Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1. Reinhart Maurach
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Anmerkungen
Schroeder Staatsschutz 294 f.
Vgl. Schroeder Staatsschutz 34 ff., 76.
Schroeder FS Welzel 867.
Dazu Schroeder FS Roxin 2002, 38 ff.
2. Die Rechtsgüterordnung als Grundlage eines Lehrsystems
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a) Ist eine systematische Darstellung des Besonderen Teils an die Legalordnung des StGB gebunden, oder ist sie bei ihrer Anordnung vom Gesetz unabhängig? Diese Frage ist bestritten; indes lehren die Tatsachen, dass nur die wenigsten Lehrbücher versucht haben, sich der Systematik des StGB anzuschließen, und auch dann nicht ohne Abweichungen im Einzelnen.
Zu nennen sind hier für die Vergangenheit das Lehrbuch von Berner (12. Aufl. 1882), für die neuere Zeit die Darstellung von Niethammer (1950), die aber ebenfalls notgedrungen gelegentlich von der Systematik des StGB abweicht, so bei dem Hausfriedensbruch als einem Angriff auf die sittlichen Grundlagen der Gemeinschaft. Gehorsam gegenüber der Legalordnung ist damit weniger eine Tatsache als ein Wunsch, zuletzt vertreten von Oehler aaO 213 und Wegner[1], der sich gegen den „Hochmut der Wissenschaft bei Vernachlässigung der Legalordnung“ wendet. Demgegenüber betonte schon Binding, der wohl treueste Interpret des geltenden Rechts, dass die Wissenschaft nur eines heilig zu halten habe: die positiv-rechtliche Natur der einzelnen Verbrechensarten; „in allem weiteren hat sie die Pflicht voller Unabhängigkeit vom Gesetz. Sie muss diesem zum Trotz Gleiches als gleich nachweisen, angeblich Gleiches zerlegen, zu Unrecht Getrenntes verbinden, zu Unrecht Verbundenes scheiden“, „mit einem Wort – das Gesetz des Lebens dem der Erkenntnis unterwerfen“ (Lb. I 5). Diese Auffassung hat sich allgemein durchgesetzt. Die wissenschaftliche Systematik erleichtert nicht nur den Zugang zu der umfangreichen Materie, sondern bildet bereits den ersten Schritt bei der Auslegung der einzelnen Tatbestände[2]. Während das StGB in erster Linie auf die Praktikabilität der Anwendung, in zweiter Linie erst darauf zu sehen hat, dass seine Gliederung Ausdruck bestimmter Wertvorstellungen ist, gilt für die systematischen Darstellungen des Strafrechts das Umgekehrte. In der Gesamtwirkung beider bedeutet das nicht einen störenden Gegensatz, sondern eine fruchtbare Ergänzung.
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b) Es besteht also die Möglichkeit unabhängiger Systematik; diese wird angesichts der Unzulänglichkeit des StGB in bestimmtem Umfang zum Zwang. Es fragt sich nur, nach welchen Gesichtspunkten die Ordnung erfolgen muss. Hier besteht tatsächlich nur ein Weg. Die Straftaten nach Begehungsmitteln und Angriffsart (z.B. Gewalt gegen Sachen, Personen, Behörden, Staatsrepräsentanten) zusammenzufassen, ist als allgemeiner Grundsatz unbrauchbar; das gleiche gilt für den von Sauer (System des Strafrechts 1954) unternommenen Versuch, eine Klassifizierung der Straftaten nach den Tatmotiven (Nutz- und Notdelikte, Trieb- und Schwächedelikte usw.) durchzuführen. Es verbleibt der Rückgriff auf die abstrakten Schutzobjekte der Verbrechen, die Rechtsgüter. Die Schutzwürdigkeit des gleichen Rechtsgutes (z.B. des Lebens) führt zur Anerkennung der die Unverletzlichkeit des gleichen Gutes aussprechenden Norm (du sollst nicht töten); um die gleiche Norm gruppieren sich die den einzelnen Angriffsarten angepassten Strafdrohungen (Tatbestände des Totschlags, des Mordes, der Tötung auf Verlangen, der Kindestötung usw.). Diese sind als in sich geschlossene Teilgebiete im Rahmen des Möglichen nicht nur nach ihrem Zusammenhang, sondern auch nach der vom Betrachtenden vertretenen Rangordnung der Werte zu gruppieren: zwar nicht Legalordnung, wohl aber Rechtsgüterordnung.
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Indes muss sich jede Systematik der Grenzen ihrer Möglichkeiten bewusst bleiben. Vollendung ist unmöglich, erreichbar nur ein gewisses, und zwar stets weitgehend subjektiv bestimmtes Optimum. Letzteres gilt insbesondere für die Reihenfolge der einzelnen Verbrechensgruppen, so bei Voranstellung der Delikte gegen den Einzelnen oder umgekehrt derjenigen gegen die Gesamtheit. Immerhin besteht hierbei die Möglichkeit, sich an herrschende Wertvorstellungen anzuschließen (vgl. u. c.). Ferner lässt sich die Einordnung nach dem Rechtsgut nicht ganz ohne Ausnahmen durchführen. Es gibt Verbrechensgruppen, die sich solchen Versuchen entziehen: die gemeingefährlichen Straftaten (Tlbd. 2 §§ 50 ff.) lassen sich nur nach der Art des Rechtsgutsangriffes oder der Komplexität des Rechtsgüterschutzes als geschlossene Gruppe begreifen. Andere Autoren, wie z.B. Liszt-Schmidt (457), ziehen trotz grundsätzlichen Bekenntnisses zum Rechtsgut als Ausgangspunkt den Begriff der „vagierenden“ Delikte noch weiter, indem sie auch die Fälschungsdelikte dazurechnen. Im Prinzip wird aber stets vom Rechtsgut ausgegangen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der gleiche Tatbestand mehrere Rechtsgüter umfasst: die Einordnung der Tat bestimmt sich in diesen Fällen nach dem dominant getroffenen, dem „Zweck-Rechtsgut“, während das nur als Mittel zum Zweck in Mitleidenschaft gezogene Gut entweder auf den zweiten Plan tritt oder als selbstständig schutzunwürdig ganz ausscheidet. Daher ist die Erpressung ein Angriff auf Vermögen und Freiheit mit Vorrang des Ersteren (u. § 42 Rn. 19), der Betrug ein Angriff nur auf das Vermögen (u. § 41 Rn. 19), während bei der Falschverdächtigung der Ehrangriff wenigstens in Nebenwirkungen in Erscheinung tritt (Tlbd. 2 § 99 Rn. 5, 25).
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Grundsätzlich beherrscht die Rechtsgutsorientierung auch diejenigen Lehrsysteme, die wie Binding (Lb. I 7) und Arzt/Weber eine aufgelockerte, durch das praktische Zusammentreffen systematisch verschiedener Verbrechensgruppen angezeigte Betrachtung