Handbuch Ius Publicum Europaeum. Adam Tomkins
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III.Offene Staatlichkeit und Europäische Menschenrechtskonvention50 – 60
1.Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes51 – 55
2.Menschenrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes56 – 60
a)Ansätze einer Stärkung der Stellung der EMRK in der deutschen Rechtsordnung57
b)Der Grundsatz menschenrechtskonformer Auslegung58 – 60
IV.Entwicklungsperspektiven61 – 63
Erster Teil Offene Staatlichkeit › § 14 Offene Staatlichkeit: Deutschland › I. Die Grundentscheidung für die offene Staatlichkeit
I. Die Grundentscheidung für die offene Staatlichkeit
Vgl. Hinweise im Beitrag von Horst Dreier, § 1 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Deutschland, im ersten Band.
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Die Hinwendung Deutschlands zu einer Staats- und Verfassungsordnung, die durch das Friedensziel und eine beispiellose Bereitschaft zur Integration in die internationale Staatengemeinschaft geprägt sein sollte, erfolgte nach einer historischen Zäsur, wie sie tiefer nicht sein konnte. Bereits im Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, der vom 10. bis 23. August 1948 tagte, wurden die Grundlagen für die anschließend vom Parlamentarischen Rat getroffene Grundentscheidung für eine „offene Staatlichkeit“ geschaffen. Der Parlamentarische Rat, der sich aus insgesamt 77 Repräsentanten der Länder der drei westlichen Besatzungszonen zusammensetzte, konnte freilich nur eine Verfassung für einen Teil Deutschlands, ein „Grundgesetz“ für die spätere Bundesrepublik Deutschland, beraten und am 8. Mai 1949 verabschieden.[1] Parallel zur Ausarbeitung des Bonner Grundgesetzes fand in der Sowjetischen Besatzungszone ein verfassunggebender Prozess statt,[2] der in die Verabschiedung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mündete.[3] Darin manifestierte sich über 40 Jahre die Spaltung Deutschlands in zwei Staaten, bis das Grundgesetz am 3. Oktober 1990 auch in den ostdeutschen Ländern in Kraft trat,[4] deren (Wieder-)Einführung nach dem Sturz des sozialistischen Regimes in der DDR noch von der Volkskammer beschlossen wurde.[5]
1. Die Idee der europäischen Einigung
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In der historischen Rückschau erscheint es erstaunlich, wie stark die Idee der europäischen Einigung die Arbeiten zum Grundgesetz bestimmte. So wie die Verankerung der Menschenwürde und der Grundrechte an der Spitze des Verfassungstextes eine Antwort auf die Verbrechen des Nationalsozialismus war, so sollte die Integrationsbereitschaft des zu reorganisierenden deutschen Staates[6] den Kontrapunkt zu dem für den Zweiten Weltkrieg verantwortlichen nationalen Hegemonialstreben bilden und eine Rückkehr in die Gemeinschaft friedliebender Staaten ermöglichen.
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Die Idee der Einigung der europäischen Staaten bzw. der Integration der internationalen Staatengemeinschaft insgesamt wurde freilich nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg geboren. Sieht man von ferneren Vorläufern in der politischen Ideengeschichte[7] ab, so waren es vor allem Pläne und Konzepte aus der Zwischenkriegszeit und aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die die Vorstellungen der Mitglieder des Verfassungskonvents in Herrenchiemsee und des Parlamentarischen Rates beeinflussten. Unter den Initiativen, die zahlreiche maßgebliche Politiker in ihren Bann zogen, ragt die Gründung der Paneuropa-Union durch Richard Coudenhove-Kalergi im Jahr 1922 hervor. Mit ihr wird seitdem das Ziel einer – nach mehreren Integrationsstufen zu erreichenden – Schaffung von „Vereinigten Staaten von Europa“ verfolgt.[8] Unter den deutschen Autoren, die sich früh mit Fragen der Staatenintegration befassten, ist etwa Arnold Bergsträsser zu nennen, der im Jahre 1930 sein Buch „Sinn und Grenzen der Verständigung zwischen Nationen“ veröffentlichte. Hierin sah er ähnlich wie später Jean Monnet[9] und Luigi Einaudi[10] das wirtschaftliche Element als treibende Kraft für eine Integration Europas.[11] Während des Zweiten Weltkriegs wurden insbesondere von Exilregierungen sowie Kreisen des Widerstandes gegen den italienischen Faschismus und gegen das nationalsozialistische Regime Pläne für eine auf Staatenintegration aufbauende Nachkriegsordnung Europas entwickelt.[12] So entwarf die polnische Exilregierung unter General Sikorski Pläne für eine polnisch-tschechoslowakische Föderation, die auch anderen mittel- und osteuropäischen Staaten zum Beitritt offen stehen sollte.[13] Im Westen waren es insbesondere der Belgier Paul-Henri Spaak und ab 1943 auch der französische General de Gaulle, die aus dem Exil Pläne für eine regionale Föderation im Westen unterstützten. Auf französischer Seite trat Jean Monnet früh dafür ein, dass eine europäische Föderation vordringlich die Schwerindustrie als Schlüsselindustrie der Kriegswirtschaft unter die Leitung einer internationalen Behörde stellen müsse.[14] Im deutschen Widerstand bekannte sich auf Seite der Konservativen vor allem der 1945 in Plötzensee hingerichtete Karl Friedrich Goerdeler zu einem „Zusammenschluss der europäischen Völker“, „in dem weder Deutschland noch eine andere Macht Vorherrschaft beansprucht“.[15] Im Jahre 1943 verabschiedete die „Internationale Gruppe demokratischer Sozialisten in Stockholm“, der unter anderem Gunnar Myrdal, Willy Brandt und Bruno Kreisky angehörten, ein Friedensprogramm mit der Forderung nach einem „Neuen Völkerbund“ und einer „Regionalen Föderation“ in Europa, wobei sie eine Zusammenarbeit „zwischen der Sowjetunion und den angelsächsischen Demokratien“ für notwendig hielten.[16]
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Nach dem Zweiten Weltkrieg erreichten die Bestrebungen eines föderalen Zusammenschlusses der europäischen Staaten eine große Dynamik.[17] Im Juni 1948 legte der französische Christdemokrat François de Menthon im Auftrag der Europäischen Parlamentarier-Union den Entwurf einer föderalen Verfassung der Vereinigten Staaten von Europa vor; im November 1948 verabschiedete die Union europäischer Föderalisten in Rom den „Vorentwurf einer europäischen Verfassung“.[18]
2. Die Beratungen im Verfassungskonvent und im Parlamentarischen Rat
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Im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee und