Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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Tradition ermöglichten und ermöglichen eine „Selbstgenügsamkeit“ der Praxis im und der Wissenschaft vom Steuer- und Sozialrecht. So haben sich eigenständige Rechtsprechungen und Diskurse entwickelt, die nur schwer mit den Entwicklungen im „sonstigen“ Verwaltungsrecht angeglichen werden können. Hierfür wurde oft auch kein Bedürfnis gesehen. Heute ist eher von einem wechselseitigen Lernen zwischen den Rechtsgebieten die Rede als davon, dass es sich beim Steuer- und Sozialrecht um („normales“) besonderes Verwaltungsrecht handelt.[152]

      29

      Verwaltungsrecht und Strafrechtspflege

      Für die Abgrenzung des Verwaltungsrechts zum Strafrecht[153] ist weniger die Zuweisung der eigentlichen Strafsachen zu den ordentlichen Gerichten von Bedeutung als die damit verbundene Einbeziehung auch der Tätigkeit der Strafverfolgungs– und Strafvollzugsbehörden in den Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Gerichte nach den §§ 94 ff. StPO, § 68 OWiG, §§ 23 ff. EGGVG und §§ 109 ff. StVollzG. Praktisch hat dies zur Folge, dass „Verwaltungssanktionen“ (insbesondere das Ordnungswidrigkeitenrecht) in Deutschland nicht wirklich zum Kanon der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen gezählt werden.[154] Auch ist der „Justizverwaltungsakt“ i. S. des § 23 EGGVG kaum Untersuchungsgegenstand der Verwaltungsrechtswissenschaft.[155] Insgesamt zeichnet sich dieser gesamte Bereich dadurch aus, dass rechtsstaatliche und prozessuale Sicherungen, die mittlerweile im Bereich des „allgemeinen“ Verwaltungsrechts selbstverständlich sind, i. d. R. nur zeitlich versetzt übernommen werden und ein echter intradisziplinärer Diskurs allenfalls selten stattfindet.[156] § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, der den Bereich der Strafrechtspflege generell aus dem Anwendungsbereich des VwVfG herausnimmt und damit letztlich auf die besonderen Verfahrensregelungen der StPO und des OWiG verweist, verstärkt diesen Effekt noch.[157] Dies ist bedauerlich: Die für die Rechtswegfrage bedeutsame Trennung zwischen repressiver und präventiver polizeilicher Tätigkeit erscheint sachlich nicht durchgehend begründet, wie sich in den Unklarheiten hinsichtlich der Gesetzgebungszuständigkeit zur Regelung polizeilicher Maßnahmen zeigt, die beiden Zwecken dienen.[158]

      30

      Verwaltungsrecht und Zivilrechtspflege

      Entsprechendes gilt für die Justizverwaltung im Zivilrecht, deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG nur in den Anwendungsbereich des VwVfG fällt, soweit ihre Kontrolle den Verwaltungsgerichten unterliegt. Damit werden auch hier mit der Figur des Justizverwaltungsakts (§ 23 EGGVG) viele „an sich“ verwaltende Tätigkeiten der Justiz aus der verwaltungsrechtlichen Perspektive ausgeblendet. Von größerer Bedeutung ist jedoch, dass die „Verwaltungsgerichtszentriertheit“ der Verwaltungswissenschaft auch dazu führt, dass solche Bereiche des Verwaltungshandelns aus ihrem Blick geraten, für die aufgrund der Generalklausel des § 13 GVG oder kraft abdrängender Sonderzuweisung[159] die Zivilgerichte zuständig sind.[160] Insoweit wurde bereits darauf hingewiesen, welche Auswirkungen dies (wegen Art. 34 S. 3 GG) für das Staatshaftungsrecht[161] und für das Verwaltungshandeln in Privatrechtsform[162] hat. Zu betonen ist aber auch, dass so wichtige „Referenzgebiete“ für das allgemeine Verwaltungsrecht (z. B. das Enteignungsrecht, das Energierecht oder das Kartellverwaltungsrecht [§§ 54 ff. GWB]) letztlich aus dem Blick geraten.[163]

      31

      Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes

      Indirekte Auswirkungen hat die mit der Rechtswegspaltung verbundene Begrenzung der Perspektive der Verwaltungsrechtswissenschaft auf die Bereiche, die in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fallen, auch für die Durchdringung des Verwaltungsorganisations- und des öffentlichen Dienstrechts.[164] Die von Art. 33 Abs. 4 GG zugelassene Eingliederung aufgrund privatrechtlicher Arbeitsverträge tätiger Arbeitnehmer in die ansonsten vollständig öffentlich-rechtlich normierte Behördenorganisation führt zu einer wenig klaren Vermischung zwischen privatrechtlichem Individualarbeitsrecht und öffentlich-rechtlichem Verwaltungsorganisationsrecht[165] und damit auch zu unklaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen Verwaltungs- und Arbeitsgerichten. Dies zeigen deutlich die Existenz des öffentlich-rechtlichen Personalvertretungsrechts, die Tatsache, dass das Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers oftmals durch Verwaltungsvorschriften wahrgenommen wird und der Umstand, dass die Bestellung von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes zu bestimmten herausgehobenen Funktionen in der Behördenorganisation (z. B. als Behördenleiter oder zum Gleichstellungsbeauftragten) vielfach als öffentlich-rechtliche Bestellung qualifiziert wird.[166] Individualarbeitsrechtliche Sonderregelungen für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (z. B. § 19 Arbeitszeitgesetz, § 20 Arbeitsschutzgesetz, § 14 Abs. 1 Nr. 7 Teilzeit- und Befristungsgesetz) treten ebenso hinzu wie die Schwierigkeiten bei der Abstimmung zwischen der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und der Arbeitsgerichte, wenn es um die aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleiteten Ansprüche auf Einstellung und Beförderung im öffentlichen Dienst geht.[167] Dies alles wird von der Verwaltungswissenschaft kaum behandelt. Sie ist im öffentlichen Dienstrecht allein auf das Beamtenrecht fokussiert und verweist in Bezug auf die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes vornehmlich auf die geltenden Tarifverträge.[168]

      32

      Bedeutung des Landes-Verwaltungsrechts

      Nach den Art. 70 ff. GG ist die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Verwaltungsrecht die Regel, eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Ausnahme. Dies entspricht jedenfalls insoweit auch dem tatsächlichen Bild, als die Verwaltungsorganisation (einschließlich des Landeshaushaltsrechts, des Landesbeamtenrechts, des Personalvertretungsrechts und der Regelungen der Zuständigkeiten für den Vollzug der Bundesgesetze), das Kommunalrecht, das Verwaltungsverfahrensrecht und die gesetzliche Regelung solcher Aufgaben der „allgemeinen“ Verwaltung betroffen sind, die für die „normale“ Bürgerin und den „normalen“ Bürger unabhängig von den von ihnen ausgeübten Berufen von Bedeutung sind: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Bauordnungsrecht, öffentliche Straßen und lokale Infrastrukturen[169] (und die hierfür zu zahlenden Abgaben), (Hochschul-)Bildung, Kultur- und Medienrecht. Mangels unmittelbarer Zugriffsmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers auf diese Gebiete wäre es in diesen Bereichen im Grundsatz möglich gewesen, die Eigenständigkeit der Landesgesetzgebung und der Landesrechtsprechung (und damit der Eigenstaatlichkeit der Länder) dadurch zu unterstreichen, dass das gesamtstaatliche Anliegen einer „Vereinheitlichung der Rechtsprechung“ durch Bundesgerichte nicht auf die Anwendung des durch einfaches Bundesrecht nicht determinierten Landesrechts erstreckt wird.

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      Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Revisibilität von Landesrecht

      Im Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte stellte sich die Frage der Notwendigkeit einer länderübergreifenden Vereinheitlichung der Rechtsprechung zum Landesrecht durch Bundesgerichte ohnehin erstmals seit der von Art. 96 Abs. 1 GG a.F./Art. 95 Abs. 1 GG angeordneten Errichtung eines BVerwG.[170] Zuvor hatte es an einer Reichsgerichtsbarkeit gefehlt, die auf eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte der Länder (auch soweit es um die Auslegung von Reichsrecht ging) hätte hinwirken können.[171] Soweit die ordentlichen Gerichte Landes-Verwaltungsrecht anzuwenden hatten, ergab sich jedoch bereits aus der Ausweitung des revisiblen Rechts auf die Gesetze, deren „Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinauserstreckt“ (§ 511 Civilprozeßordnung i. d. F. von 1877/§ 545 ZPO i. d. F. bis zum Inkrafttreten des FGG-RG[172]), dass dem Reichsgericht die Aufgabe der Vereinheitlichung der Rechtsprechung z. B. auch in Bezug auf das preußische Recht, das gemeine Recht oder das linksrheinische Recht zukam. Hinzu trat damals schon die weitgehend das Landesrecht unitarisierende Wirkung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum Staatshaftungsrecht.[173] Dass Bundesgerichte zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung zum Landesrecht kraft bundesrechtlicher Anordnung zuständig sein konnten,

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