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Polizei.Wissen - Группа авторов Polizei.Wissen / Themen politischer Bildung

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interkultureller Kompetenz einsetzten, wurde von einem Leitenden Polizeidirektor erwidert: „Ach wissen Sie, mir reicht es, wenn der deutsche Schutzmann weiß, dass er einem Türken kein Schweinefleisch anbietet.“

      Im Anschluss an Bourdieu (2013: 181f.) verwenden wir die Dichotomie hard und soft. Traditionelle Lehrinhalte gelten als die harten, gleichermaßen maskulin assoziiert. Nicht-traditionelle Lehrinhalte gelten als soft – oder um mit den Worten der von Chan (2003: 315, 131) interviewten Studierenen zu sprechen – als: „Warm and fuzzy stuff“ und werden tendenziell als feminin (jedenfalls „unmännlich“) assoziiert. Analog zur tradierten Geschlechterordnung steht das hard hierarchisch über dem soft. Die soften Fächer sind Spielverderber, weil sie die polizeilichen Akteure durch ihren Gegenstand zu kognitiven Dissonanzen zwingen. Zu Selbstreflexionen, einem epistemologischen Bruch mit vertrauten Welt- und Wahrheitskonstruktionen. Und weil sie nicht die Logik polizeilicher Checklisten, mithin die Reduktion von Komplexität bedienen, die den polizeilichen Alltag fassbar machen soll, d.h. Handlungssicherheit geben, Orientierung, Klarheit, Gewissheit. Polizeiarbeit erfordert bisweilen ohne Zweifel ad-hoc-Handeln, teils in Sekundenbruchteilen. Im Habitus prägt sich diese Feldvariable als Tendenz zum Pragmatischen aus, zum Konkreten, zum Unverstellten und: Zu „anti-theoretischen Perspektiven“ (Bowling / Reiner / Sheptycki 2019: 179). Sozialwissenschaftliche Erklärungsansätze devianten Handelns werden als für die Praxis irrelevant, überflüssig und weltfremd wahrgenommen, oder auch als: „Alice in Wonderland stuff“ (Chan 2003: 10, vgl. 131, 303). Sozialwissenschaftler werden dabei nicht als richtige polizeiliche Akteure wahrgenommen. Sie gehören formell zwar dem Feld an, ihnen fehlt jedoch der richtige Stallgeruch mit seinen zahlreichen Initiationsriten. Oder anders: Zwischen (Sozial-) Wissenschaftlern und der Polizei herrscht eine Art soziale Fremdheit. Sie vertreten in freier Analogie zu Arbeiterklasse und Bourgeoisie überwiegend unterschiedliche Alltagsrealitäten, Klassifikationssysteme und Identitätskonstruktionen. Sprechen unterschiedliche Sprachen. Denken anders. Und Anderes. Nehmen anders und Anderes wahr. Handeln anders. Gemeinsamkeiten schaffen Verstehen, Nähe, ein Einvernehmen. Umgekehrt resultiert aus verschiedenen Verhaltenscodes Distanz, Unverständnis, Fremdheit. In der Folge nehmen sich die Interaktionen bisweilen wie die Begegnung von Traditionalisten und Subversiven aus, die durch ihre (Spiel-)Einsätze, ihre Interessen, ihr Ringen um die feldspezifischen (Macht-)Positionen das Koordinatensystem des Feldes beständig neu bestimmen (vgl. analog Bourdieu / Wacquant, 1996: 128ff.). Die Herabwürdigung der (Sozial-)Wissenschaften ist damit immer auch eine Sicherung und Reproduktion der männlichen Macht im Feld Polizei. Polizisten markieren damit die Grenze zwischen uns und denen. Die dergestalt als Fremdkörper empfundene Wissenschaft stört darüber hinaus, weil man Kritik erwartet. Wer will schon hinterfragt und kritisiert werden? Und warum, so wird aus den polizeilichen Praxen gefragt, brauchen wir Akademiker im Streifenwagen? Diese Schutz- und Abwehrreaktionen resp. der Widerstand betrifft, weil er genereller Natur ist, jedoch nicht nur die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung, sondern ebenso Erlasse des Innenministeriums oder Reformen und die damit zusammenhängenden Veränderungen. So widersetzt sich das Feld auf vielen Ebenen, um die überkommenen feldspezifischen Verhältnisse unverändert fortbestehen zu lassen und Handlungssicherheit zu erhalten. Mit Bezug auf die Wissenschaftsskepsis des Feldes Polizei liegt die Ursache des Phänomens daher nicht allein primär im Wesen des wissenschaftlichen Feldes, sondern in einer generellen Skepsis der Polizei gegen alles, was nicht organisch zum Feld gehört. Und wer als Sozialwissenschaftler gegen die Wissenschaftsskepsis der Polizeipraktiker (vgl. Schöne 2005: 50ff.) disziplinären Kurs hält, immer wieder aufs Neue ins Schwungrad der Gewohnheit greift, nimmt nicht selten an seiner Selbstexklusion teil, wird zum Insulaner in der Polizei, weil im Zuge der kollektiven Selbstaffirmation nicht Theorie und Reflexion und damit ein heuristisches Vorgehen, sondern die an Checklisten und einer algorithmischen Logik orientierte mythentaugliche (Aktions)Praxis das Hauptkriterium für Qualität und Leistung sind. Teilweise erleben wir im Kollegium auch Konkurrenzen und Widersprüche zwischen „hard“- und „soft“-Lehre. Im Einsatztraining wird den Studierenden eine klare Linie vermittelt („Zugriff jetzt!“). Polizeiliche Bildungseinrichtungen neigen zur „algorithmischen Lehre“, zu eindeutigen Handlungsvorschriften zur Lösung eines Problems. „Wenn A vorliegt, tue X“ (Scheitza / Düring-Hesse 2014: 129). Im Habitus der Lernenden (auch in der Fortbildung!) erwächst der Wunsch nach „Checklisten“. Schwarz und Weiß prägen Wahrnehmung, Denken und Handeln. Sozialwissenschaftliche Lehre oder Verhaltenstrainings können genau das nicht bieten. Die „soften Fächer“ orientieren sich stärker an einem heuristischen Lernparadigma. Nicht nur wird dem Wunsch nach einfachen Lösungen nicht entsprochen: Die Welt wird als äußerst komplex und unübersichtlich gezeichnet. Und auch das führt zu Irritationen und zum Teil heftigen Lernwiderständen.

       Der Leiter des Psychologischen Dienstes einer Landespolizeischule selbstironisch: „Die Psychologie ist über die Polizei gekommen wie eine Seuche.“

      In der Berufsethik wird dem „wenn A vorliegt, tue X“ der Impuls für eine Anregung zum Nachdenken beigefügt: Über Handlungsoptionen und dimensionen. Manche Kolleg*innen aus dem Einsatztraining schimpfen dann: „Was wir bei den Studenten mühsam aufgebaut haben, stoßt ihr in der Berufsethik mit eurem Arsch wieder um!“.

      Idealtypisch sollten das „hard“ und das „soft“ in Studium und polizeilicher Aus- und Fortbildung keine Widersprüche darstellen, sollten sich ergänzen. Lehrbereiche sollten kooperieren statt konkurrieren. Das „hand“ und das „soft“ sollten gleichermaßen als notwendige Kompetenzen für den Beruf akzeptiert werden. In diesem Kontext ist Bildung für Bourdieu „nicht nur Voraussetzung für den Zugang zu Arbeitsplätzen und gesellschaftlichen Positionen, sie ist die Hauptvoraussetzung für die echte Ausübung der bürgerlichen Rechte“ (Bourdieu 1996: 68).

      Die aufgezeigte maskuline (Binnen-) Sicht auf Polizeiarbeit ist ebenso selbstreferentiell wie überholt und gefährlich. Weil sie mit ihrem konservativen bis reaktionären Unterbau Modelle in Anschlag bringt, die den gegenwärtigen komplexen Anforderungen an Polizeiarbeit nicht gerecht werden.

      Doch wie steht es um unser Eingangsbeispiel des Studierenden (aus dem ersten Semester), dem der Polizeihabitus erheblich weniger eingeschrieben sein dürfte als dem Polizeidirektor? An ihm zeigt sich die Wirkmächtigkeit des Berufsfeldes Polizei, das – vermittelt z.B. über die Medien – in die Gesellschaft hinein strahlt. Niemand betritt das Feld Polizei als unbeschriebenes Blatt. Der Berufseintritt erfolgt vielmehr nach einer antizipierenden Sozialisation, infolge derer die sozialen Akteure zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das polizeiliche Feld bereits eine spezifische Konfiguration von aktiven Eigenschaften und Merkmalen aufweisen - vergleichbar mit einem passenden Schlüssel für das Türschloss des Feldes. Oder anders: Infolge der performativen Magie polizeilicher Rituale, d.h. der singulären und kollektiven Selbstdarstellung der Polizei, werden auch in der Gesellschaft polizeiliche Kompetenzen maskulin assoziiert, mithin Polizeiarbeit noch immer als typisch männliche Aufgabe angesehen (vgl. Herrnkind, 2000, 77ff.; vgl. zur Staatsmagie Bourdieu, 2004, 456ff.). Männlichkeit und männliche Handlungsmuster im Feld Polizei sind für uns indes überholte Sinnattributionen der Akteure. Zukünftig sollte in Opposition zum Beharrungsvermögen wertkonservativer Strukturen und explizit aufgrund der notwendig ständigen Selbsterneuerung sozialer Praxisfelder maskuline Männlichkeit mit all ihren Schreckgespenstern schwuler Themen im Feld Polizei obsolet sein.

       Literatur:

      Bourdieu: Störenfried Soziologie. S. 65–70 In: Fritz-Vannahme, J. (Hrsg.): Wozu heute noch Soziologie? Opladen 1996.

      Bourdieu: Eine sanfte Gewalt. In: Ein alltägliches Spiel. Frankfurt/M. 1997.

      Bourdieu: Der Staatsadel. Konstanz 2004.

      Bourdieu: Die männliche Herrschaft. Frankfurt/M. 2013.

      Bourdieu/ Wacqant,: Reflexive Anthropologie. Frankfurt/M.2013.

      Bowling / Reiner / Sheptycki: The Politics of the Police. Oxford 2019.

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