Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren. Steffen Stern
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II. Die praktischen Konsequenzen
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Die praktischen Konsequenzen dieses Meinungsstreits[6] lassen sich wie folgt skizzieren:
1. Problem der disgruenten Tatbeteiligung
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Die dogmatischen Schwierigkeiten beginnen, sobald an einem Tötungsdelikt mehrere Tatbeteiligte mitwirken, von denen nicht alle ein und dasselbe oder überhaupt ein Mordmerkmal verwirklichen.
a) Mittäterschaft bei Mord und Totschlag
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Dass Mord und Totschlag in Mittäterschaft begangen werden können, leitet die Lehre[7] zwanglos aus § 28 Abs. 2 StGB her, wonach eine Strafschärfung aufgrund besonderer persönlicher Merkmale nur für den Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt, bei dem diese Merkmale vorliegen. Der Rechtsprechung hingegen ist der Rückgriff auf § 28 Abs. 2 StGB, der nur strafschärfende, nicht aber strafbegründende Umstände erfasst, naturgemäß versperrt. Und § 28 Abs. 1 StGB, der das Fehlen strafbegründender Merkmale regelt, gilt erklärtermaßen nur für den Anstifter oder Gehilfen. Grundsätzliche Bedenken des 4. Strafsenats des BGH[8] gegen die Annahme von Mittäterschaft bei Mord und Totschlag hat der 1. Strafsenat des BGH[9] allerdings später beherzt überwunden und darauf verwiesen, dass eine Zurechnung von Tatbeiträgen über § 25 Abs. 2 StGB nicht notwendig die Verletzung (völlig) identischer Strafgesetze voraussetze. Zutreffend weist Beulke[10] darauf hin, dass die Kontroverse über das Verhältnis von §§ 211, 212 StGB (nunmehr) für den Bereich der Mittäterschaft irrelevant sei.
b) Beihilfe und Anstiftung
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Zu teilweise grundverschiedenen Ergebnissen führt der Meinungsstreit hingegen bei den übrigen Beteiligungsformen. Hauptfrage: Ist (etwa mit Blick auf § 28 StGB) der Mordtatbestand auch für den Gehilfen oder Anstifter zugrunde zu legen, der selbst kein Mordmerkmal erfüllt, und was gilt im umgekehrten Fall, wenn sich Mordmerkmale möglicherweise nur beim Gehilfen oder Anstifter vorfinden?
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Bei den persönlichen Merkmalen im Sinne von § 28 StGB ist stets zwischen tat- und täterbezogenen Merkmalen zu unterscheiden; nur den täterbezogenen Merkmalen kommen die in § 28 StGB genannten Rechtswirkungen zu[11]. Folglich ist auch bei der (disgruenten) Beteiligung an einem Kapitaldelikt zunächst zwischen tatbezogenen oder personenbezogenen Mordmerkmalen zu differenzieren. Jedoch herrscht schon bei der Einordnung nicht immer Einigkeit.
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Tatbezogen sind nach wohl h.M. die Mordmerkmale „heimtückisch“, „mit gemeingefährlichen Mitteln“, „grausam“. Als täterbezogene (personenbezogene) Mordmerkmale gelten nach wohl überwiegender Ansicht „aus Mordlust“, „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“, um „eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“, „aus Habgier“ oder „sonst aus niedrigen Beweggründen“[12].
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Wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen z.B. können Gehilfen also nur dann verurteilt werden, wenn der Täter aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe des Täters erbracht haben[13].
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Anstiftung zum Heimtücke-Mord setzt voraus, dass der Anstifter die Möglichkeit einer heimtückischen Begehungsweise, wenn auch nicht unbedingt gewollt, so doch zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat[14].
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Mordmerkmal | täter-/personenbezogen | tatbezogen | |
---|---|---|---|
Begehungsweise | Heimtücke | hM; BGH Urt. v. 24.11.2005 – 4 StR 243/05, NStZ 2006, 288 | |
Grausamkeit | hM; BGHSt 23, 123; 24, 106, | ||
Gemeingefährliche Mittel | hM; BGH Urt. 13.05.1971– 3 StR 337/68, juris | ||
besonderes Tatmotiv | Niedriger Beweggrund | hM; BGH Urt. v. 10.06.09 – 4 StR 645/08, NStZ 2009, 627* | |
Habgier | hM; BGH Urt. v. 16.07.2003 – 2 StR 68/03, StV 2004, 355 | ||
Mordlust | hM | ||
Motiv der Triebbefriedigung | hM | ||
Absicht des Täters | Verdeckung und Straftatermöglichung | hM; BGH NStZ-RR 2002, 139; BGHSt 23, 36 |
* | Ausnahmefälle BGH Urt. v. 19.10.2001 – 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128 [131] mwN. = NStZ 2002, 84 |
263
Täter | Teilnehmer | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
verwirklicht | Wissensstand des Teilnehmers | Teilnehmer erfüllt kein eigenes Mordmerkmal | Teilnehmer erfüllt aber eigenes Mordmerkmal | ||||
↓ | tatbezogenes Mordmerkmal | personenbezogenes Mordmerkmal | |||||
§ 211 StGB | Lit. | Rspr. | Lit. | Rspr. |
Lit.
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