Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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Territorien des 18. Jahrhunderts zu beobachten – die kurkölnische Kammer machte hier keine Ausnahme. Der Grundtendenz nach versuchte sie, sich in die Position einer Policeybehörde zu drängen und den Hofrat auf die Justizsachen zu verweisen. So begann die Hofkammer beispielsweise damit, das Gesetzgebungsmonopol des Hofrates aufzubrechen, indem sie selbst unter Umgehung des Hofrates Befehle und Mandate erließ, ohne solche Maßnahmen mit dem Rat abzusprechen oder zu koordinieren. Daraus erwuchs ein Dauerkonflikt mit dem Hofrat, der nicht bereit war, sich seine tradierten policeylichen Kompetenzen und Zuständigkeiten von der Hofkammer entwinden zu lassen.[95] Hintergrund solcher für die Verwaltungsgeschichte der deutschen Territorien typischen Konflikte waren die üblichen Auseinandersetzungen zwischen Landesfürst und Ständen. Die Kammern verstanden sich dabei ihrem Selbstverständnis nach häufig als die Interessenvertretung des Fürsten; die Kammern suchten demgemäß den Einfluss des nicht selten von den Ständen dominierten Rates zurückzudrängen. In den meisten Territorien, zumal in denjenigen unter geistlicher Landesherrschaft, waren diese Versuche aber insgesamt betrachtet wenig aussichtsreich; auch in Kurköln blieben sie ohne weiterreichende Konsequenzen. Denn in der Regel blieben die Landstände stark genug, um sich einer grundlegenden Umgestaltung des administrativen Institutionengefüges und der Kompetenzverteilung zugunsten der fürstlichen Kammerverwaltung entgegenzustemmen.

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      Wandel des Verwaltungsverständnisses in den Dienstordnungen

      Der Wandel des Verwaltungsverständnisses lässt sich nicht zuletzt auch an den Anforderungs- und Pflichtenkatalogen der frühneuzeitlichen Beamtenschaft erkennen: In den zahlreichen Dienstordnungen für die traditionelle staatliche Spitzenbehörde, den Hofrat, und die ihm nachgeordneten Beamten, dominieren nach wie vor die justiziellen Funktionen.[96] Vergleicht man das Funktionsprofil und die Aufgabenkataloge des neu entstandenen, stärker ökonomisch orientierten Behördenzuges mit denjenigen einer älteren Verwaltungsinstitution, wie etwa des Amtmanns,[97] so sieht man, wie die Kontrolle, Erfassung und Sanktionierung von Normverstößen, vormals die entscheidende policeyliche Funktion, immer stärker zurücktritt. Stattdessen treten nun Tätigkeitsformen der Verwaltung auf, wie sie auch für das moderne Verwaltungshandeln typisch sind. In Veit Ludwig von Seckendorffs „Fürstenstaat“[98] etwa, einem in der Praxis vor allem der kleineren Territorien noch im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Handbuch für Regierung und Verwaltung, werden die typischen Pflichten und Aufgaben eines Amtmannes aufgeführt, wie sie in keiner Bestallungsurkunde fehlen durften. Das Buch beinhaltet ein Muster für die Ausstellung einer solchen Urkunde, in dem die Aufgaben eines Amtmannes zunächst in geraffter Form aufgezählt werden. Danach bestehen die Hauptpflichten eines Amtmanns darin,

- die „Landesfürstliche Hoheit und deren anhängige Regalien unverruckt und unbeeinträchtigt“ zu erhalten,
- „Gerechtigkeit und gute Policey denen Rechten und Ordnungen gemäß“ handzuhaben,
- darauf zu achten, dass den landesfürstlichen „Gerechtsamen und Kammereinkünften kein Eintrag wiederfahre“ und schließlich
- die ihm unterstellten „Diener“ zu „gebührlichem Fleiß und Abwartung ihres Dienstes mittelst seiner Aufsicht“ anzuhalten.[99]

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      Stellvertreterfunktion und justizielle Funktion

      Als erste Pflicht des Amtmannes erscheint hier also diejenige Aufgabe, die den alten Kern der Amtmannfunktion ausgemacht hat – eine Funktion, die sich am ehesten mit dem Wort „Stellvertreterfunktion“ umschreiben lässt.[100] Es ist die Aufgabe, die landesfürstlichen Herrschaftsrechte vor Ort auszuüben, sie durch kontinuierliche Handhabung vor allmählichem Vergessen und normativer Auszehrung zu bewahren und ihre Schmälerung durch andere Herrschaftsträger oder seitens der Untertanen abzuwehren. Im weiteren Verlauf des Bestallungsformulars werden diese vom Amtmann handzuhabenden landesfürstlichen Herrschaftsrechte im Einzelnen aufgezählt: Kennzeichnenderweise ist es die Gerichtsbarkeit, die hier an erster Stelle rangiert. Es folgt das wichtigste territorialherrschaftliche Abgabenrecht, die Besteuerung; schließlich das eng damit verknüpfte Aufgebotsrecht.[101] Überall geht es hier um die Wahrung der landesfürstlichen Herrschaftsrechte durch deren Geltendmachung und Ausübung. Daran schließt sich die Handhabung von „Gerechtigkeit und guter Policey denen Rechten und Ordnungen gemäß“ an; Rechtspflege und Policey gehen hier fließend ineinander über. Sieben der insgesamt zehn Einzelpunkte zur Handhabung von „Gerechtigkeit und guter Policey“ haben jurisdiktionelle Funktionen zum Inhalt; die restlichen drei Pflichtenpunkte bestehen in der Friedenssicherung und Verbrechensbekämpfung durch „Wacht und Aufsicht“, im Musterungswesen und schließlich in der Unterstützung der kirchlichen Organe bei der Kirchen- und Schulaufsicht. Alle übrigen Aufgaben, denen sich der Amtmann im Bereich von Justiz und Policey zu unterziehen hat, liegen in der Normdurchsetzung durch Strafrechtspflege und in der Zivilrechtsprechung. Zu diesem Zweck bediente er sich in erster Linie der traditionellen Institution der Gemeinde- und Gerichtszusammenkünfte, wo die geltenden Normen durch Verlesung in Erinnerung gehalten, vorgefallene Normübertretungen gerügt, zur Abstrafung verzeichnet und eventuell gleich geahndet wurden. „Verwaltung“, wie sie der Amtmann typischerweise betrieb, besteht hier also ganz wesentlich aus rechtsprechender und sanktionierender Tätigkeit.[102] Ökonomische oder wirtschaftspolitische Pflichtenstellungen fehlen demgegenüber fast gänzlich.

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      Neues Funktionsprofil

      In stärkstem Gegensatz hierzu stellt sich der Aufgabenkatalog in den Dienstordnungen der neuen Unterbehörden dar, etwa der preußischen Kriegs- und Domänenkammern: Kontrolle, Erfassung und Sanktionierung von Normverstößen machen hier nur noch eine allenfalls gleichrangige Aufgabe neben anderen aus. Daneben treten Tätigkeitsformen, wie sie auch dem modernen Verwaltungshandeln auf weite Strecken inhärent sind und sich mit folgenden Stichworten umschreiben lassen: Statistische Erfassung und Vermessung der sozialen und ökonomischen Gegebenheiten des Gemeinwesens (I.), Planung und bewusste Weiterentwicklung der ökonomischen Strukturen (II.) und schließlich: Leistungsverwaltung (III.).

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      Statistik

      Die genaue Beobachtung und statistische Beschreibung, insbesondere der wirtschaftlichen Gegebenheiten des Kammerbezirkes, und die regelmäßige, schnelle und umfassende Berichterstattung an die Zentrale werden den Kammern hier mit auffallendem Nachdruck zur Pflicht gemacht.[103] Immer wieder werden sie zur sorgfältigen Recherche und Berichterstattung über alle, vor allem ökonomisch relevanten Vorgänge im Lande ermahnt. Die Beamten sollen die Städte des Amtssprengels möglichst intensiv bereisen, um sich ein genaues Bild der Verhältnisse dort machen zu können. An vorderster Stelle rangiert also die möglichst genaue Beobachtung und Erfassung des ökonomischen Zustandes der Städte, um der Regierung ein exaktes Bild von den Verhältnissen im Lande vermitteln zu können. Die Statistik wird dadurch zu einem wichtigen Element der „Guten Policey“: In den Zahlenwerken der verschiedenen Statistiken sind die ökonomische Verfassung des Landes, seine Wirtschaftskraft und die Quellen seines Reichtums festgehalten. Sie geben der Regierung ein Wissen in die Hand, mit dem sich die Wirtschaftskraft des Landes steigern lässt. Deshalb hat die Statistik auch in der Policeywissenschaft des 18. Jahrhunderts eine außerordentlich wichtige Rolle gespielt.[104] Über die exakte Schilderung der anzutreffenden Verhältnisse hinaus wurden von den Kammern aber auch eine Analyse

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