Mobilfunk kommt, der Rechtsstaat geht. Rainer Bartelt
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Wie kann es also möglich sein, dass die benachbarten Funkanlagen laut Gericht auch dann betrieben werden dürfen, sofern ich selbst höchstpersönlich „innerhalb des standortbezogenen Sicherheitsabstands“ Baumpflegearbeiten verrichte, oder ganz allgemein gesprochen: Falls ebenso arg- wie ahnungslose Kinder oder Jugendliche im Baum herumklettern sollten?
Um damit nur ein Beispiel zu nennen für eine heutzutage vielleicht nicht mehr ganz so übliche Gartenbaum-Nutzung, das aber nichtsdestotrotz viele Eltern beunruhigen könnte. Auch solche ohne eigenen Garten, denn Bäume, in die man als Kind oder Jugendlicher vielleicht klettern möchte, stehen fast überall herum. Wenn es sein muss, auch auf Spielplätzen und in öffentlichen Parks!
Als Begründung für seine auch auf den zweiten Blick überraschende Aussage zitiert das Göttinger Verwaltungsgericht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2010 mit dem Aktenzeichen 6 A 10813/09:
„Für den nur vorübergehenden Aufenthalt in solchen Bereichen bedürfen Personen nämlich nicht des durch die Grenzwerte der 26. BImSchV gewährleisteten, für ein regelmäßiges längeres Verweilen erforderlichen Schutzniveaus.“
Als ich diese Zitat zum ersten Mal las, dachte ich sofort: „Wow, hätte ich bloß früher gewusst, dass die Grenzwert für kurze Zeitintervalle nicht gelten – wahrscheinlich hätte ich dann von vornherein auf eine Klage verzichtet!“, und ärgerte mich über mich selbst. Denn die relativ überschaubare Mühe, die vom OVG Rheinland-Pfalz zitierte 26. BImSchV vor dem Prozess zu studieren, hatte ich mir leichtfertigerweise erspart. Wohl im grenzenlosen Vertrauen auf die ebenso tiefgehenden wie lückenlosen Rechtskenntnisse meines ausgesprochen jung-dynamischen Rechtsanwalts. Mit einem Mal erschien mir diese Annahme möglicherweise eine ziemlich fatale Fehleinschätzung gewesen zu sein!
Was ich damals allerdings noch nicht wusste, war, dass nicht nur ich, sondern ebenfalls auch das Göttinger Verwaltungsgericht den genauen Wortlaut dieser für den Ausgang unseres Verfahrens nicht ganz unwesentlichen Immissionsschutzverordnung überhaupt nicht kannte. So war meine Verwunderung nicht gering, als ich bemerkte, dass sich das im Urteil zitierte OVG kurz darauf selbst widersprach:
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
„Sollte dies der Fall sein, hätten die Kläger die Möglichkeit, die vorübergehende Unterbrechung des Anlagenbetriebs ungeachtet der bestehenden Standortbescheinigung herbeizuführen.“
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 16. März 2010 (Aktenzeichen laut VG Göttingen: 6 A 10813/09)
Merkwürdig oder nicht? Gerade eben erst hat das OVG behauptet:
„Für den nur vorübergehenden Aufenthalt in solchen Bereichen bedürfen Personen nämlich nicht des durch die Grenzwerte der 26. BImSchV gewährleisteten, für ein regelmäßiges längeres Verweilen erforderlichen Schutzniveaus.“
Nun erklärt dasselbe Gericht: Lieber Anwohner, falls du keine Lust verspüren solltest, in starker, über den gesetzlichen Grenzwerten liegender Funkstrahlung deine Arbeiten oder sonstigen (vorübergehenden) Tätigkeiten zu verrichten, dann erhältst du eben jetzt von uns das verbriefte Recht, eine „vorübergehende Unterbrechung des Anlagenbetriebs ungeachtet der bestehenden Standortbescheinigung“ herbeiführen zu dürfen!
So zutiefst mitmenschlich dieses überraschende Zugeständnis an uns gewöhnliche Anwohner dem unvoreingenommenen Betrachter auch erscheinen mag, es verwunderte mich doch sehr. Denn ich fragte mich sofort, wo denn eigentlich die unbedingt notwendige Rechtsgrundlage für eine derart weitreichende Zusage verborgen liegen konnte, wo doch der vorübergehende Aufenthalt im Sicherheitsbereich laut Gericht in Wahrheit vollkommen unbedenklich sein sollte?
Natürlich stellte ich diese nicht ganz unwesentliche Verständnisfrage zuallererst der urteilsverkündenden vierten Kammer des Göttinger Verwaltungsgerichts, um zu erfahren, wie diese sich wohl den offensichtlichen Widerspruch in dem von ihr zitierten Urteilstext selbst erklären würde. Aber entweder wusste die Kammer ebenfalls nichts dazu zu sagen oder ihr war die ganze Sache jetzt, nachdem das Urteil rechtskräftig geworden war, vollkommen egal. (Oder vielleicht sogar beides?)
Jedenfalls blieb meine absolut ernst gemeinte Frage an das Gericht ohne jede Antwort. Also wandte ich mich an das Aufsicht über die Bundesnetzagentur führende Ministerium und fragte dort sehr höflich nach, ob man in Deutschland als Mobilfunk-Anwohner nun wohl zukünftig zuallererst seinen Nachbarn darum bitten müsste, seine Funkanlagen vorübergehend abschalten zu lassen, bevor man seine eigenen Kinder gefahrlos im Garten spielen lassen oder höchstpersönlich selbst das eigene Obst pflücken gehen könnte?
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