Mobilfunk kommt, der Rechtsstaat geht. Rainer Bartelt

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Mobilfunk kommt, der Rechtsstaat geht - Rainer Bartelt

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Rahmen des bestehenden Mietvertrages (Funkanlage) kann bei Bedarf für Gartenarbeiten innerhalb des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes der Standorteigentümer mit dem betreffenden Mobilfunknetzbetreiber Zeitfenster vereinbaren.“,

      wenn er selbst „keine Kenntnis über die vertraglichen Beziehungen hat“?

      Die ganze, haarsträubende Wahrheit war also: Die obere Bundesbehörde hatte sich die uns zuvor hochoffiziell mitgeteilte Widerspruchslösung ganz offensichtlich aus den Fingern gesogen! Was auch die weiteren Ausführungen ihres Rechtsvertreters zu bestätigen schienen:

      „Die Beklagte [Bundesnetzagentur] ist ausschließlich für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung des Standortes in Bezug auf die Grenzwerte der 26. BImSchV [offizielle Abkürzung für: Bundes-Immissions-Schutz-Verordnung] zuständig. Hierfür sind die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Standortbetreiber und dem Grundstückeigentümer irrelevant.“

      Damit wurde die ganze Angelegenheit nun erst recht absurd und unglaubwürdig: Woher konnte der gute Rechtsanwalt eigentlich wissen, dass in den Mietverträgen keinerlei wesentliche Aussagen über den Immissionsschutz zu finden waren, wo doch diese Verträge der von ihm vertretenen Behörde – und damit wohl auch ihm selbst – angeblich vollkommen unbekannt waren? War das jetzt eine Notlüge oder nur ein Missverständnis?

      Und: Wer sollte auf unserem Nachbargrundstück eigentlich dafür sorgen, dass zumindest das fast vollständig im Sicherheitsbereich liegende oberste Dachgeschoss des privaten Wohnheims ständig verschlossen gehalten wurde? Die Netzbetreiber etwa? Die waren doch fast nie vor Ort!

      Meine Überlegung deshalb: Wäre es nicht ausgesprochen merkwürdig, wenn nicht wenigstens die Antwort auf diese eine, ausgesprochen elementare Sicherheitsfrage in den zuvor erwähnten Mietverträgen zu finden wäre? Hatte der Rechtsanwalt der Netzagentur dem Gericht also überhaupt die Wahrheit gesagt?

      Ein Jahr später – nach dem Prozess – stellte sich diese Frage nicht mehr. Denn da ging es noch um ganz andere Widersprüche zur Sache und zur Rechtslage. Allerdings diesmal in den Aussagen des Gerichts…

      Ein selbsternannter Experte

      „Dann bist du halt der Handwerker!“

      Auskunft beim Bier

      Wie zuvor schon der Widerspruch, zog sich auch das Gerichtsverfahren schier endlos in die Länge. Erst am 6. Juni 2019, volle zwei Jahre nach Erteilung der „streitgegenständlichen“ Standortbescheinigung, fand endlich die urteilstiftende Gerichtsverhandlung statt. Merkwürdigerweise ganz und gar ohne meinen Rechtsanwalt und mich:

      Am nämlichen Tag sitze ich abends mit Freunden und Bekannten beim gemeinsamen Bier am allmonatlichen Stammtisch, als mich plötzlich einer aus der Runde – nennen wir ihn hier einfach mal „Klaus“ – anspricht und sofort meine volle Aufmerksamkeit hat:

      „Sag mal, Rainer, weißt du eigentlich, dass heute die mündliche Verhandlung deiner Klage stattgefunden hat?“

      Fast fällt mir das halbvolle Bierglas aus der Hand. Ungläubig frage ich zurück – nein, ich frage nicht, laut prustet es aus mir heraus:

      „Wie bitte!?“

      „Ja, heute Nachmittag war deine Gerichtsverhandlung: Ich bin hingegangen, weil mich das Thema interessierte.“

      Vollkommen unbewegt bringt Klaus diese für mich geradezu markerschütternde Schreckensnachricht heraus. Mir stockt sofort der Atem, und ich antworte nur mit Mühe:

      „Heute? Machst du Witze?“

      „Nein: Außer Telefónica waren alle da und haben sich sehr gewundert, wo DU eigentlich abgeblieben bist. Dein Rechtsanwalt ist übrigens auch nicht zur Verhandlung erschienen!“

      Im Nu verschwindet alles um mich herum hinter einem undurchsichtigen weißen Nebel. Nur den Klaus, der mich fragend anschaut, nehme ich noch wahr:

      „Mensch Klaus, nun sag schon, wie wurde entschieden?“

      „Ich weiß es nicht genau, aber ich denke, sie werden deine Klage wohl abweisen...“

      Mein Hirn steht so unter Volldampf, dass ich fast hören kann, wie es in meinem Kopf rumort:

      „Das darf doch überhaupt nicht wahr sein! Was ist denn mit den Funkanlagen, gegen die ich geklagt habe, und unserem Gartenbaum? Was soll ich bloß machen, wenn dieser Baum größer und größer wird und irgendwann einmal beschnitten werden muss? Mit absoluter Sicherheit wird seine Krone später einmal da angekommen sein, wo nach den eigenen Berechnungen der Netzagentur Grenzwertüberschreitungen zu erwarten sind!“

      „Macht aber nichts, wenn private Bäume in die Sicherheitsabstände hineinragen: Handwerker dürfen da ja trotzdem rein!“

      „Das Geld für Handwerker wollten wir, meine Frau und ich, uns eigentlich sparen. Ich wollte unsere Bäume gern selber pflegen – so wie ich’s bisher immer gemacht habe!“

      „Ganz klar, ist trotzdem kein Problem!“

      „Warum das? Ich darf in den Sicherheitsbereich der drei Funkanlagen von nebenan hineinklettern, obwohl der für die Allgemeinheit per Rechtsverordnung eigentlich gesperrt sein soll?“

      „Ja, so ist es: Wenn du dir ‘ne Leiter nimmst und in den Baum hinaufsteigst, dann bist du halt selbst der Handwerker! Rein rechtlich gesehen...“

      Mir fiel erneut die Kinnlade runter: Okay, der Sicherheitsbereich war für die Allgemeinheit gesperrt, nur (geschulte!) Handwerker durften da hinein. Und wenn doch einer aus der Allgemeinheit da hineingeriet, dann war er mit einem Mal ein „geschulter“ Handwerker – rein rechtlich gesehen? Was war denn das für ein kompletter Unsinn!?

      Doch Klaus hatte keinesfalls zu viel gesagt, der Original-Ton des Gerichts war um kein Stück besser:

      Das Göttinger Verwaltungsgericht

      „Aber auch dann, wenn darauf abzustellen ist, ob sich künftig Personen – z. B. im Rahmen von Baumpflegemaßnahmen – innerhalb des Sicherheitsabstandes aufhalten könnten, gehörte der Luftraum hinter der Grenze zum Grundstück des Klägers zum kontrollierbaren Bereich.“

      Aus dem Urteil 4 A 345/17 des Göttinger Verwaltungsgerichts vom 6. Juni 2019

      Endlich, gut drei Wochen nach der mündlichen Verhandlung, erhielt ich die langersehnte Kopie des Gerichtsurteils von meinem Rechtsanwalt. Als erste von insgesamt zwei Antworten auf meine Gartenbaum-Frage präsentierte mir das Gericht neben vielen anderen Aussagen zur Sache den oben zitierten Entscheidungsgrund für sein ablehnendes Urteil.

      Dummerweise weiß niemand, der die sogenannte BEMFV, die für jede bundesdeutsche Standortbescheinigung kriegsentscheidende „Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder“, nicht kennt, was um Himmels willen eigentlich dieser „kontrollierbare Bereich“ sein soll? Daher nachfolgend ein kurzer Erklärungsversuch:

      Zum

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