Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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1221 verwendet, aber den Mainzer Reichslandfrieden von 1235 nicht berücksichtigt: der Sachsenspiegel dürfte demnach zwischen 1220 und 1235 entstanden sein. Er ist damit nicht nur eines der ältesten – und das bedeutendste – deutsche Rechtsbuch, sondern auch das erste größere deutsche Prosawerk überhaupt. Inhaltlich erstreckt er sich nur auf Land- und Lehnrecht, nicht berücksichtigt hat E. das Recht der Städte, der unfreien Bauern (Hofrecht) und der Ministerialen („ez ist so mangvalt, daz ez nimant zu ende komen kan“).

      Der Sachsenspiegel stellt mehr eine rechtsbewahrende als eine rechtsneuschöpfende Leistung dar, wenn er auch viele eigenständige Gedanken, etwa die Verknüpfung der Kurfürstenstellung mit den Erzämtern, enthält. Man kann E. aber nicht – wie es geschehen ist – einseitig heroisierend als einen der letzten unverbildeten deutschrechtlichen Kämpfer gegen das aufkommende oberitalienisch-römische Recht bezeichnen. Vielmehr lassen sich schon vereinzelte römisch-rechtliche Einflüsse im Sachsenspiegel nachweisen, und E. scheint auch |131|mit dem kanonischen Recht einigermaßen vertraut gewesen zu sein. So hat etwa die Systematik des Sachsenspiegels, die freilich zum Teil von assoziativem Denken geprägt und nicht mit modernen Maßstäben zu messen ist, durchaus innere Konsequenz und könnte unter dem Einfluß der bis 1226 entstandenen Dekretalensammlungen stehen.

      E. sieht in Gott den Ursprung allen Rechts. Er vertritt die Zweischwerterlehre in ihrer ursprünglichen Form: König (Kaiser) und Papst haben beide von Gott ein symbolisches Schwert erhalten zum Schutze der Christenheit. Damit wird die „kuriale“ Variante der Zweischwerterlehre (der König erhält das weltliche Schwert vom Papst) zurückgewiesen. Hierin und in der betonten Zurückdrängung kirchlichen Rechts im weltlichen Bereich („der pabist en mag keine recht setzen, da her unsere lantrecht adir lenrecht mete nideren moge“) zeigt sich eine der Kirche gegenüber durchaus selbständige Haltung des an sich tiefgläubigen E., die u.a. eine (jedoch fast völlig wirkungslos gebliebene) Verwerfung von 14 Artikeln des Sachsenspiegels durch Papst Gregor XI. (1374) nach sich gezogen hat. – Auch im Hinblick auf die Reichsfürsten hebt E. die königlichen Rechte, wie etwa die oberste Gerichtsgewalt, die Innehabung nutzbarer Hoheitsrechte (z.B. Bergregal, Münze, Zoll) und die Heeresgewalt, stark hervor. Andererseits fixiert der Sachsenspiegel aber auch ein Widerstandsrecht (z.T. umstritten), sogar eine Pflicht zum Widerstand gegen unrechtmäßiges Verhalten des Königs („Der man muz ouch wol sime koninge unde sime richter unrechtes wedersten“).

      Aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen leitet E. die Lehre von der Freiheit aller Menschen ab. Dies hindert ihn jedoch nicht, im Einklang mit der Auffassung seiner Zeit Rechte nur insoweit zu gewähren, als sie dem jeweiligen Rechtsgenossen nach seinem Geburtsstand zustehen: so lebt der Edelmann nach Lehnrecht und Landrecht, der Stadtbürger nach Stadtrecht, der Bauer nach Landrecht und Hofrecht usw. Die sorgfältige Abstufung der lehnsmäßigen Rangfolge in sieben Heerschilden ist sogar eine eigene Schöpfung E.s.

      Die Wirkung des Sachsenspiegels, der zunächst nur für den begrenzten Bereich Sachsens mit Schwergewicht auf dem ritterlich-ländlichen Gebiet geschrieben war, ist in zwei Richtungen erkennbar: Einmal strahlten die hier niedergeschriebenen Gedanken über Sachsen hinaus auf ganz Norddeutschland aus; der Sachsenspiegel wurde teilweise als Vorlage auch für Stadtrechte verwendet, bisweilen auch als Reichsgesetz Karls d. Gr. oder Friedrich Barbarossas angesehen. Als „gemeines Sachsenrecht“ war er nach der Rezeption eines der |132|bedeu tendsten Gegengewichte zum römisch-kanonischen Recht. Gerichtliche Anwendung fand er vereinzelt noch bis ins 20. Jh. Zum anderen zog er eine Reihe ähnlicher Rechtsaufzeichnungen in Süddeutschland nach sich (Schwaben-, Deutschen-, Frankenspiegel), die allerdings sein Niveau und seine Bedeutung nicht erreichten.

      Lange Zeit hat E. auch als Verfasser der „Sächsischen Weltchronik“ gegolten, einer Darstellung der Weltgeschichte bis zum Jahr 1230, die in Sprache und politischer Einstellung Ähnlichkeit mit dem Sachsenspiegel aufweist. Neuerdings werden aber wieder Zweifel an der Autorschaft E.s geäußert (Herkommer), die sich vor allem darauf stützen, daß die Urfassung der Chronik möglicherweise erst um 1260 entstanden ist.

      Hauptwerke: Sachsenspiegel. Ausgaben von: C.G. Homeyer: 2 Tle. 1827 (Landrecht, 31861) und 1842–1844 (Lehnrecht); K.A. Eckhardt: 2 Bde. 21955f. (= Germanenrechte Neue Folge, Land- und Lehnrechtsbücher, zugleich MGH, Fontes iuris germ. antiqui, N.S. I, 1/2), Ndr. 1973. – Studienausgaben u.a. von: C. Frhr. v. Schwerin/F. Ebel: Sachsenspiegel. Landrecht und Lehnrecht, 2012 (Reclam). – C. Schott: Eike von Repgow, Der Sachsenspiegel (hochdt. Übers. des Land- und Lehnrechts), 1984, Ndr. 2006 (Manesse) – P. Kaller: Der Sachsenspiegel (hochdt. Übers.), 2010 (Beck).

      Literatur: E. Boshof: Erstkurrecht und Erzämtertheorie im Sachsenspiegel, in: Beitr. z. Gesch. des ma. dt. Königtums (= Beiheft zur HZ, N.F. 2), 1973, 84–121. – H. Coing: Römisches Recht in Deutschland (= IRMAE V 6), 1964, 108–111. – W. Ebel: Über das „ungezweite Gut“ in Ssp. Ldr. I, 31, in: ZRG (GA) 92 (1975), 184–189. – K.A. Eckhardt: Eike von Repgow und Hoyer von Falkenstein, 1966. – E. Eichmann: Die Stellung Eikes von Repgow zu Kurie und Kirche, in: Histor. Jahrbücher 38 (1917), 718ff. – F.-R. Erkens: Kurfürsten und Königswahl. Zu neuen Theorien über den Königswahlparagraphen im Sachsenspiegel und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, 2002. – H. Fehr: Die Staatsauffassung Eikes von Repgau, in: ZRG (GA) 37 (1916), 131–260. – F.W. Fricke: Das Eherecht des Sachsenspiegels. Systematische Darstellung, 1978. – V. Friese: Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898 (Ndr. 1970). – D. Heirbaut: Am Anfang war das Lehnrecht. Eike von Repgow als Lehnrechtsspezialist und die Entstehungsgeschichte des Sachsenspiegels, in: H. Lück (Hrsg.): Von Sachsen-Anhalt in die Welt, 2015, 105–122. – Ders./R. Opsommer: Das Sachsenspiegel-Lehnrecht, in: I. Czeguhn (Hrsg.): Recht im Wandel – Wandel des Rechts. FS f. J. Weitzel, 2014, 93–108. – H. Herkommer: Überlieferungsgeschichte der Sächsischen Weltchronik, 1972 (dazu G. Köbler in: ZRG (GA) 91(1974), 214). – M. Huneke: Iurisprudentia romano-saxonica. Die Glosse zum Sachsenspiegel-Lehnrecht und die Anfänge deutscher Rechtswissenschaft, 2014. – A. Ignor: Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes von Repgow, 1984. – T. Ishikawa: Das Gericht im Sachsenspiegel, in: G. Köbler u.a. (Hrsg.): Wirkungen europäischer Rechtskultur. FS f. K. Kroeschell z. 70. Geb., 1997, 441–465. – P. Johanek: Eike von Repgow, Hoyer von Falkenstein und die Entstehung des Sachsenspiegels, in: FS H. Stoob, II, 1984, S. 716ff. – B. Kannowski: Die Umgestaltung des Sachsenspiegelrechts durch die |133|Buch’sche Glosse, 2007. – Ders.: Wieviel gelehrtes Recht steckt im Sachsenspiegel und war Eike von Repgow ein Kanonist?, in: ZRG (Kan. Abt.) 130 (2013), 382–397. – H.G. Krause: Der Sachsenspiegel und das Problem des sogenannten Leihezwangs, in: ZRG (GA) 93 (1976), 21–99. – H. Kümper: Sachsenrecht. Studien zur Geschichte des sächsischen Landrechts in Mittelalter und früher Neuzeit, 2009. – P. Landau: Der Entstehungsort des Sachsenspiegels. Eike von Repgow, Altzelle und die anglo-normannische Kanonistik, in: Dt. Archiv f. Erforschung des MA 61(2005), 73–101. – R. Lieberwirth: Eike von Repchow und der Sachsenspiegel, 1982. – R. Lieberwirth: Rechtshistorische Schriften, 1997, 363ff. – R. Lieberwirth (Hrsg.): Rechtsgeschichte in Halle. Gedächtnisschr. für G. Schubart-Fikentscher, 1998 (Beitr. von H. Lück und L. Jelowik). – H. Lück: Über den Sachsenspiegel, 1999, 32013. – L. Meuten: Die Erbfolgeordnung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 2000. – K. Nehlsen-v.Stryk: Prozessuales und materielles Denken im Sachsenspiegel, in: M. Kriechbaum (Hrsg,): FS f. Sten Gagnér z. 3. März 1996, 1996, 33–71. – K. Nehlsen-v. Stryk: Der Sachsenspiegel und der Reichsfrieden Barbarossas v. J. 1152, in: S. Saar u.a. (Hrsg.): Recht als Erbe und Aufgabe. Heinz Holzhauer zum 21. April 2005, 2005, 19–31. – L. Rentmeister: Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche im späten MA am Beispiel der Diskussion um den Sachsenspiegel, 2016. – R. Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Text-Bild-Interpretation. Unters. zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 2 Bde., 1986. – R. Schmidt-Wiegand/D. Hüpper (Hrsg.): Der Sachsenspiegel als Buch, 1991. – K.-P. Schroeder: Vom Sachsenspiegel zum Grundgesetz, 2001. – G. Theuerkauf: Lex, speculum, compendium

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