Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1. Reinhart Maurach

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1 - Reinhart Maurach страница 14

Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1 - Reinhart Maurach C.F. Müller Lehr- und Handbuch

Скачать книгу

StGB hat an dieser Reihenfolge der Werte nichts geändert; aber als Kind der liberalen Epoche verschiebt es die Rangordnung der Güter unter der Hand durch Änderung der Strafdrohungen, in denen der Schutz des Lebens in den Vordergrund gerückt, die Strafwürdigkeit der Verbrechen gegen den Bestand des Staates abgewertet wird. Mit Recht spricht Oehler (186) daher von einem „Januskopf“ des geltenden StGB. Das 4. StrRG hat die „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“ als „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ den Straftaten gegen den Einzelnen zugeschlagen. Diese gewichtige Änderung war in der Systematik des geltenden StGB ohne weitere Umstellungen unterzubringen, da schon die bisherige Einordnung die Nähe zu den Straftaten gegen den Einzelnen zum Ausdruck bringen sollte[3]. Das 2. StrRG hat die Straftaten gegen den persönlichen Lebens- und Geheimnisbereich wegen ihrer gestiegenen Bedeutung in einem eigenen, dem durch die Aufhebung des Zweikampfs freigewordenen 15., Abschnitt zusammengefasst und den letzten Abschnitt aufgehoben; die bisherigen Übertretungen sind überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft, in Einzelnen Fällen (z.B. Mundraub, jetzt § 248a StGB) aber auch zu Vergehen hochgestuft, wobei eine Auflockerung des Verfolgungszwanges Härten vermeiden soll (§§ 153, 153a StPO). Weitere Änderungsgesetze haben die „Verkehrsunfallflucht“ (§ 142, s. Tlbd. 2) zu einer Straftat gegen den Einzelnen und zahlreiche Amtsdelikte zu bloßen Qualifikationen von Straftaten gegen den einzelnen gemacht[4]. Das 18. StrÄndG hat die Straftaten gegen die Umwelt in das StGB eingefügt, und zwar im Anschluss an die gemeingefährlichen Straftaten; die Straftaten im Amt wurden um einen Abschnitt nach hinten verschoben. Das Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997 hat einen neuen 27. Abschnitt (Straftaten gegen den Wettbewerb) eingefügt und die folgenden Abschnitte entsprechend verschoben.

      Anmerkungen

       [1]

      Schroeder Staatsschutz 294 f.

       [2]

      Vgl. Schroeder Staatsschutz 34 ff., 76.

       [3]

      Schroeder FS Welzel 867.

       [4]

      Dazu Schroeder FS Roxin 2002, 38 ff.

      2. Die Rechtsgüterordnung als Grundlage eines Lehrsystems

      15

      a) Ist eine systematische Darstellung des Besonderen Teils an die Legalordnung des StGB gebunden, oder ist sie bei ihrer Anordnung vom Gesetz unabhängig? Diese Frage ist bestritten; indes lehren die Tatsachen, dass nur die wenigsten Lehrbücher versucht haben, sich der Systematik des StGB anzuschließen, und auch dann nicht ohne Abweichungen im Einzelnen.

      16

      b) Es besteht also die Möglichkeit unabhängiger Systematik; diese wird angesichts der Unzulänglichkeit des StGB in bestimmtem Umfang zum Zwang. Es fragt sich nur, nach welchen Gesichtspunkten die Ordnung erfolgen muss. Hier besteht tatsächlich nur ein Weg. Die Straftaten nach Begehungsmitteln und Angriffsart (z.B. Gewalt gegen Sachen, Personen, Behörden, Staatsrepräsentanten) zusammenzufassen, ist als allgemeiner Grundsatz unbrauchbar; das gleiche gilt für den von Sauer (System des Strafrechts 1954) unternommenen Versuch, eine Klassifizierung der Straftaten nach den Tatmotiven (Nutz- und Notdelikte, Trieb- und Schwächedelikte usw.) durchzuführen. Es verbleibt der Rückgriff auf die abstrakten Schutzobjekte der Verbrechen, die Rechtsgüter. Die Schutzwürdigkeit des gleichen Rechtsgutes (z.B. des Lebens) führt zur Anerkennung der die Unverletzlichkeit des gleichen Gutes aussprechenden Norm (du sollst nicht töten); um die gleiche Norm gruppieren sich die den einzelnen Angriffsarten angepassten Strafdrohungen (Tatbestände des Totschlags, des Mordes, der Tötung auf Verlangen, der Kindestötung usw.). Diese sind als in sich geschlossene Teilgebiete im Rahmen des Möglichen nicht nur nach ihrem Zusammenhang, sondern auch nach der vom Betrachtenden vertretenen Rangordnung der Werte zu gruppieren: zwar nicht Legalordnung, wohl aber Rechtsgüterordnung.

      17

      Indes muss sich jede Systematik der Grenzen ihrer Möglichkeiten bewusst bleiben. Vollendung ist unmöglich, erreichbar nur ein gewisses, und zwar stets weitgehend subjektiv bestimmtes Optimum. Letzteres gilt insbesondere für die Reihenfolge der einzelnen Verbrechensgruppen, so bei Voranstellung der Delikte gegen den Einzelnen oder umgekehrt derjenigen gegen die Gesamtheit. Immerhin besteht hierbei die Möglichkeit, sich an herrschende Wertvorstellungen anzuschließen (vgl. u. c.). Ferner lässt sich die Einordnung nach dem Rechtsgut nicht ganz ohne Ausnahmen durchführen. Es gibt Verbrechensgruppen, die sich solchen Versuchen entziehen: die gemeingefährlichen Straftaten (Tlbd. 2 §§ 50 ff.) lassen sich nur nach der Art des Rechtsgutsangriffes oder der Komplexität des Rechtsgüterschutzes als geschlossene Gruppe begreifen. Andere Autoren, wie z.B. Liszt-Schmidt (457), ziehen trotz grundsätzlichen Bekenntnisses zum Rechtsgut als Ausgangspunkt den Begriff der „vagierenden“ Delikte noch weiter, indem sie auch die Fälschungsdelikte dazurechnen. Im Prinzip wird aber stets vom Rechtsgut ausgegangen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der gleiche Tatbestand mehrere Rechtsgüter umfasst: die Einordnung der Tat bestimmt sich in diesen Fällen nach dem dominant getroffenen, dem „Zweck-Rechtsgut“, während das nur als Mittel zum Zweck in Mitleidenschaft gezogene Gut entweder auf den zweiten Plan tritt oder als selbstständig schutzunwürdig ganz ausscheidet. Daher ist die Erpressung ein Angriff auf Vermögen und Freiheit mit Vorrang des Ersteren (u. § 42 Rn. 19), der Betrug ein Angriff nur auf das Vermögen (u. § 41 Rn. 19), während bei der Falschverdächtigung der Ehrangriff wenigstens in Nebenwirkungen in Erscheinung tritt (Tlbd. 2 § 99 Rn. 5, 25).

      18

      Grundsätzlich beherrscht die Rechtsgutsorientierung auch diejenigen Lehrsysteme, die wie Binding (Lb. I 7) und Arzt/Weber eine aufgelockerte, durch das praktische Zusammentreffen systematisch verschiedener Verbrechensgruppen angezeigte Betrachtung

Скачать книгу