Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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      Justizielles Policeyverständnis

      Der funktionale Kern der frühneuzeitlichen Policey bestand ursprünglich in der Statuierung und Durchsetzung bestimmter Ordnungszustände. Demgemäß war es die wesentliche Tätigkeit der Policey, den staatlich gesetzten Policeynormen durch möglichst dichte Verhaltenskontrolle und konsequente Sanktionierung von Normverstößen faktische Wirksamkeit zu verschaffen, um auf diese Weise das Verhalten der Herrschaftsunterworfenen in dem politisch intendierten Sinne steuern zu können. Der frühneuzeitlichen „Policey“ ist dadurch eine starke Affinität zur Strafgerichtsbarkeit eigen und in der Tat bediente sich der frühneuzeitliche Territorialstaat des 16. Jahrhunderts bei der Durchsetzung der policeylichen Normen auch weitgehend der traditionellen Institutionen der Bußenstrafgerichtsbarkeit.[17] Das Funktionsprofil weltlicher Herrschaft blieb auf diese Weise zu Beginn der Neuzeit zu großen Teilen noch justiziell bestimmt. Das zeigt sich nicht zuletzt in den von der Theorie formulierten Aufgabenbeschreibungen und Funktionsformeln für den Fürsten und seinen Beamtenstab.[18] In ihrer Arbeitsweise und ihren Zielen unterschied sich die frühneuzeitliche „Policey“ ganz deutlich vom modernen Verwaltungshandeln, bei dem die Bestrafung von Normverstößen zwar keineswegs fehlt, aber nur noch einen nachgeordneten Teilbereich ausmacht.[19]

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      „Gute Policey“

      Fasst man nun die Verwaltungsziele der Policey in der beginnenden Neuzeit ins Auge, dann begegnet zuvorderst der Topos der „guten Policey und Ordnung“ als eine Art Zielformel, in der jener Ordnungszustand auf den Nenner gebracht war, der von den älteren Policey angestrebt wurde. Der Topos von der „guten Policey und Ordnung“ war in der Gesetzgebung, wie auch in der Verwaltungs- und Regierungslehre der Frühen Neuzeit nahezu omnipräsent. Es wird allerdings kaum irgendwo Näheres dazu ausgeführt, wie der Ordnungszustand „guter Policey“ im Einzelnen auszusehen habe. Denn die ältere Politik kannte noch kein allgemein zu formulierendes Entwicklungsziel staatlichen Handelns. Der gemeinsame Nenner, unter dem sich alle obrigkeitlichen Maßnahmen abstrakt zusammenfassen ließen, war derjenige der Beseitigung eingetretener „Missbräuche“. Aus der Sicht der politischen Ordnungsvorstellungen dieser Zeit reichte hierbei aus, die störenden Missbräuche durch möglichst konsequent durchgesetzte Verbote zu eliminieren und die ursprüngliche, fehlerfreie Ordnung würde sich wieder einstellen. Insofern kann man dieses politische Ordnungsverständnis durchaus als „statisch“[20] bezeichnen, denn sein perspektivischer Fluchtpunkt war ein im Kern immer gleichbleibender Ausgangszustand. Die politischen Handlungsperspektiven waren daher auch im 16. Jahrhundert noch „nach rückwärts“ in die Vergangenheit gerichtet; sie hatten den noch besser geordneten Vorzustand im Blick, den sie wiederherstellen wollten. Dieser schien aus zeitgenössischer Sicht erreicht, wenn die störenden Veränderungen rückgängig gemacht worden waren, sodass der Vorzustand wieder in Erscheinung treten konnte.

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      Wiederherstellung der ursprünglichen Ordnung

      Daraus ergibt sich die Grundstruktur der administrativen Handlungsprojektionen, wie sie noch den Regimentstraktaten des 16. Jahrhunderts zugrunde liegen: Da das politische System schon zum Zeitpunkt seiner Entstehung nicht mehr verbesserungsfähig schien, sondern im Gegenteil als eine Schöpfung Gottes bereits ein Höchstmaß an innerer Stimmigkeit, Harmonie der Einzelteile und Funktionsgerechtigkeit aufwies, musste jede Veränderung seiner Eigenschaften zu einer Verschlechterung führen. Das politisch-administrative Ziel bestand somit darin, die überlieferte Sozial- und Wirtschaftsordnung zu stabilisieren, indem man sie von allen Veränderungen, die die überlieferte Ordnung störten, abzuschirmen suchte.[21] „Missbrauch“ und „Unordnung“ waren die im 16. Jahrhundert typischerweise verwendeten Ausdrücke für solche Störungen, welche die ursprünglich gute Ordnung in Unordnung brachten. Sie standen im Mittelpunkt der Policeyordnungen, die mit dem Verbot aller „Missbräuche“ das Gleichgewicht der ursprünglichen Ordnung wiederherstellen wollten;[22] die Policeyordnungen bieten daher geradezu ein Panoptikum der innenpolitischen und administrativen Problemlagen.[23]

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      Moralische Ordnung

      Es ist allerdings deutlich zu erkennen, dass der Religionspolicey im „konfessionellen Zeitalter“ der beginnenden Neuzeit ein besonderer Stellenwert zukam. Es war ohne Zweifel das Feld der sittlich-mentalen Formung der Untertanen einschließlich der hierfür erforderlichen Institutionen der Seelsorge, der Sittenzucht und der Bildung, auf dem die Verwaltungslehre der beginnenden Neuzeit die steuernde Ordnungstätigkeit des Staates in Gestalt von Normgebung und Sanktionierung am nachdrücklichsten eingefordert hat.[24] Es war augenscheinlich dieser Punkt, der den Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts in besonderer Weise unter den Nägeln brannte: Die Bemühungen der Kirche, die Gesellschaft mit den kirchlich-religiösen Geboten und Moralnormen zu durchdringen und die Menschen zur konsequenten Befolgung der christlichen Gebote und einem moralischen Lebenswandel anzuhalten, erschienen den Zeitgenossen vielfach wirkungslos. Demgemäß hielt man seit dem Beginn der Neuzeit vor allem auch staatliche Anstrengungen in diese Richtung für erforderlich. In der Tat trat der Staat seit Beginn der Neuzeit mit dem Bemühen auf den Plan, den Glauben und die Moral, ja das ganze religiöse und sittliche Verhalten der Untertanen, zum Gegenstand der „Policey“ und damit auch zum Gegenstand der Gesetzgebung zu machen. Schwören und Fluchen, gotteslästerliches Reden und die Missachtung der Feiertagsheiligung durch Arbeiten und bedenkliche Vergnügungen, regelmäßiger und pünktlicher Gottesdienstbesuch, die religiöse Kindererziehung – all dies wurde nun, um nur einige Regelungsbereiche zu nennen,[25] auch zum Gegenstand staatlicher Normgebung und Sanktionierung.[26] Besonders ausgeprägt war dies naheliegenderweise in den protestantischen Territorien der Fall, aber das Grundmuster war auch in den katholischen Territorien anzutreffen, nämlich die partielle Verstaatlichung der Religionssorge und die Tendenz, die Kirche einer staatlichen Oberaufsicht zu unterstellen. Diese neue Aufgabe war nur noch mit Hilfe eines ausgebauten institutionellen Apparates zu erfüllen. Denn Seelsorge und Schulwesen, Frömmigkeit und Bildung der Untertanen waren allein mit dem herkömmlichen policeylichen Handlungsinstrumentarium – Normgebung und Sanktionierung – nicht zu leisten. Dies war nur erreichbar mit einem Minimum an institutioneller Struktur, mit deren Hilfe sich „Leistungen“ erbringen ließen: Gottesdienst, Seelsorge, religiöser Unterricht, Erziehung und Lehre. In der Tat kam es zu Beginn der Neuzeit – jedenfalls außerhalb der fürstlichen Kammerverwaltung[27] – zu einer ersten Differenzierung des Behördenapparates: Damals entstand ein neuer Behördenzweig, der speziell für die Überwachung der Seelsorge- und Bildungsinstitutionen des Territoriums zuständig war.[28]

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      Wandel des Verwaltungsverständnisses

      Bis in das 18. Jahrhundert hinein zeigt die Verwaltung in den deutschen Territorien jenes stark justizielle Gepräge. Im Laufe des 18. Jahrhunderts bekam sie dann allerdings einen deutlich veränderten Grundzug. Die Registrierung und Ahndung von Normverstößen rückten nun gegenüber anderen Funktionen deutlich an den Rand. Stattdessen schob sich das Element der Planung und der ökonomischen Entwicklung des Landes in den Vordergrund. Dies war allerdings keineswegs in allen Territorien des Reiches gleichermaßen der Fall, aber in einigen Staaten ist ein tiefgreifender Wandel zu verzeichnen – besonders dezidiert in Brandenburg-Preußen. In anderen Territorien verblieb es hingegen – in ganz unterschiedlichen Abstufungen – beim traditionellen Policeyverständnis.

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      „Status“ als neuer Schlüsselbegriff

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