Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Kurt E. Böhme
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Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat hat jedoch in einem solchen Fall eine Ausgleichspflicht der beteiligten KH-VR (Zugmaschine und Hänger waren bei verschiedenen Gesellschaften versichert) von jeweils 50 % aus Mehrfachversicherung (Doppelversicherung) angenommen.[49]
Mit Blick darauf, dass Zugmaschine und Hänger über den Fahrer – der nach § 18 Abs. 1 StVG auch als Führer des Anhängers gilt – zu einer Haftungseinheit verbunden sind, ist die bisherige Praxis, im Regelfall den Halter der Zugmaschine im Innenverhältnis alleine zu belasten, nach der derzeitigen Rechtslage nicht aufrechtzuerhalten. I.d.R ist deswegen haftungsrechtlich eine Ausgleichspflicht von 50:50 anzunehmen.[50] Dass der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat das Ergebnis der Entscheidung des IV. Senats in Frage stellt, ist nicht zuletzt aufgrund dessen Bestätigung seiner Rechtsauffassung,[51] nicht zu erwarten. In der Praxis hat dies dazu geführt, dass die Versicherungsprämien für Zugmaschinen eher zu hoch sind und die für Anhänger deutlich zu niedrig. Derzeit laufen Bestrebungen, über eine Gesetzesänderung die ursprüngliche Regulierungspraxis – regelmäßig volle Belastung des Halters der Zugmaschine im Innenverhältnis – wiederherzustellen.[52]
Eine befürchtete Deckungslücke für den Anhängerhalter – so insbesondere, wenn ein nicht versicherungspflichtiger Anhänger von einem Kraftfahrzeug mitgeführt wird und das Gespann einen Dritten schädigt – ist regelmäßig wegen der o.g. BGH Entscheidung nicht gegeben. Denn gem. § 3 Abs. 1 KfzPflVV bzw. A.1.1.5 der Verbands-AKB besteht auch für nicht versicherungspflichtige Anhänger (= nicht zulassungspflichtige Anhänger nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FZV) über die KH-Versicherung des ziehenden Fahrzeugs Versicherungsschutz, wenn sie damit fest verbunden sind oder sich von diesem während des Gebrauchs lösen. Denn weder die KfzPflVV noch die AKB differenzieren danach, ob es sich um einen zulassungspflichtigen oder zulassungsfreien Anhänger handelt. Diese Bestimmung ist nach hier vertretener Auffassung daher so auszulegen, dass der KH-Versicherer des ziehenden Fahrzeugs in diesen Fällen auch im Innenverhältnis den Schaden des Dritten allein zu tragen hat.
e) Mitwirkendes Verschulden eines Kindes
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Nach § 828 Abs. 2 BGB ist ein Kind, welches das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, für den Schaden, das es bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn, einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht für die vorsätzliche Herbeiführung durch einen solchen Schädiger. Nach dieser Vorschrift sind Kinder vom siebenten bis zum vollendeten 10. Lebensjahr bei jeder Form von Fahrlässigkeit im Straßenverkehr deliktsunfähig. Dies bedeutet, dass sie bei Unfällen im Verkehr nicht für von ihnen verursachte Schäden haften und ihnen hinsichtlich eigener Ansprüche auch kein Mitverschulden entgegengehalten werden kann.
Es wird bei bestehender Rechtslage Fälle geben, die das Kind ungeschützt lassen. Fährt ein Kind beispielsweise gegen ein ordnungsgemäß außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes abgestelltes Kraftfahrzeug und verletzt es sich dabei, wird es keinen Schadensersatzanspruch haben. Weder geht von dem Fahrzeug eine Betriebsgefahr aus noch ist eine Verschuldenshaftung erkennbar.
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Problematischer sind die Fälle, in denen ein Kind gegen ein im öffentlichen Verkehrsraum ordnungsgemäß abgestelltes Kraftfahrzeug oder einen Anhänger fährt oder fällt. Ein im öffentlichen Verkehrsraum abgestelltes Fahrzeug ist grundsätzlich in Betrieb (s.o. Rn. 15). Weil höhere Gewalt in einem solchen Fall regelmäßig nicht in Betracht kommt, würde der Halter des Kraftfahrzeugs einem unter 10 Jahre alten Kind immer auf Ersatz der erlittenen Schäden haften. Umgekehrt wäre nach dem Wortlaut des § 828 BGB ein Mitverschulden des Kindes nicht anrechenbar und der Halter hätte gegen das Kind auch keinen Anspruch auf Ersatz seines eigenen Schadens.
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Für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren (§ 828 Abs. 2 BGB) hat der BGH die Streitfrage entschieden, ob die Haftungsprivilegierung dieser Kinder auch für Unfälle im ruhenden Verkehr gilt. Danach greift die Haftungsprivilegierung des § 828 Abs. 2 BGB nach ihrem Sinn und Zweck nur ein, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch spezifische Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat.[53] Eine typische Überforderungssituation liegt in dem Umstand begründet, dass die Motorkraft des Kraftfahrzeugs zu Geschwindigkeiten führt, die zusammen mit der Entfernung eines Kfz von einem Kind vor Vollendung des zehnten Lebensjahres nur sehr schwer einzuschätzen sind. Beim ruhenden Verkehr kann sich im Einzelfall zwar auch eine spezifische Gefahr des motorisierten Verkehrs verwirklichen, eine solche Situation liegt aber nicht vor, wenn ein Kind mit seinem Kickboard oder Fahrrad gegen ein ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug fährt oder fällt.[54] Dies bedeutet, dass ein Kind dieser Altersgruppe für den von ihm verursachten Schaden am Fahrzeug haftet. Eine eventuell fehlende Einsichtsfähigkeit im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB hat das Kind darzulegen und zu beweisen. Hinsichtlich eigener Schäden des Kindes bedeutet dies, dass ihm hinsichtlich der Ansprüche gegen den Halter des Fahrzeugs aus § 7 StVG über § 9 StVG, § 254 BGB ein Mitverschulden entgegengehalten werden kann. Dies kann im Einzelfall zu einer Haftungsreduzierung des Halters auf 0 führen.
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Aus Sicht des Halters ist die einzelfallbezogene Lösung über ein Mitverschulden des Kindes in den dargestellten Fällen – Kind fährt/fällt gegen ordnungsgemäß abgestelltes Fahrzeug und stellt Ansprüche aus § 7 StVG – problematisch. Dies wird deutlich, wenn ein nicht deliktsfähiges Kind (= unter 7 Jahre) beteiligt ist. Weil das Kind nicht deliktsfähig ist, hat der Halter wegen eines eigenen Schadens am Fahrzeug allenfalls einen Anspruch aus § 832 BGB gegen die aufsichtspflichtigen Personen, regelmäßig die Eltern. Dabei gilt allerdings, dass keine überspannten Anforderungen an die Aufsichtspflicht zu stellen sind. Für den Schaden des Kindes würde der Halter aus § 7 StVG nach dem Wortlaut der Vorschrift vollumfänglich haften, eine Entlastung nach § 7 Abs. 2 StVG scheidet aus, weil höhere Gewalt nicht vorliegt und dem Kind kann mangels Deliktsfähigkeit auch ein Mitverschulden nicht entgegengehalten werden. Es stellt sich die Frage, ob § 7 StVG einem nicht deliktsfähigen Kind einen Anspruch verschaffen soll, obwohl eine Überforderungssituation im Verkehr nicht vorliegt (Argument für die Gleichstellung der 7–10-Jährigen mit den Deliktsunfähigen im Verkehr) und die vom Kfz ausgehende Gefahr mit der Gefahr jedes anderen Gegenstandes (Mülltonne, Mauer, Straßenschild …) vergleichbar ist.
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Nach hier vertretener Auffassung liegt kein Schaden „bei dem Betrieb“ vor. Denn die Gefährdungshaftung soll nach ihrem Schutzzweck vor den besonderen Gefahren schützen, die vom Betrieb eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers ausgehen. Beschränkt sich die vom Fahrzeug ausgehende Gefahr alleine darauf, dass es ordnungsgemäß im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt ist und hat sich keine weitere spezifische Gefahr verwirklicht, fällt dies nicht in den Schutzbereich des § 7 StVG. Eine dogmatische Frage ist, ob dies in den hier angesprochenen Fällen über eine Einschränkung der Kausalität (Schutzzweck der Norm) oder eine einschränkende Auslegung des Betriebsbegriffs geschieht. Wählt die Rechtsprechung eine restriktive Auslegung des Betriebsbegriffs, besteht allerdings die Gefahr, dass sich dieser mit Blick auf seine Allgemeingültigkeit „verwässert“. Die hier deswegen vertretene Lösung über eine Einschränkung