Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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der Verwirklichung des Straftatbestandes auch innere Imputabilität, „Freiheit“ des Handelnden voraussetze, wird in das Gebiet der Moral verwiesen. Moralisch handle der Mensch aus Freiheit, legal jedoch aus Notwendigkeit (psychologischer Zwang der Strafandrohung). In dieses deterministische Bild menschlichen Verhaltens paßt der Freiheitsbegriff nicht hinein; Schuld kann daher nur „Abschreckbarkeit“ sein („Zur Bestrafung … wird also ein Gemüthszustand vorausgesetzt, in welchem es möglich war, daß der Übertreter von seiner That abgeschreckt werden konnte“), eine Theorie, die bei fahrlässigen Delikten und bei abgebrühten Gewohnheitsverbrechern in große Schwierigkeiten gerät. Auf der Trennung von Recht und Moral beruht auch die Ausbildung des Gefahrbegriffs, der für das Strafrecht an die Stelle des moralischen Begriffs der Pflichtwidrigkeit tritt. Er hat vor allem in der Versuchslehre Konsequenzen: der absolut untaugliche Versuch ist ungefährlich und daher straflos.

      F.s „psychologische Zwangstheorie“ war dem Grundgedanken nach nicht neu: bereits → PufendorfPufendorf, Samuel (1632–1694) hatte den Zweck des Strafrechts in der durch die Strafdrohung bewirkten Abschreckung gesehen. Daß F.s Theorie den Sieg über die auf den Strafvollzug abstellende Präventionslehre → GrolmansGrolman, Karl Ludwig v. (1775–1829) davontrug, verdankt sie wohl auch ihrer Übereinstimmung mit der aufklärerisch-liberalen Zeitstimmung, der ein auf die Verbrecherpersönlichkeit einwirkendes Strafrecht illiberal und mit der Personwürde unvereinbar erscheinen mußte. Sie hat dann das 19. Jahrhundert zunächst beherrscht und auf die später vordringende Vergeltungslehre (→ BindingBinding, Karl (1841–1920)) mindestens insofern Einfluß geübt, als nach beiden Theorien die Strafe repressiv und nicht präventiv wirkt. Gegenüber der seit Begründung der soziologischen Schule → LisztsLiszt, Franz v. (1851–1919) beliebten Kritik an der psychologischen Zwangstheorie bleibt aber die evidente Richtigkeit des Abschreckungsgedankens hervorzuheben, so überspitzt |138|dessen rationalistische Ausprägung bei F. heute erscheinen mag. Von bleibender Bedeutung ist auch F.s Verknüpfung von Strafdrohung und Gesetz geblieben, die die rechtsstaatlich-liberale Epoche des Strafrechts eingeleitet hat. F.s bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 schließlich ist nicht nur zum Vorbild für eine Reihe von Strafgesetzbüchern deutscher Länder und schweizerischer Kantone geworden, sondern durch seine formalen Qualitäten (Tatbestandsdefinitionen, Strafrahmenbegrenzung) zum Vorbild der modernen Strafgesetzgebung überhaupt. Seine doktrinäre Durchführung der F.schen Straftheorie hat ihm allerdings auch Kritik eingetragen, der F. durch einen pragmatischeren, aber nicht Gesetz gewordenen Neuentwurf von 1824 gerecht zu werden versuchte.

      F.s zweite Lebenshälfte zeigt eine deutliche Hinwendung von philosophischen zu empirischen Fragestellungen. Schon 1810 entwickelte er den Plan zu einer „Weltgeschichte der Gesetzgebung“ („Warum hat der Anatom seine vergleichende Anatomie und warum hat der Rechtsgelehrte noch keine vergleichende Rechtswissenschaft?“) und wurde damit – unter Berufung auf Montesquieus Forderungen – neben (u.a.) Bachofen und → MittermaierMittermaier, Karl Josef Anton (1787–1867) zu einem der Hauptanreger der modernen Rechtsvergleichung. Das geplante Werk blieb aber, nach Sammlung umfangreichen Materials, ein Fragment.

      Die wichtigsten Schriften aus dieser zweiten Schaffensperiode F.s sind seine Beiträge zur Prozeßreform. Mit einer Ausnahme sind in ihnen alle Forderungen, die zu den – Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts einsetzenden – Strafprozeßreformen führten, vorweggenommen. Schon 1811 hatte sich F. für die Einführung einer Staatsanwaltschaft (eines „Kriminalfiskals“) und damit des Anklageprinzips im Strafprozeß eingesetzt. Zentrale Bedeutung haben seine „Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege“, die wegen ihrer ausgewogenen Verbindung von Theorie und Erfahrung vielfach als sein gelungenstes Werk angesehen werden. Öffentlich sollen nach F. nicht nur die Verhandlung, sondern auch die Abstimmung (wenn auch nicht die Beratung) der Richter sein („Scheut sich kein wahrhaft ehrlicher Mann öffentlich Recht zu thun; wie sollte ein ehrlicher Richtersmann sich scheuen öffentlich Recht – zu sprechen?“), ein Gedanke, der sich in Deutschland nicht durchgesetzt hat. Weniger grundsätzlicher Art sind F.s Argumente für die Mündlichkeit des Verfahrens: wesentliche Vorzüge für die Wahrheitsfindung und die Beschleunigung des Prozesses (F. verweist auf den umständlichen englischen Prozeß) bringe sie nicht mit sich; entscheidend für sie spreche jedoch das Recht auf rechtliches Gehör. – Zwiespältig blieb |139|F.s Einstellung zu der in der 1. Hälfte des 19. Jh.s heftig diskutierten Frage der Schwurgerichte, gegen deren Verknüpfung mit den Fragen der Mündlichkeit und Öffentlichkeit er sich immer einsetzte. Obwohl F. den politischen Wert der Schwurgerichte, als einer dem Volk eingeräumten Kontrolle über die staatliche Justiz, nicht verkannte (freilich sie im napoleonischen Frankreich lediglich als eine pseudorepublikanische Bemäntelung der Herrscherwillkür ansah), wies er doch auf ihre Nachteile für die Rechtsfindung hin: die Unmöglichkeit der Trennung zwischen Tat- und Rechtsfrage und die leichtere Beeinflußbarkeit der Geschworenen durch Nebensächlichkeiten.

      Als eine Art Begründung der Kriminalpsychologie gilt F.s „Aktenmäßige Darstellung merkwürdiger Verbrechen“, die Umarbeitung und Erweiterung einer Sammlung von Kriminalfällen, die er – aus seiner Erfahrung als Referent für Gnadensachen im bayerischen Justizdepartement – 1808 und 1811 unter dem Titel „Merkwürdige Criminalrechtsfälle“ veröffentlicht hatte. Der heutige Leser wird den oft gerühmten literarischen Wert des Werkes, das nicht selten durch unangebrachte Ironie und moralisch eifernden Tonfall befremdet, vielleicht skeptischer beurteilen. Interessant, wenn auch überholt, ist seine aufklärerisch „intellektualistische Psychologie“ (Radbruch) mit der Tendenz, die Motive jedes Verbrechens auf ein Grundmotiv zurückzuführen („der Raubmörder aus Liederlichkeit“, „der Brandstifter aus Neid und Haß“). Überall bemüht sich F. darum, die Grenzen der Unzurechnungsfähigkeit möglichst eng zu ziehen, wobei er sich von seinem strafrechtlichen Schuldbegriff zum Teil entfernt. – Seinen kriminalpsychologischen Schriften ist auch F.s letztes Buch, das über den Findling Kaspar Hauser, zuzurechnen, in dem er einen ausgesetzten Sohn und Thronerben des badischen Großherzogs Karl sehen wollte, eine bis heute umstrittene Hypothese. F. hatte später wohl selbst Zweifel an dieser Theorie und äußerte: „So hat denn der alte Feuerbach vor seinem Ende auch noch einen Roman geschrieben.“

      Hauptwerke: Kritik des natürlichen Rechts als Propädeutik zu einer Wissenschaft des natürlichen Rechts, 1796, Ndr. 1963. – Anti-Hobbes oder über die Grenzen der höchsten Gewalt und das Zwangsrecht der Bürger gegen den Oberherrn, 1798, Ndr. 1967. – Philosophisch-juridische Untersuchungen über das Verbrechen des Hochverrats, 1798, Ndr. 1970. – Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, 1. Teil 1799, 2. Teil 1800, Ndr. 1966. – Über die Strafe als Sicherungsmittel vor künftigen Beleidigungen des Verbrechers, 1800, Ndr. 1970. – Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801 (111831, weitere Aufl. besorgt von C.J.A. Mittermaier: l21836, 141847). – Kritik des |140|Kleinschrodischen Entwurfs zu einem peinlichen Gesetzbuche für die Chur-Pfalz-Bayerischen Staaten, 1804. – Über Philosophie und Empirie in ihrem Verhältnisse zur positiven Rechtswissenschaft, 1804, Ndr. 1969 und in: P.J.A. Feuerbach/C.J.A. Mittermaier: Theorie der Erfahrung in der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. Zwei methodische Schriften, 1968, 61ff. – Betrachtungen über das Geschworenen-Gericht, 1813, Ndr. 1970. – Betrachtungen über Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, 1821, Ndr. 1969. – Aktenmäßige Darstellung merkwürdiger Verbrechen, 1. Bd. 1828, 2. Bd. 1829, Ndr. 1970, 1993. – Kaspar Hauser, Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen, 1832, Ndr. 2009. Bibliographie bei Wolf: Rechtsdenker, 586f.

      Literatur: K. Altenhain: Die Begründung der Strafe durch Kant und Feuerbach, in: Gedächtnisschrift für R. Keller, 2003, 1–13. – G. Baranowski: Feuerbachs Vorschläge für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in Russland: Sein Manuskript von 1809, in: ZNR 29 (2007), 1–17. – A. Baumgarten: Paul Johann Anselm Feuerbach, in: Marxistische Beiträge zur Rechtsgeschichte, 1968, 12–25. – G. Blau: Paul Johann Anselm Feuerbach, 1948. – J. Bohnert: Paul Johann Anselm Feuerbach

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