Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Handbuch des Strafrechts - Dennis Bock страница 195
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 32 Erpressung und räuberische Erpressung › D. Rechtsvergleich
I. Strafrecht der DDR
106
Das Strafgesetzbuch der DDR vom 12. Januar 1968 zählte Raub und Erpressung zu den „Straftaten gegen die Persönlichkeit“.[346] Den Tatbestand der Erpressung nach § 127 DDR-StGB erfüllte, wer „einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem schweren Nachteil zu einem Verhalten zwingt, um sich oder andere zu bereichern und dadurch dem Genötigten oder einem anderen einen Vermögensschaden zufügt“. Der Tatbestand – der mit „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung“ eine geringere Strafdrohung wie das bundesdeutsche Strafrecht vorsah – setzte damit gleichfalls eine Nötigungshandlung voraus, die kausal für den Nötigungserfolg sein musste. Im Unterschied zum bundesdeutschen StGB bestand jedoch Einigkeit darüber, dass der Tatbestand eine Vermögensverfügung voraussetzte. Des Weiteren schloss das Vorliegen eines zivilrechtlichen oder anderen Anspruchs die Rechtswidrigkeit grundsätzlich nicht aus, da eine eigenmächtige, gewaltsame Durchsetzung von Rechten (bis auf wenige normierte Ausnahmen) gesetzlich nicht zulässig war.[347] Einen besonderen Tatbestand der räuberischen Erpressung kannte das StGB der DDR hingegen nicht. Vielmehr waren in § 128 DDR-StGB einheitlich für Raub und Erpressung die „schweren Fälle“ normiert. Hier wurde – recht milde – mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft, wenn „(1.) die Tat unter Verwendung von Waffen oder anderen Gegenständen, die als Waffe benutzt werden, begangen wird; (2.) die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird, die sich zusammengeschlossen haben, um unter Gewaltanwendung Verbrechen gegen die Person zu begehen; (3.) durch die Tat eine schwere Körperverletzung fahrlässig verursacht wird; (4.) der Täter mehrfach eine Straftat nach den §§ 126 [= Raub] oder 127 begangen hat oder bereits wegen einer solchen Straftat bestraft ist“.
II. Österreichisches und schweizerisches Strafrecht
107
Das österreichische Recht[348] regelt in § 144 öStGB die „einfache“ und in § 145 öStGB die schwere Erpressung. Eine besondere „räuberische Erpressung“ kennt das österreichische Strafrecht hingegen nicht. Mit dem deutschen Recht vergleichbar ist dabei die Regelung des § 144 Abs. 1 öStGB. Hiernach macht sich strafbar, wer „jemanden mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung [vgl. hierzu die Legaldefinition in § 74 Abs. 1 Nr. 5 öStGB] zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt“. Die Tat ist nach § 144 Abs. 2 öStGB allerdings nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Erforderlich ist aber der Vorsatz des Täters, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig bereichern zu wollen. Abweichend zum deutschen Recht („Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe“) ist der Täter „mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen“, das österreichische Recht kennt also nicht die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe. Abweichend vom deutschen Recht, welches über § 255 i.V.m. §§ 250, 251 StGB eine abgestufte Qualifikationsregelung mit unterschiedlichem Strafmaß kennt, wird in Österreich die „schwere Erpressung“ in § 145 öStGB einheitlich geregelt und mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht. Dabei kommen als qualifizierende Merkmale sowohl Tatmodalitäten (Drohung mit dem Tod oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung etc.) oder das Vorliegen besonderer persönlicher Merkmale (gewerbsmäßige Begehung) als auch schwere Folgen (Selbstmord des Genötigten etc.) in Frage. – In der Schweiz[349] findet sich die Regelung über die Erpressung ausschließlich in Art. 156 schwStGB, der jedoch verschiedene Abstufungen enthält. Nach Absatz 1 macht sich strafbar, wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. Die Strafe ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe identisch mit derjenigen des deutschen Rechts. Handelt der Täter gewerbsmäßig oder erpresst er die gleiche Person fortgesetzt, steigt die Strafe nach Absatz 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Vergleichbar mit § 255 StGB regelt Art. 156 Abs. 3 schwStGB die räuberische Erpressung: Wendet der Täter gegen eine Person Gewalt an oder bedroht er sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, so richtet sich die Strafe nach Art. 140 schwStGB. Dort ist der Raub mit einigen Qualifikationen geregelt. Schließlich sieht Art. 156 Abs. 4 schwStGB wiederum Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor, wenn der Täter mit einer Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen oder mit schwerer Schädigung von Sachen droht, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht.
III. Angelsächsischer Rechtskreis
108
Im traditionellen common law bestand das anerkannte Vergehen der Erpressung darin, dass ein Amtsträger unter Missbrauch seiner Amtsgewalt Gebühren nahm, die ihm nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden.[350] Wurde die Erpressung somit zunächst als Amtsdelikt verstanden, ist die Erpressung als allgemeines Vermögensdelikt dem common law als eigenständiger Tatbestand unbekannt. Diese Lücke wurde in den letzten Jahrhunderten durch statute law geschlossen, das die Erpressung teils als extortion oder blackmail bezeichnete, welche regelmäßig milder als der Raub bestraft wurde. In England ist die Erpressung mittlerweile in sec. 21 des Theft Act 1968 geregelt und mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren bedroht.[351] Strafbar ist hiernach die Geltendmachung einer unbegründeten Forderung durch Drohung in Bereicherungsabsicht oder mit Schädigungsvorsatz. Die Bereicherung oder Schädigung muss also nicht eingetreten sein. Erfasst werden kann aber nicht nur die Geltendmachung unbegründeter Forderungen, sondern auch die Geltendmachung begründeter Forderungen, wenn diese unter Androhung nicht ordnungsgemäßer Mittel vollzogen wird und der Täter hierfür keine „vernünftigen Gründe“ vorbringen kann. – Im Bundesstrafrecht der Vereinigten Staaten nach 18 USC § 873 wird wegen Erpressung (blackmail) derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft, der einen Dritten mit einer Anzeige wegen der Verletzung von Bundesrecht droht und dafür Geld fordert oder erhält.[352] Spezialtatbestände sind enthalten in 18 USC § 872 (Erpressung im Amt), 18 USC § 874 (Erpressung sog. „kick-backs“ bei der Vergabe öffentlicher Aufträge) und 18 USC § 875, 876 (wissentliche Übermittlung von Drohungen im Zusammenhang mit einem erpresserischen Menschenraub im zwischenstaatlichen Telekommunikationsverkehr – mit Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren!). Der weitaus größere Teil der begangenen Erpressungskriminalität fällt jedoch in den Anwendungsbereich der Strafgesetze der jeweiligen Einzelstaaten. Alle Einzelstaaten kennen entsprechende Strafnormen, die die Erpressung als Vermögens- oder Eigentumsdelikt unter Strafe stellen, die aber vielfältig voneinander abweichen.[353] So regelt z.B. sec. 155.15 New York Penal Law, dass ein Täter auch