Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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dass dort, wo das Gesetz dem Träger der Fürsorge zugunsten des Bedürftigen Pflichten auferlege, der Bedürftige entsprechende Rechte habe und daher gegen ihre Verletzung den Schutz der Verwaltungsgerichte anrufen könne.[68] Auf derselben Linie lag es, dass schon in den 1950er Jahren anerkannt war, dass sich ein Anspruch auf Erteilung einer berufszulassenden (ggf. gewerberechtlichen) Genehmigung jedenfalls aus Art. 12 Abs. 1 GG auch dann ergibt, wenn – wie im Gewerberecht üblich – das Gesetz lediglich die Gründe für eine Genehmigungsversagung aufführt, jedoch keinen expliziten Genehmigungsanspruch gewährt.[69] Revolutionär war auch das Urteil des BVerwG vom 18.8.1960, das erstmals einen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten aus den Grundrechten herleitete und damit auch die Grundlage für die Bewältigung der Probleme mehrpoliger Verwaltungsrechtsverhältnisse legte.[70] Die praktische Relevanz der „Subjektivierung“ des Subventionsrechts durch die Rechtsprechung des BVerwG zu dem aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleiteten Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung ist ebenfalls erheblich: Sie führte zu Ansprüchen auf Gleichbehandlung nach den Vorgaben zuvor festzulegender Zuwendungsrichtlinien, obwohl aus der bloßen Bereitstellung von Fördermitteln im Haushaltsplan für sich allein keine Rechte der Subventionsempfänger folgen.[71]

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      Neuausrichtung des Verwaltungsrechts der Bundesrepublik

      Die unmittelbar anwendbaren und nach Art. 19 Abs. 4 GG „garantiert“ gerichtlich durchsetzbaren Grundrechte des Grundgesetzes setzten den Rahmen für die spätere Verwaltungsrechtsentwicklung der Bundesrepublik in einer Weise, die sich als umfassende Neuausrichtung des deutschen Verwaltungsrechts verstehen lässt. Es wurden bestehende verwaltungsrechtsdogmatische Institute (erheblich) umstrukturiert und neue Institute an das überkommene Verwaltungsrechtssystem auf- und angebaut, insbesondere neue Rechte des Bürgers gegenüber der Verwaltung anerkannt bzw. aus den unmittelbar geltenden Grundrechten (Art. 1 Abs. 3 GG) hergeleitet.[72] Dies alles baute jedoch auf den bereits vor 1933 anerkannten Instituten des Verwaltungsrechts auf. Entsprechendes gilt für die nach 1949 entwickelten Rechtsstaatsanforderungen sowie die Vorgaben für die demokratische Legitimation der Verwaltungstätigkeit. Wenn etwa der Vorbehalt des Gesetzes zunehmend ausgeweitet und verdichtet wurde, so geschah dies zwar zur Stärkung der demokratischen Legitimation der Verwaltung,[73] änderte aber nichts daran, dass der Vorbehalt des Gesetzes als „Rechtsfigur“ nach wie vor als „klassisches Produkt“ der konstitutionellen Monarchie erkennbar ist. Damit stammen wichtige Eckpfeiler des aktuellen deutschen Verwaltungsrechts auch aus der Zeit der konstitutionellen Monarchie und des „obrigkeitsstaatlichen“ Denkens.[74] Diese Eckpfeiler tragen aber das heutige Gebäude immer noch erstaunlich sicher, sodass sie mangels tragfähiger Alternativen nicht vorschnell als obsolet gekennzeichnet werden sollten.[75] Öffentlich-rechtliche Institute können einen Funktionswandel erleben, der ihre Brauchbarkeit auch bei einem verfassungsrechtlichen Systemwechsel nicht in Frage stellt.[76] Von einer „veritablen Neugründung“ des deutschen Verwaltungsrechts nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zu sprechen,[77] ist daher nur dann zutreffend, wenn dieses Bild so verstanden wird, dass das bestehende Verwaltungsrecht auf das neue Fundament des Grundgesetzes „umgesetzt“ wurde.

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      Systementscheidung für den subjektiven Rechtsschutz

      Nicht zu verkennen ist jedoch auch, dass die angesprochene „Subjektivierung des Verwaltungsrechts“ durch die Art. 19 Abs. 4 GG entnommene „Systementscheidung für den subjektiven Rechtsschutz“[78] schon in den Anfangsjahren der Bundesrepublik zu einer starken Rechtsschutzzentrierung der Verwaltungsrechtswissenschaft führte: Das Verwaltungsrecht wurde „aus einem primär an die Verwaltung gerichteten exekutiv (und gubernativ) orientierten Recht (Recht der Verwaltung) zu einem individual- und zugleich gerichtsorientierten Recht“[79] und damit (auch) zu einer „Verwaltungsgerichtswissenschaft“.[80] Das Verwaltungsrecht wurde immer mehr auf das reduziert, was der Einzelne gerichtlich durchsetzen kann. Damit trat nicht nur das gestaltende Element jeder Verwaltungstätigkeit in den Hintergrund, obwohl gerade dieses Schwerpunkt der Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze ist, die letztlich ein „Entscheidungsfindungsprogramm“ aufstellen.[81] Auch der objektive Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung scheint jedenfalls in der Wahrnehmung der Verwaltungsrechtswissenschaft ebenso an Bedeutung zu verlieren wie die zu seiner Sicherung existierenden Instrumente der Rechtsaufsicht,[82] des öffentlichen Dienstrechts (insbesondere des Remonstrationsrechts) und letztlich auch des Strafrechts. Bis heute wird vielfach eine Rechtsbindung der Verwaltung nur noch dort als gewährleistet angesehen, wo sie gerichtlich durchgesetzt werden kann. Nicht immer mitgedacht wird, dass subjektiv-öffentliche Rechte unabhängig von ihrer (drohenden) Durchsetzung durch den Rechtsinhaber Bestandteil des objektiven Rechts und daher – wie das objektive Recht schlechthin – von der Verwaltung von Amts wegen zu beachten sind.[83]

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      Begriff der „vollziehenden Gewalt“ und der „öffentlichen Gewalt“ im Grundgesetz

      In der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes verwendeten (nur) Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG den Begriff „vollziehende Gewalt“. Hiermit ist im Grundsatz jedes Staatshandeln gemeint, das nicht Gesetzgebung und Rechtsprechung ist.[84] Erst durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 19.3.1956[85] (Wehrverfassung) ist dieser Begriff auch für Art. 1 Abs. 3 GG übernommen worden. Die Ersetzung des bisher von Art. 1 Abs. 3 GG verwendeten Begriffs „Verwaltung“ durch den Begriff der „vollziehenden Gewalt“ sollte klarstellen, dass auch die neu geschaffene Bundeswehr an die Grundrechte gebunden ist.[86] Den Begriff „öffentliche Gewalt“ verwendet das Grundgesetz in seiner ursprünglichen Fassung dagegen ausschließlich in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.[87] Warum hier – in Abweichung zu Art. 138 Abs. 1 HChE, der von „Anordnung oder Untätigkeit einer Verwaltungsbehörde“ sprach[88] – der Begriff „öffentliche Gewalt“ gewählt worden war, lässt sich den Materialien nicht entnehmen.[89]

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      Staatshaftungsrechtliche Wurzeln des Begriffs „öffentliche Gewalt“

      Vermutlich ist mit der Wahl des Begriffs „öffentliche Gewalt“ bei Art. 19 Abs. 4 GG jedoch (bewusst oder unbewusst) an den Wortlaut des Art. 131 Abs. 1 S. 1 WRV („Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt […]“) angeknüpft worden. Art. 131 Abs. 1 WRV hatte diesen Begriff von Art. 77 EGBGB, dem preußischen Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für die Amtspflichtverletzungen bei Ausübung der öffentlichen Gewalt vom 1.8.1909[90] und dem Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22.5.1910[91] übernommen.[92] Es handelte sich also um einen „gut eingeführten“, der damaligen Rechtsprechung und Literatur geläufigen Begriff. Der Annahme, dass Art. 19 Abs. 4 GG in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 131 Abs. 1 WRV formuliert wurde, steht nicht entgehen, dass bei Art. 34 S. 1 GG der Begriff der „öffentlichen Gewalt“ gerade nicht mehr verwendet, sondern durch die Worte „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ ersetzt worden ist. Die Verwendung der Worte „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ sollte bei Art. 34 GG vor allem klarstellen, dass die Staatshaftung nicht nur bei „Befehl und Zwang“, sondern auch bei „Ausübung staatlicher Fürsorge“ eingreifen könne,[93] wie dies das Reichsgericht schon 1928 in Auslegung des Art. 131 Abs. 1 S. 1 WRV angenommen hatte.[94] Zudem sollte mit dieser neuen Formulierung zum Ausdruck zu kommen, dass auch die Ausführung rein tatsächlicher Verrichtungen (schlichthoheitliche Verwaltung) die Haftung nach Art. 34 S. 1 GG auslösen kann, selbst wenn diesen Verrichtungen isoliert betrachtet kein spezifisch hoheitsrechtlicher Charakter anhaftet.[95] Die unterschiedlichen Formulierungen in Art. 34 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sollten dagegen nicht dazu dienen, die Anwendungsbereiche dieser Garantien unterschiedlich zu bestimmen. Die Beratungen zu Art. 34 GG waren mit denen zu Art. 19 Abs. 4 GG nicht abgestimmt[96] und verliefen ungeordnet.[97] Später sind jedenfalls die „Weiterungen“, die das Reichsgericht

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