Absprachen im Strafprozess. Dirk Sauer

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Absprachen im Strafprozess - Dirk Sauer Praxis der Strafverteidigung

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der Aktenlage bilden, reichlich unrealistisch ist, vgl. Weßlau ZStW 116 (2004), 150 ff., 159. Wenn 99 % aller Strafbefehlsanträge „erfolgreich“ sind (Weßlau aaO; Heinz FS Müller-Dietz S. 271 ff.), dann vertritt die Praxis offenbar die weitere Auffassung. Im Ergebnis führt jedenfalls kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass zumindest die Tatsachengrundlage, auf der die richterliche Meinungsbildung stattfindet, durch den Verzicht auf die Hauptverhandlung in aller Regel „defizitär“ sein wird (zutr. KK-Maur § 408 Rn. 15), so dass das Strafbefehlsverfahren eine Entscheidung zu Lasten des Beschuldigten entweder von vornherein auf bloßen Verdacht hin oder bestenfalls auf der Basis von Tatsachen, deren Darlegung lediglich die Funktion zukommt, einen hinreichenden Tatverdacht zu begründen, ermöglicht. Die Bestimmung, dass der Strafbefehl mit den gleichen Wirkungen wie eine Verurteilung nach mündlicher Hauptverhandlung ausgestattet ist, § 410 Abs. 3, kann deswegen sicher nicht in gleicher Weise wie ein Urteil auf den Gedanken der „forensischen Wahrheit“ zurückgeführt werden. Das (relativ) gute Image der §§ 407 ff. im Schrifttum hängt möglicherweise mit der langen Tradition zusammen, auf die diese Art der Verfahrensbeschleunigung zurückgeführt werden kann. Teilweise wird auch offen gesagt, ohne ein solches summarisches Verfahren sei eben schon aus ökonomischen Gründen nicht auszukommen; so z. B. aus der Literatur Meyer-Goßner/Schmitt Vorbemerkungen zu §§ 407 ff. Rn. 1. Nach der Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege“ (BT-Drucks. 12/1217, S. 42) handelt es sich bei dem Strafbefehlsverfahren um „eines der wichtigsten Institute der Strafprozessordnung zur ökonomischen Verfahrenserledigung“. Der Nachweis für die Richtigkeit dieser auf die Wirklichkeit bezogenen Behauptung steht allerdings bis heute aus. Vgl. zu Einzelheiten des Strafbefehlsverfahrens näher unten Rn. 173 ff.

       [17]

      Vgl. zu dieser gesetzgeberischen Erwägung bereits Schmidt Lehrkommentar Teil I, Rn. 324 ff., 326.

       [18]

      Konsequent war es daher, die früher mögliche Verhängung vollziehbarer Haftstrafen hier auszuschließen, vgl. zu den Hintergründen und der Kritik an früheren Fassungen z. B. Schmidt Lehrkommentar Teil II, § 407 Rn. 4.

       [19]

      Dazu ausführlicher unten Rn. 108 ff.

       [20]

      Der „Betroffene“ ist hier und im weiteren Text im alltagssprachlichen Sinne zu verstehen.

       [21]

      Vgl. KK-Maur § 408 Rn. 15: Legitimation des Strafbefehlsverfahrens (wenn überhaupt) nur durch ein „Konsens-Element“. Vgl. auch Landau/Eschelbach NJW 1999, 321 ff., 324: Das Strafbefehlsverfahren als „eine Art eines konsensualen Verfahrens“, bei dem „infolge Einvernehmens ein abschließendes Prozeßergebnis gefunden“ wird, wobei „ergänzende Absprachen (…) unbedenklich“ sind. – Die Probleme und Systembrüche lassen sich nicht mit Hinweisen wie demjenigen marginalisieren, es handele sich um „Ausnahmen, die die Regeln bestätigen“ und rechtstechnisch um bloße „Zustimmungsvorbehalte“ (so aber Ignor/Matt/Weider MAH Strafverteidigung, § 13 Rn. 2). Zum einen werden sowohl bei §§ 153 ff. wie im Strafbefehlsverfahren, um es zurückhaltend auszudrücken, wesentliche Verfahrensgrundsätze teils durchbrochen, teils massiv eingeschränkt. Jedenfalls bei den §§ 407 ff. und 153a kommt der Zustimmung des Betroffenen daher weit mehr als nur formale Bedeutung zu: Sie dient als notwendige materielle Grundlage für den Verzicht auf Wahrheitsfindung bzw. auf Verfolgung der Tat bei gleichzeitiger Bestrafung bzw. Verhängung von Auflagen. Es kann durchaus davon gesprochen werden, dass die Beteiligten hier nicht nur über einzelne Verfahrensfragen etwa des Umfangs der Beweisaufnahme, sondern über die Durchführung des Verfahrens insgesamt disponieren (insoweit zutreffend Weßlau ZStW 116 [2004], 150 ff., 162: „Bagatellverfahren und Strafbefehlsverfahren als Einfallstor der Dispositionsmaxime“, und passim). Zum anderen sind mit diesen Vorschriften eben bewusst mit weitem Anwendungsbereich ausgestattete, konsensuale Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung geschaffen worden, die – mit Wissen und Wollen des Gesetzgebers! – in der Praxis zusehends in den Vordergrund gerückt sind (nach Jehle Strafrechtspflege in Deutschland, S. 20, werden nur 11,5 % aller Ermittlungsverfahren mit Anklageerhebung, aber 11,9 % mit Strafbefehlsantrag und immerhin 4,9 % gegen Auflagen eingestellt), so dass jedenfalls nicht behauptet werden kann, die StPO ermögliche derartige Verfahrensweisen allenfalls in Randbereichen (vgl. auch den zutreffenden Hinweis von Satzger in Bockemühl, Handbuch des Fachanwalts Strafrecht, Teil H, Kap. 3 Rn. 10, durch § 153a sei die Verständigung „vorgezeichnet“, im gleichen Sinne LR-Beulke § 153a Rn. 2).

       [22]

      U. a. wurden mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 die §§ 154, 154a erweitert, durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz im Jahre 1993 die Schuldschwere, bis zu der § 153a anwendbar sein soll, weiter heraufgesetzt.

       [23]

      Ähnliches gilt für die §§ 407 ff.

       [24]

      Mit Erfolg: Anträge auf Strafbefehlserlass kommen heute bereits häufiger vor als die eigentlich als Regelfall gedachte Anklageerhebung, vgl. Heinz FS Müller-Dietz S. 271 ff. – Rieß/Hilger NStZ 1987, 204 weisen zutreffend darauf hin, dass es dem Gesetzgeber bei der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Strafbefehlsverfahrens im Jahre 1987 zwar um die Erhöhung von dessen Akzeptanz, nicht aber um die Zurückdrängung des § 153a gegangen ist; vgl. dazu auch BT-Drucks. 10/1313, 13, 34 ff., 35.

       [25]

      Durch empirische Forschung belegt ist das allerdings, soweit ersichtlich, nicht.

       [26]

      Näher dazu sogleich unten Rn. 62 ff.

       [27]

      Dass Einstellungsentscheidungen nach §§ 153 ff. oder Strafbefehlserlassen entsprechende Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten vorausgehen darf, teilweise sogar muss, ist unbestreitbar. Zu den neu eingeführten §§ 160b, 202a und 212 noch unten Teil 2 (Rn. 90 ff.).

       [28]

      Hierzu näher unten Teil 6 (Rn. 665 ff.).

       [29]

      Zum Umgangston unter Strafrechtlern nur ein Beispiel von vielen: Seier

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