Praxiswissen für Kommunalpolitiker. Franz Dirnberger
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Im Bereich der Kommunalverwaltung ist es schwer, aktuell Empfehlungen auszusprechen, denn die Umstellungen sind teuer und auf das falsche Pferd ist mangels einheitlicher Normierung schnell gesetzt. Es bleibt daher strategisch abzuwarten, ob die Arbeitsergebnisse des E-Government-Pakts und Online-Zugangsgesetzes zu eindeutigen Handlungsempfehlungen führen.
Was jede Kommune allerdings tun kann, ist den Boden zu bereiten. Die Datenschutzgrundverordnung umzusetzen, die Mitarbeiter auf die anstehenden Veränderungen hinzuweisen, sie zu ertüchtigen, mit den neuen Prozessen umgehen zu können.
E-Government, also die elektronische Verwaltung, die zur Beschleunigung und Rationalisierung komplexer Abläufe beitragen soll, aber auch dem Bürger Wege ersparen möchte, verlangt z. T. nach neuen Strukturen überörtlicher Zusammenarbeit.
So wurde gerade im kreisangehörigen Bereich erkannt, dass in vielen Fällen eine auf die eigene Kommune beschränkte „Insellösung“ wenig Sinn ergibt und ein erhebliches Kostenpotenzial vermieden werden kann, wenn eine einheitliche DV-Struktur auf Landkreisebene unter Einbeziehung aller Kommunen angestrebt wird.
Beispiel:
In den Landkreisen Kelheim und Cham wurden in Zusammenarbeit mit allen Gemeinden am Landratsamt EDV-Stabsstellen eingerichtet und eine Intranetplattform für unterschiedlichste Bereiche geschaffen. Gerade im Bereich der Geo-Informationssysteme (GIS) hat sich diese Struktur bewährt. Ein einheitliches Zugangsportal für künftige Nutzer wird zudem sicherstellen, dass die notwendige Einheitlichkeit interener Prozessabläufe und die erforderliche Datensicherheit gewährleistet sind. Ein Zentralrechner, eine zentrale Firewall, ein Administrator, ein einheitliches Anwendungssystem garantiert die gemeinde- und landkreisübergreifende funktionierende DV-Struktur. Die Kosten werden im Verhältnis der Einwohner nach Vorabzug des Landkreisanteils von den Kommunen aufgebracht bzw. über die Kreisumlage gedeckt.
Derzeit wird intensiv über eine Verschlankung verschiedener Verwaltungsbereiche diskutiert. Zentrales Personenstandswesen und Standesamt, zentrale Realsteuer- oder Personalstellen sind in der Lage, personelle und damit kostentechnische Synergien zu heben. Voraussetzung ist aber auch hier eine überörtliche funktionierende EDV-Plattform, die im modernen Informationszeitalter – leider – noch nicht überall vorhanden ist.
5.Das Verhältnis Staat – Kommunen
Staat und Kommune als Gebietskörperschaften haben wir bereits kennen gelernt. Im Folgenden erklären wir, welche genaue Rolle die Kommunen im Staatsgefüge spielen.
Beispiel:
Bürgerin Meier geht ins Einwohnermeldeamt und holt dort den von ihr bestellten Pass ab.
In Art. 73 I Nr. 3 Grundgesetz finden wir, dass für das Passwesen ausschließlich der Bund (= die Bundesrepublik Deutschland) als Gesetzgeber zuständig ist. Aber dennoch wird die Gemeinde tätig. Dies rührt daher, dass die Verfassung (das Grundgesetz) eine Aufgabenverteilung zwischen Bund, Land und Gemeinde vorsieht.
5.1Bund, Länder und Kommunen im System der Gewaltenteilung
Die deutsche Verfassung sichert – ebenso wie die bayerische – die Funktionsfähigkeit unseres demokratischen Staatssystems u. a. durch die sog. Gewaltenteilung. Legislative (= Gesetzgebung), Exekutive (= Verwaltung) und Judikative (= Rechtsprechung) sind verschiedenen Zuständigkeiten zugeordnet, mit dem Ziel, dass sich die jeweiligen Träger der Staatsgewalt gegenseitig kontrollieren. So überwachen die Gerichte die Rechtmäßigkeit von Gesetzen, die das Parlament erlässt. Das Parlament wiederum überwacht kraft Petitionsrecht, ob die Regierung und Verwaltung rechtmäßig handelt usw.
Kommunen und Gewaltenteilung
Wohin gehören die Kommunen in diesem Gefüge der Gewalten?
Kommunen erlassen Satzungen, etwa Gebührensatzungen oder Bauleitpläne. Dies spricht für eine Einordnung in den Bereich der Gesetzgebung. Andererseits kann etwa der Bürgermeister Ordnungsverfahren durchführen und dabei Geldbußen verhängen. Ist die Gemeinde deshalb Teil der Rechtsprechung?
Die überwiegende Tätigkeit der Kommune und ihrer Entscheidungsorgane (z. B. Bürgermeister und Gemeinderat) ist Anwendung und Vollzug von Gesetzen. Die Kommunen und auch ihre Organe sind deshalb wesentlicher Teil der vollziehenden Gewalt, d. h. Teil der Exekutive.
Dabei werden die Kommunen sowohl aus eigener Kompetenz oder Zuständigkeit tätig (insbesondere im angestammten Selbstverwaltungsbereich) oder kraft gesetzlich übertragener Kompetenz, wie z. B. im Passwesen: Hier wird die Gemeinde für Bund und Land zur Erfüllung einer bundesgesetzlich geregelten Aufgabe tätig. Die Kommunen sind also mehr als bloße Erfüllungsgehilfen des Staates, sie sind wesentliche und selbstständige Fundamente unserer demokratischen Staatsform.
Das Recht auf Selbstverwaltung unterstreicht diese elementare Aufgabe. Dies bekräftigt auch Art. 11 Abs. 4 BV:
Art. 11 Abs. 4 BV
Die Selbstverwaltung der Gemeinden dient dem Aufbau der Demokratie in Bayern von unten nach oben.
5.2Wo steht was?
Grundgesetz und Bayer. Verfassung enthalten wesentliche Regelungen zur Gewaltenteilung und Aufgabenverteilung zwischen den Staatsebenen. Daneben finden sich Zuständigkeitsregelungen in Bundes- und Landesgesetzen, durch die Verwaltungsaufgaben auf die Kommunen übertragen werden.
Wichtig!
Es gibt Bereiche, in denen die Kommunen von vorneherein – man nennt das auch originär – zuständig sind und Bereiche, in denen die Kommunen kraft eines gesetzlichen Auftrags tätig werden.
Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil die Handlungsmöglichkeiten, die Spielräume und die Überprüfung des gemeindlichen Verwaltungshandelns unterschiedlich ausgeprägt sind.
Beispiel Gemeinde:
Eigentlich hat die Gemeinde alle öffentlichen Aufgaben auf ihrem Gebiet zu erfüllen. Dies ergibt sich aus Art. 6 GO. Man spricht auch von der Allzuständigkeit der oder einer Zuständigkeitsvermutung für die Gemeinden.
Art. 6 GO
(1) Den Gemeinden steht in ihrem Gebiet die Erfüllung aller öffentlichen Aufgaben zu. Ausnahmen bedürfen eines Gesetzes.