Öffentliche Finanzwirtschaft. Thomas Sauerland
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Öffentliche Finanzwirtschaft - Thomas Sauerland страница 9
88
Definition
Zölle sind „Abgaben, die nach Maßgabe des Zolltarifs von der Warenbewegung über die Zollgrenze erhoben werden“[24]. Sie sind, wie sich aus Art. 106 Abs. 1 GG ergibt, ein Unterfall der Steuern.
89
Unter dem Einfluss des europäischen Unionsrechts hat die Kompetenzzuweisung für die Zölle nahezu jede Bedeutung verloren. Denn mittlerweile unterliegt das Zollrecht vollständig der Rechtsetzung durch unmittelbar anwendbare Verordnungen der EU. Es bedarf damit nicht einmal mehr der Umsetzung durch die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber.
3. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes
90
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis haben sowohl der Bund als auch die Länder das Recht zur Gesetzgebung. Da aber eine gleichzeitige und sich u. U. widersprechende Regelung derselben Bereiche vermieden werden soll, haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung grundsätzlich nur, „solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat“.
Im Bereich des Steuerwesens wird die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 105 Abs. 2 GG normiert. Die Vorschrift enthält insgesamt vier Fallkonstellationen:
91
1.Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG weist dem Bund ohne weitere Voraussetzungen die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit über die Grundsteuer zu. Hintergrund der Regelung ist die Entscheidung des BVerfG vom 10. April 2018[25], mit der die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt worden war. Weil die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Neuregelung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts in der Wissenschaft nicht einheitlich beurteilt wurde, sah sich der Gesetzgeber zu einer Klarstellung veranlasst. Damit erhielt der Bund uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer.
92
2.Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Var. 1 GG bestimmt, dass der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die „übrigen Steuern“ hat, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz zusteht. Anders formuliert: Dem Bund muss die alleinige Ertragskompetenz über diese Steuern zukommen.
Beispiele
Gemäß Art. 106 Abs. 1 GG steht dem Bund das Aufkommen aus der Energiesteuer, der Stromsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, der Versicherungsteuer oder dem Solidaritätszuschlag zu. Diese Steuerarten werden auch als Bundessteuern bezeichnet.
93
3.Ferner hat der Bund gemäß Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die „übrigen Steuern“, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern z. T. zusteht.
Beispiele
Bund und Länder teilen sich das Aufkommen der sog. Gemeinschaftsteuern. Gemäß Art. 106 Abs. 3 GG handelt es sich dabei um die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer. Dem Bund steht daher insoweit eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu.
94
4.Zuletzt weist Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Var. 3 GG dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die „übrigen Steuern“ sogar dann zu, wenn ihm das Aufkommen aus diesen Steuern überhaupt nicht zusteht. Voraussetzung für eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist lediglich, dass die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen, also „die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.“
Beispiele
Gewerbesteuer; Erbschaft- und Schenkungsteuer.
95
Hinweis
Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG verlangt nicht, dass die (Mit-)Ertragshoheit des Bundes und die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG kumulativ gegeben sein müssen. Für die konkurrierende Steuergesetzgebungshoheit des Bundes genügt vielmehr eine der beiden Alternativen. Hat der Bund daher zumindest eine teilweise Ertragshoheit über eine Steuer, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich machen.
Hinsichtlich der Ertragskompetenz ist zwischen Bundessteuern, Gemeinschaftsteuern und Landessteuern zu differenzieren.
96
1.Bei den sog. Bundessteuern steht dem Bund das Aufkommen vollständig zu. Es sind dies v. a. die–Tabaksteuer,–Energiesteuer,–Stromsteuer,–Kaffeesteuer,–Schaumweinsteuer,–Kraftfahrzeugsteuer,–Versicherungsteuer und der–Solidaritätszuschlag.
Hier kann der Bundesgesetzgeber tätig werden, ohne dass die weiteren Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt sein müssen.
97
2.Gleiches gilt für die besonders aufkommensstarken Gemeinschaftsteuern, bei denen eine nur teilweise Ertragshoheit des Bundes besteht. Nach der Legaldefinition in Art. 106 Abs. 3 GG handelt es sich bei den Gemeinschaftsteuern um die–Einkommensteuer,–Körperschaftsteuer und–Umsatzsteuer.
98
3.Dagegen werden die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG bei den reinen Landessteuern relevant. Bei den Landessteuern besteht eine ausschließliche Ertragskompetenz der Länder. Zu nennen sind u. a. die–Gewerbesteuer,–Erbschaft- und Schenkungsteuer,–Grunderwerbsteuer,–Feuerschutzsteuer,–Rennwett- und Lotteriesteuer und–Biersteuer.
4. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz der Länder
99
Den Ländern steht die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die „übrigen Steuern“ im Sinne des Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG zu, solange und soweit der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Übt der Bund die ihm nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG zustehende Gesetzgebungskompetenz zunächst nicht aus, sind die Länder zur Gesetzgebung befugt. Trifft der Bundesgesetzgeber später eine gesetzliche Regelung, entfällt die Gesetzgebungsbefugnis der Länder.
100
Eine Sperrwirkung zulasten der Länder entfaltet Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG nur, soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Ob dies der Fall ist, ist der Rechtsprechung des BVerfG zufolge anhand des „Gleichartigkeitsverbots“ zu prüfen. Danach ist dem Landesgesetzgeber die Erhebung einer „gleichartigen“ Steuer untersagt. Zwischen einer bundesgesetzlich und einer landesgesetzlich geregelten Steuer besteht „Gleichartigkeit“, wenn die Landessteuer mit der Bundessteuer „im Wesentlichen“, d. h. hinsichtlich
–des