Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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style="font-size:15px;">      Interessanterweise zog das am 1.1.1982 in Kraft getretene und vom BVerfG bereits am 19.10.1982 für verfassungswidrig erklärte[237] Staatshaftungsgesetz (StHG) vom 26.6.1981[238] trotz seiner nur 10-monatigen Anwendung einen ganz ähnlichen Versteinerungseffekt nach sich. Die bis in die 1970er Jahre bestehende Offenheit gegenüber der Ausweitung bestehender und Schaffung neuer Staatshaftungsinstitute in der Rechtsprechung[239] (und hiermit korrespondierend im Schrifttum) ging mit zunehmender Verdichtung der Vorarbeiten zum StHG[240] immer mehr zurück. Dies mag daran liegen, dass diese Vorarbeiten wie auch der Bericht der Gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder von 1987[241] und seine spätere Behandlung[242] deutlich machten, dass die Länder durch den Bundesrat jegliche Ausweitung der Staatshaftung aber auch jegliche Vereinfachung des Staatshaftungsrechts (vor allem aus haushaltspolitischen Gründen) als ausschließliche Aufgabe des Gesetzgebers ansahen und eine Neuordnung der Staatshaftung durch Rechtsfortbildung für ausgeschlossen hielten. Dieses Argument wurde von der Rechtsprechung[243] zunehmend in der Form übernommen, dass sie sich an einer (weiteren) Fortentwicklung und Abrundung überkommener Staatshaftungsansprüche wegen eines unterstellten „Vorbehalts des Gesetzes“ (zum Schutz der Budgethoheit des Parlaments) gehindert sah. Die Literatur folgt dem vielfach: Bereits eine Fortentwicklung des Staatshaftungsrechts durch Entwicklung einer rechtswegübergreifenden kohärenten Staatshaftungsdogmatik in klarer Abgrenzung zum zivilrechtlichen Vertrags- und Deliktsrecht entlang der existierenden Anspruchsgrundlagen und ergänzt durch allgemeine Rechtsgrundsätze wird offenbar teilweise als Überschreiten einer Rechtsfortbildungsgrenze gesehen.[244] Dies ist umso erstaunlicher, als ein vergleichbarer Vorbehalt des Gesetzes z. B. gegenüber einer ebenfalls (nicht unerhebliche) Kosten verursachenden Ausweitung der aus den Grundrechten und insbesondere aus Art. 19 Abs. 4 GG hergeleiteten Garantien nie erwogen worden war. Die Annahme eines Vorbehalts des Gesetzes für eine Staatshaftungsreform mag auch der Grund für die zunächst sehr heftigen Reaktionen in der deutschen Literatur[245] gegenüber der Kreation des „gemeinschaftsrechtlichen“ Staatshaftungsanspruchs durch den EuGH in der Rechtssache Francovich[246] gewesen sein:[247] Der EuGH nahm sich eine Rechtsfortbildungskompetenz zum Schutz der durch Gemeinschaftsrechtsverletzungen Geschädigten heraus, auf die die deutsche Rechtsprechung (und Verwaltungsrechtswissenschaft) selbst in rein nationalen Fällen weitgehend verzichtet hatte.

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      BImSchG als „Grundmodell“ des deutschen Umweltschutzrechts

      Der Beginn der Entwicklung des Umweltrechts zu einem eigenständigen Rechtsgebiet fällt mit dem Erlass der Gesetze über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz – AbfG) vom 7.7.1972[248] und – mehr noch – des BImSchG vom 15.3.1974 zusammen, die durch die Ausweitung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr. 24 GG durch das 30. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12.4.1972[249] möglich wurden.[250] Bereits dieser Grundgesetzänderung lag die Vorstellung zugrunde, dass es sich beim Umweltschutz um eine eigenständige Aufgabe handelt.[251] Deutlich wird gerade dies durch die Ersetzung der §§ 16 ff. GewO a. F. durch die §§ 4 ff. BImSchG: Während ursprüngliches Regelungsziel der §§ 16 ff. GewO gewesen war, zu verhindern, dass die bundes- bzw. reichsweit eingeführte Gewerbefreiheit durch uneinheitliche und überzogene Anforderungen der Bundesstaaten/Länder für die Zulassung von Industrieanlagen unterlaufen werden konnte,[252] ist Regelungszweck des BImSchG der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Im Gegensatz zu den §§ 16 ff. GewO a. F. ist der Schutz der wirtschaftlichen Interessen damit nicht eigentlicher Regelungszweck des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, sondern wird insoweit „nur“ durch die Grundrechte des Anlagenbetreibers aus Art. 12 und 14 GG garantiert.[253] Damit exemplifizierte das BImSchG aber bereits die Regelungskonzeption des „klassischen“ deutschen Umweltrechts: Es ging (und geht) weniger um die (ggf. medienübergreifende) Verbesserung der Umweltsituation durch (ggf. gebietsbezogene) Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen, als um die Reduzierung der durch neue Vorhaben verursachten neuen Umweltbeeinträchtigungen auf ein erträgliches Maß: Neue Vorhaben sollen in einer Weise ausgestaltet werden, dass auf einzelne Umweltmedien bezogene Grenzwerte bei ihrer Errichtung und ihrem Betrieb nicht überschritten und natur- und artenschutzrechtliche Anforderungen nicht unterschritten werden. Die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens durch § 10 BImSchG i. V. m. der 9. BImSchV vom 18.2.1977[254] zeigte dies sehr deutlich.

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      Umweltschutz in Planungs- und Genehmigungsverfahren

      Damit wurden umweltschutzrechtliche Anforderungen sehr schnell vor allem als Begrenzung wirtschaftlicher Freiheiten und Kostentreiber bei privaten und öffentlichen Investitionen und damit als Investitionshemmnis und gegen Wirtschaft und Fortschritt gerichtet wahrgenommen. Das Umweltschutzrecht war aber auch ganz allgemein gegenläufig zum Konzept der Raum-, Bebauungs- und Vorhabenplanung, wie sie in Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des BBauG und des Städtebauförderungsgesetzes[255] im Zuge der sog. „Planungseuphorie“ der 1960er Jahre[256] entstanden war. Wenn räumliche Gesamt- und Fachplanung vor allem auf menschengemachte (Um-)Gestaltung des Raums gerichtet ist,[257] mussten umweltrechtliche Anforderungen für die zuständigen Planungsbehörden (und die Vorhabenträger) vor allem als Begrenzung dieses Gestaltungsspielraums, das Planungsverfahren als Verfahren zur Überwindung dieser Grenzen verstanden werden.[258] Genehmigungs- und Planungsbehörden einerseits und Umweltschutzbehörden andererseits verfolgen bei diesem Verständnis gegenläufige Ziele; Genehmigungs- und Planungsverfahren werden vor allem als Plattform für Vorhabenverhinderer und nicht als Instrument zum Ausgleich von Investitions- und Umweltbelangen, zur Konsensbildung und Legitimation der Entscheidung wahrgenommen.[259] Symptomatisch waren insoweit die atomrechtlichen Genehmigungsverfahren als reine Konfliktverfahren.

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      Vollzugsdefizit als Problem

      Vor diesem Hintergrund war dann ein Vollzugsdefizit des Umweltrechts (leicht) festzustellen und lagen seine Ursachen auf der Hand:[260] Eine „Eins-zu-Eins-Umsetzung“ des Umweltrechts war auf lokaler und regionaler Ebene in einem Umfeld, das von einem zunehmend deutlicher werdenden Wettbewerb um Investoren und Investitionen geprägt war, letztlich politisch nicht gewollt, zumindest dann nicht, wenn dies konkrete Vorhaben verhindert hätte, auf deren Verwirklichung man vor Ort angewiesen schien. Dies spiegelte sich dann in einer nur unzureichenden personellen und sachlichen Ausstattung vieler Landes-Umweltschutzbehörden, aber auch darin wider, dass der Erfolg von Planungs- und Genehmigungsverfahren nicht daran gemessen wurde, ob die Belange des Vorhabenträgers und des Umweltschutzes zu einem angemessenen Ausgleich gebracht worden waren, sondern nur daran, ob ein solches Verfahren in möglichst kurzer Zeit zu einer Zulassung des Vorhabens geführt hat. Diese Entwicklung sollte in den 1990er Jahren ihren Höhepunkt erreichen.[261] Sie zeigt sich heute in dem erbitterten Widerstand, der der Ausweitung von umweltschutzbedingten Verbandsklage– und Individualklagerechten entgegengebracht wird, weil dies den Druck zur vollständigen Beachtung der umweltschutzrechtlichen Vorgaben erhöht.[262]

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      Verwaltungsgerichtsbarkeit, Kriegsdienstverweigerungs- und Asylverfahrensrecht

      Aus Raumgründen kann hier nur darauf hingewiesen werden, dass die tägliche Praxis der (erstinstanzlichen) Verwaltungsgerichte vor allem seit Ende der 1970er Jahre von den sowohl in der Zahl wie in der Aufklärungsintensität zunehmenden Kriegsdienstverweigerungs-[263] und Asylverfahren[264] geprägt wurde. Dies blieb zwar jedenfalls in der Verwaltungsrechtswissenschaft ohne nachhaltige Resonanz, bestimmte aber in der Politik wohl das bis heute nachwirkende Bild einer (zunehmend) ineffizienten Verwaltungsgerichtsbarkeit, der durch zahlreiche Beschleunigungsgesetze und durch Abbau von Verfahrensstandards „Beine gemacht“ werden müsse.[265]

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