Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg. Uwe Umbach
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1. Europarecht
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Sowohl das Primärrecht (insbesondere die Gründungsverträge) wie das Sekundärrecht (Verordnungen, teilweise Richtlinien) der EU genießen unmittelbare Wirkung[13] sowie Anwendungsvorrang[14] vor allem nationalen Recht, einschließlich der Verfassungen, also in Deutschland auch vor dem Grundgesetz und den Landesverfassungen. Seit den grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Maastricht-Vertrag[15] und zur Bananenmarktordnung[16] steht fest, dass das Gericht bis auf weiteres eine Vereinbarkeit europäischen Rechts mit dem Grundgesetz nicht prüfen wird, so lange und soweit die Europäische Union insgesamt einen Standard von Grundrechten und weiteren Verfassungsgewährleistungen (z.B. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit) einhält, der dem des Grundgesetzes entspricht. Anderenfalls wäre die Übertragung von Hoheitsbefugnissen nach Art. 23 i.V.m. 79 III GG nicht (mehr) zulässig und die Mitgliedschaft der Bundesrepublik generell in Frage zu stellen.
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Unionsrecht, welches nicht vom Zustimmungsgesetz gedeckt, also ultra vires ist, kann diese Vorrangwirkung freilich nicht beanspruchen, jedoch ist auch hierbei zu beachten, dass der EuGH selbst zunächst die Kompetenz der Union zum Erlass des Rechtsaktes prüft. Bei schwer wiegenden Verstößen gegen den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung freilich dürfte auch eine Nichtberücksichtigung trotz eines entgegen stehenden Urteils des EuGH zulässig sein,[17] desgleichen bei denkbaren Verstößen gegen die Identität des Grundgesetzes.[18]
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Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten über Art. 4 III EUV verpflichtet, die Durchführung gemeinsamer Politiken und allgemein das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes nicht zu behindern, sondern im Gegenteil aktiv zu einem Erfolg des Integrationsprozesses beizutragen.[19] Dies beinhaltet auch jenseits der Rechtsangleichung die konstruktive Teilnahme an europäischen Maßnahmen und Programmen. So müssen sie Interessierten die Teilnahme an Unionsprogrammen (z.B. Forschungsrahmenprogramm) ermöglichen, die erforderlichen Strukturen schaffen und ggf. Kosten tragen.
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Die genannten Verpflichtungen treffen im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs auch die Länder sowie sonstige Einrichtungen, die hoheitlich handeln (also auch Gerichte, Körperschaften, insbesondere auch Hochschulen). Werden sie nicht eingehalten, macht sich der Mitgliedstaat Bundesrepublik einer Vertragsverletzung schuldig,[20] was erhebliche Sanktionen aber auch Schadensersatzforderungen der Bürger[21] nach sich ziehen kann. Nach den Vereinbarungen zur Föderalismusreform von 2006 belasten evtl. Strafzahlungen und Schadensersatzleistungen schwerpunktmäßig das verursachende Land[22] (auch wenn es selbst gar keine Handlungsmöglichkeiten hat wie z.B. bei der Entscheidung eines unabhängigen Gerichts).
2. Völkerrecht
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Normen des Völkerrechts wie der Menschenrechtspakt, aber auch die Konventionen des Europarats sind gemäß Art. 59 II GG durch Transformation Gesetze im formellen Sinne. Sie binden zwar die staatlichen Organe, haben aber nicht die besondere Stellung, insbesondere den Anwendungsvorrang und die unmittelbare Wirkung des EU-Rechts.
1. Kapitel Rechtsgrundlagen für die Hochschulen in Baden-Württemberg › A. Europarecht und Völkerrecht › II. Die Hochschulpolitik der Union
1. Zuständigkeiten für allgemeine und berufliche Bildung
(Art. 165 und 166 AEUV)
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Seit dem Vertrag von Maastricht bilden die Art. 149 und 150 EGV und jetzt die fast inhaltsgleichen Art. 165 und 166 i.V.m. 6 Buchst. e AEUV die Grundlage der Bildungspolitik der Union, wobei Art. 166 die berufliche und Art. 165 die allgemeine Bildung umfasst und auch Bezug auf die Hochschulbildung nimmt. Damit dürfte geklärt sein, dass die Hochschulbildung unter Art. 165 zu subsumieren ist, auch wenn ihr ein starker Bezug zur Berufsausbildung innewohnt. Noch im Gravier-Urteil[23] war herauszulesen gewesen, dass das Hochschulstudium Berufsausbildung i.S.d. Art. 127 alt sein könnte.[24] Freilich sind die praktischen Auswirkungen dieser Einordnung eher gering, da in beiden Vorschriften auf die strikte (sic!) Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten hingewiesen und eine Harmonisierung ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften ausdrücklich ausgeschlossen wird. Hinzu kommt, dass über Art. 53 eine ausdrückliche Harmonisierungskompetenz für Bildungsabschlüsse gewährt wird und selbstverständlich auch im Bildungsbereich Harmonisierung über Art. 114 möglich bleibt. Zudem sind Bildungsangebote als Dienstleistungen und Studierende somit als Nutznießer der passiven Dienstleistungsfreiheit zu qualifizieren. Neben dem eigentlichen Hochschulstudium machen die Hochschulen weitere Angebote, die ohne Zweifel der beruflichen Bildung zuzurechnen sind (z.B. berufliche Weiterbildung, Kontaktstudiengänge u.ä.).
2. Bildungspolitische Maßnahmen im Hochschulbereich
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Die Union trägt nach Art. 165 I AEUV zur Entwicklung einer „qualitativ hoch stehenden Bildung“ bei. Sie fördert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und unterstützt sie erforderlichenfalls, vor Allem durch Fördermaßnahmen und Empfehlungen (Art. 165 IV). Dabei sind aber die kulturelle Vielfalt sowie die originäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zu achten. Eine Konkretisierung dieser eher allgemeinen Ziele erfolgt in Absatz 2: So soll eine europäische Dimension im Bildungswesen erreicht werden, wozu in erster Linie Fremdsprachenkenntnisse verbessert werden sollen. Weiter erwähnt werden die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, die akademische Anerkennung der Diplome und Studienzeiten, die Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen und der Informations- und Erfahrungsaustausch.
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Angesichts des Ausschlusses der Rechtsharmonisierung bleibt die Union somit weitgehend auf finanzielle Förderung sowie sonstige koordinierende Maßnahmen (Berichte, Studien etc.) beschränkt.[25] Auf Art. 165 beruhten demgemäß die bekannten Austauschprogramme wie SOKRATES mit seinen Teilen ERASMUS und LINGUA,[26] ERASMUS MUNDUS,[27] TEMPUS[28] u.a.m. Diese Programme gingen 2014 in ERASMUS+ auf. Das Programm dauert von 2014 bis 2020 und vereinigt alle derzeitigen EU-Programme für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport auf europäischer und internationaler Ebene und vereinfacht teilweise ihre Handhabung.[29] Nach Art. 165 III besteht weiterhin eine Zuständigkeit der Union für die Zusammenarbeit mit dritten Staaten.
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Von besonderer Bedeutung ist der von der Union angestoßene sog. Bologna-Prozess. Auf der Basis einer am 19.6.1999 von 29 europäischen Bildungsministern in Bologna unterzeichneten Erklärung werden seither verschiedene Ziele verfolgt, wie z.B. die Einführung des zweistufigen Bachelor-/Master-Systems, die Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung, Evaluierung und Akkreditierung oder die Einführung eines Leistungspunktsystems nach dem ECTS-Modell.[30] Die mittlerweile 47 an dem Prozess teilnehmenden Staaten verfolgen so eine Stärkung der europäischen Dimension in der Hochschulbildung, eine Verbesserung der Mobilität und eine Steigerung der Attraktivität der europäischen Hochschulen, konkret die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes. Eine enge Zusammenarbeit mit dem