvorschläge ihre bestehenden einschlägigen Rechtsvorschriften zum designrechtlichen Schutz von Reparaturteilen beibehalten und allenfalls Änderungen einführen, wenn durch diese eine Liberalisierung des fraglichen Handels ermöglich wird (vgl. Art. 14 GRL – sog. freeze plus-Lösungfreeze plus-Lösung). Vor diesem Hintergrund hat sich der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Geschmacksmustergesetzes 2004 für eine entsprechende Übergangsbestimmung entschieden, d.h. für eine Beibehaltung der alten Rechtslage bis zur Vorlage einer gesamteuropäischen Lösung. Auf eine nach der Richtlinie mögliche Liberalisierung des Marktes für sichtbare Reparaturteile hat er verzichtet.4

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