Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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noch gar nicht in Erscheinung.

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      Die frühneuzeitliche Bedeutung von „Verwaltung“

      Das Wort „Verwaltung“ hatte demgemäß noch an der Schwelle zum 19. Jahrhundert eine wesentlich andere Bedeutung als der moderne Verwaltungsbegriff. Es war noch nicht in spezifischer Weise mit dem Staat und dessen Herrschaftsapparat verbunden, sondern erscheint im Gegenteil ganz überwiegend in einen privatrechtlichen Kontext einbezogen. Wirft man zur Begriffsbestimmung einen Blick in Johann Heinrich Zedlers gewaltiges, fast 70-bändiges „Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste“, das zwischen 1731 und 1754 als damals größtes enzyklopädisches Werk in Europa gedruckt wurde, dann erscheint hier unter dem Lemma „Verwaltung“ lediglich „die Aufsicht oder Sorge vor eines anderen Sachen und Güter, damit dieselben, wo nicht verbessert, doch wenigstens auch nicht verschlimmert und so viel als möglich in ihrem Sein und Wesen erhalten werden“. Mithin ist derjenige „ein Verwalter“, so heißt es weiter, „dem dergleichen Vorsorge“ für „eines anderen Sachen oder Güter anvertrauet ist“ und der deshalb auch „mit selbigen in dessen Namen nach der in denen Rechten vorgeschriebenen Weise zu schalten und zu walten“ hat.[1] „Verwaltung“ bedeutet hier also bloße „Stellvertretung“ und unter den Beispielsfällen, die sich hierzu im „Zedler“ aufgeführt finden, tauchen demgemäß an erster Stelle auch gar keine Beamten auf, sondern „Vormünder, Kuratoren, Advokaten, Anwälte“ und „Prokuratoren“, und erst an zweiter Stelle werden „Amtsleute[2], Schaffner[3], Schösserer“[4] und „Gerichtshalter“[5] genannt. Aber auch diese herrschaftlich-obrigkeitlichen Amtsträger erscheinen hier in erster Linie als Stellvertreter des Herrn, der sie eingesetzt hat, um vor Ort an seiner Stelle Rechte zu wahren und auszuüben.[6] Im Staatsdenken der Frühen Neuzeit ist demgemäß nicht die Unterscheidung zwischen Gesetzgebung, gesetzesvollziehender Verwaltung und Justiz, sondern diejenige zwischen „Policey“ und Justiz maßgebend.

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      Differenzierung von Justiz und Policey

      Seit dem Beginn der Neuzeit lässt sich dann im zeitgenössischen Schrifttum eine erste funktionale Differenzierung zwischen Rechtsprechung einerseits und einer neuen Funktion andererseits beobachten, die mit dem am Ausgang des Mittelalters auftauchenden Ausdruck „Policey“ bezeichnet wird.[7] Die Dichotomie von „Justiz und Policey“, wie sie seit dem Beginn der Neuzeit begegnet, indiziert die allmähliche Erweiterung der Staatsfunktionen seit dem Ausgang des Mittelalters. „Policey“ bezeichnet das gesamte Tätigkeits- und Funktionsareal des frühneuzeitlichen Staates außerhalb der Justiz und der Schutzleistung. Im Wort „Policey“ – eine Verballhornung des lateinischen politia – waren also diejenigen Funktionen angesprochen, die man in moderner Ausdrucksweise mit den Begriffen „Gesetzgebung und Verwaltung“ bezeichnen würde. Freilich hatte die Dichotomie von Justiz und Policey – häufig wird an Stelle der letzteren das Synonym „Regierung“ verwendet – noch nichts zu tun mit der Idee einer „Gewaltenteilung“ im modernen Sinne zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz gegenüber der Politik. Denn die Policey blieb in der ganzen Frühen Neuzeit auf das engste verbunden mit strafgerichtlichen Funktionen, sichtbar vor allem in der Institution der „Policeystrafen“, die nur schwer von den Kriminalstrafen abzugrenzen waren.[8]

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      Policey als Ordnungsfunktion

      Die Policey hat sich also nicht von einer zuvor ungeteilt und einheitlich gedachten Staatsgewalt abgespalten, sondern sie trat zu den ältesten Funktionen staatlicher Herrschaft, der Jurisdiktion und der Schutzleistung, hinzu. Denn seit Beginn der Neuzeit unternahmen die entstehenden Territorien in sich ständig intensivierendem Maße den Versuch, bestimmte politische Ordnungszustände mittels einer entsprechenden Gesetzgebung zu implementieren. In jeder Gesellschaft kursieren bestimmte Vorstellungen und Leitbilder davon, wie das Gemeinwesen eigentlich geordnet und strukturiert sein müsse. Seitdem im politischen Denken die Vorstellung präsent war, dass sich dem Gemeinwesen bestimmte Ordnungszustände aufprägen lassen, sich also das Gegebene in die Richtung eines bislang nur vorgestellten Ordnungszustandes verändern lasse, war es die Gesetzgebung, die dabei das entscheidende Handlungs- und Steuerungsinstrument abgab. Es handelte sich um eine Form der Gesetzgebung, die sich nicht mehr mit der bloßen schriftlichen Fixierung eines rechtlichen Status quo begnügte, sondern daneben durch Implementierung neuer Normen solche Ordnungsdefizite, die sich mit den politischen Leitvorstellungen als unvereinbar erwiesen hatten, zu beheben suchte.[9] In der Metaphorik der mittelalterlichen Politikliteratur war sie das Ruder, das den rex nauta zum Steuern der als Schiff gedachten politischen Gemeinschaft befähigt.[10]

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      Ordnung durch Normgebung und Normdurchsetzung

      Demgemäß begann sich der frühe Territorialstaat des 16. Jahrhundert immer stärker auf dem Felde der Gesetzgebung zu engagieren.[11] Herrschaft erschöpfte sich hinfort nicht mehr in der Rechtsprechung und der Schutzleistung als den älteren, mittelalterlichen Funktionen weltlicher Herrschaftsübung.[12] Vielmehr war es nunmehr die Gesetzgebung, die sich mit Beginn der Neuzeit auch von der Warte des fürstlichen Selbstverständnisses aus zum entscheidenden Funktionsmerkmal landesfürstlicher Herrschaft entwickelte.[13] Damit stellte sich dem Staat aber auch die Aufgabe, die von ihm erzeugten Normen gegen die in der Gesellschaft faktisch vorzufindenden Abläufe durchzusetzen. Normdurchbrechungen mussten dabei so konsequent und häufig geahndet werden, dass die zu implementierenden staatlichen Normen die Chance der Befolgung hatten. „Regierung“ bzw. „Policey“ bestand zu Beginn der Neuzeit – soweit es sich nicht um bloße Ausübung der tradierten Herrschaftskompetenzen wie Schutzleistung und Steuereintreibung handelte – zu großen Teilen aus dem Erlass solcher ordnungsstiftenden Normen und dem Versuch ihrer Durchsetzung durch eine möglichst effektive Sanktionierung von Normverstößen.[14]

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      Policey und moderner Verwaltungsbegriff

      Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschwand dann der Begriff der „Policey“. Er passte nicht mehr in den Kontext eines konstitutionellen Staatsverständnisses. Nunmehr schichtet sich die Regelungsfunktion durch Gesetzgebung ab, die zuvor in der „Policey“ eingeschlossen war. Bei der Gesetzgebung sollten die fortan auf den Plan tretenden Parlamente zumindest ein Mitspracherecht haben. Als „Gesetzgebung“ lässt sich also derjenige Teil der Policey bezeichnen, der bei der Durchsetzung des konstitutionellen Staatskonzepts im 19. Jahrhundert durch Einschaltung der Parlamente der alleinigen Dispositionsgewalt des Monarchen entzogen werden sollte. Das, was dann nach der Abschichtung eines Teils der Regelungsfunktion zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der Policey noch „übrig blieb“, nämlich die der parlamentarischen Gesetzgebung untergeordnete Regelungsfunktion ohne Beteiligung eines Parlaments, aber auch die sanktionierende Tätigkeit außerhalb der Kriminaljustiz („Polizeistrafen“) und schließlich alle übrigen staatlichen Aufgaben- und Tätigkeitsfelder firmieren hinfort unter dem Begriff der „Verwaltung“. Sie ist derjenige Teil der staatlichen Gewalt, der am längsten eine monarchische Domäne blieb.[15] Insofern spiegelt die auch heute noch verbreitete „Substraktionsdefinition“ der Verwaltung im Grunde recht gut den tatsächlichen historischen Vorgang allmählicher Ausdifferenzierung staatlicher „Gewalten“ wider. Im Folgenden sollen die Ziele und das Tätigkeitsprofil der vormodernen Verwaltungstätigkeit dargestellt werden. Beides unterlag im Laufe des 18. Jahrhunderts einem tiefgreifenden Wandel. Es ist daher zu unterscheiden zwischen einem älteren Policey-Verständnis (II.), wie es zu Beginn der Neuzeit entstand, und einem jüngeren, sehr stark ökonomisch ausgerichteten Verständnis von Verwaltung (III.), das im Laufe des 18. Jahrhunderts die älteren Policeykonzepte zu überlagern begann. Dies erfolgte keineswegs überall gleich stark, sondern in ganz unterschiedlicher Intensität und Konsequenz je nach Territorium; mit am konsequentesten – auch schon in der Einschätzung der Zeitgenossen[16] – in Preußen. Der Wandel des

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