Die Vampirschwestern – Eine Freundin zum Anbeißen. Franziska Gehm
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„Sind das etwa …“, begann Daka und deutete auf den Kopf des Ritters.
„Tauben?“, kreischte Silvania.
„Ähm … was? Ich sehe keine“, sagte Frau Tepes schnell, schnappte die Mädchen an der Hand und führte sie durch das Gedränge in die Einkaufsstraße.
Mit den Tauben und den Zwillingen war das so eine Sache. Sie hatten ein Tauben-Trauma. Das kam so: Wie die meisten Vampire lernten auch die Halbvampire Daka und Silvania mit ungefähr fünf Jahren fliegen. Daka ging für ihr Leben gerne in die Luft und tollte herum. Silvania war etwas zurückhaltender. Sie fühlte sich auf dem Boden wohler. Doch am Ende des fünften Lebensjahres flogen die Zwillinge, als wären sie Vollblutvampire. Ihr Papa war sehr stolz auf sie. Mit sechs Jahren flogen sie zum ersten Mal alleine los. Sie flogen eine große Runde, fast bis zur nächsten Stadt. Da kam ihnen ein Schwarm Ringeltauben entgegen. Daka war der Meinung, dass sie und ihre Schwester Vorfahrt hatten. Der Meinung waren die Ringeltauben nicht. Daka und Silvania gerieten mitten in den Schwarm. Die Tauben, die sehr stolz waren, fühlten sich angegriffen. Sie hackten, kratzten und kackten auf die Schwestern ein. Völlig zerzaust, zerkratzt und beschissen kamen Daka und Silvania mit letzter Kraft zu Hause an. Von da an wussten sie, dass Tauben immer Vorfahrt haben. Und von da an hatten sie ein Tauben-Trauma.
Deshalb zog Frau Tepes ihre Töchter schnell vom Rathaus mit den Tauben weg. Sie führte sie von einem Laden und von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Wobei die Sehenswürdigkeiten echte Insidertipps waren: „Hier bin ich früher immer mit meiner Oma Eis essen gegangen … und hier stand im Winter meistens ein Eislaufring … dort am Springbrunnen habe ich mich immer mit meinen Freundinnen getroffen … da drüben beim Bäcker gab es den besten Pflaumenkuchen. Ach, da ist ja jetzt ein Fleischer drin …“
Silvania lächelte und nickte ihrer Mutter zu, während sie aus den Augenwinkeln die Menschen beobachtete. Sie sahen nicht viel anders aus als die Menschen in Transsilvanien. Aber es waren so viele! Dicke, dünne, weiße, farbige, alte, junge, blonde, brünette, hastige, Schlenderer, gut gelaunte, schlecht gelaunte, stinkende und duftende. Silvania fragte sich, ob die Menschen merkten, dass sie anders war. Sie hoffte nicht.
Daka fand, dass die Menschen in Bindburg vollkommen anders aussahen als die Bewohner von Bistrien. Niemand hier hatte dunkelrote oder lilafarbene Augen. Oder orangefarbene, wie der Sänger von Krypton Krax. Die Menschen wirkten hektisch, alle hatten es wahnsinnig eilig. Aber im Vergleich zu einem Vampirleben war so ein Menschenleben ja auch ziemlich kurz, da musste man wohl Tempo machen. Vielleicht lag es am Tempo, dass sie alle rosiger aussahen als die Einwohner von Bistrien. Oder am Tageslicht. Bistrien war fast ausschließlich eine unterirdische Stadt. Jahrhundertealte Gänge und Häuser aus Stein befanden sich ein paar Meter unter der Erde. Es gab auch eine Haupteinkaufsstraße wie diese hier, aber die Läden waren viel kleiner. Meistens wurden selbst hergestellte Produkte verkauft: coole Umhänge, Sonnenhüte und Flughauben, aber auch Beißringe, Blutpressen oder extragroße Fleischwölfe. Und dann gab es natürlich den Haustierladen mit jeder Menge Rennzecken, Blutegeln, Flöhen und Mücken.
Daka seufzte. Sie vermisste es jetzt schon, durch die halbdunklen, verschlungenen Gänge von Bistrien zu sausen. Aber sie wollte ihrer Mama nicht den Ausflug verderben und einen Flunsch ziehen. Heimlich steckte sie sich kleine Kopfhörer in die Ohren und hörte Krypton Krax. Dazu wackelte sie im Rhythmus mit dem Kopf. Es sah aus, als würde sie nicken. Frau Tepes erzählte. Es war ein harmonischer Ausflug.
Auf dem Rückweg zur U-Bahn entdeckten sie in einer Nebenstraße zur Einkaufsmeile einen kleinen Laden. Bis auf einen alten Stuhl und zerknüllte Zeitungen auf dem Fußboden war er leer. Elvira Tepes blieb wie vom Blitz getroffen stehen. An der Scheibe hing ein Zettel: „Provisionsfrei zu vermieten. Anruf unter: 25 984 561.“
Eine Sekunde später klebte Frau Tepes mit der Nase an der Schaufensterscheibe und murmelte vor sich hin: „Potztausend, genau so etwas habe ich gesucht!“ Sie rief sofort mit dem Handy die Nummer an. Wie sich herausstellte, wohnte der Vermieter direkt über dem Laden. Er schlug eine sofortige Besichtigung vor, der Frau Tepes freudig zustimmte.
Der Vermieter, der Frau Tepes sogleich das „Du“ anbot und sich als „Peter“ vorstellte, obwohl er bestimmt schon über 45 war, wirkte sehr sympathisch. Er hatte graublonde Haare, die sich an der Stirn schon etwas zurückzogen. Um den Mund und auf der Stirn hatte er viele Falten, aber seine Augen funkelten. Vor allem, wenn er mit Elvira Tepes sprach.
Er führte sie im Laden herum, was mit fünf Schritten erledigt war. Der Raum war nicht größer als das Zimmer der Zwillinge. Im hinteren Bereich gab es eine kleine Küche und ein Klo. Das war alles.
Frau Tepes war völlig aus dem Häuschen. Das brachte Peter auch ganz aus dem Häuschen. „Und hier könnte der Verkaufstresen stehen“, sagte Elvira Tepes.
„Oh ja, ein wunderbarer Platz für den Tresen“, stimmte der Vermieter zu.
„Dort an die Wand würde eine Ausstellungsvitrine passen.“
„Eine Vitrine! Tolle Idee!“ Peter strahlte.
„An die Wand gegenüber vielleicht ein gemütliches Sofa für die wartende Kundschaft?“
„Das hat Stil“, bestätigte Peter.
„Und wo sollen die ganzen Klobrillen hin?“, warf Daka ein, die die Kopfhörer aus den Ohren genommen hatte.
„Klobrillen?“ Peter blickte fragend zwischen Daka und Elvira hin und her.
Elvira winkte ab. „Dafür finden wir schon eine Lösung. Vielleicht …“, Elvira strahlte Peter mit ihren nachtblauen Augen an, „können wir die Einzelheiten des Mietvertrags ja bei einem Kaffee klären?“
„Gute Idee.“
Peter und Elvira verabredeten sich. Für die Einzelheiten. Zum Kaffeetrinken. Und für einen „guten Start in ein langes, intensives, glückliches Mietverhältnis“, wie Peter hinzufügte.
Frau Tepes war begeistert. Sie hätte nie gedacht, dass sie so schnell so einen tollen Laden finden würde. Und sie dachte nicht eine Sekunde daran, dass Peter Grund für Ärger sein würde. Großen Ärger.
Ein nächtlicher Ausflug
Obwohl Herr Tepes im Keller in seinem Sarg lag, hörte er jedes Wort vom Telefonat seiner Frau mit ihrer Mutter eine Etage weiter oben. Er hörte, wie sie vom tollen Stadtausflug, vom neuen Laden und von einem gewissen Peter, dem reizenden Vermieter, erzählte. Er verzog den Mund, sodass sich sein Lakritzschnauzer aufbäumte, und drehte sich auf die Seite.
Im Gegensatz zu seinen halbvampirischen Töchtern hatte Herr Tepes noch das Gehör einer Fledermaus. Das hatte ziemlich viele Vorteile. Zum Beispiel, wenn man beim Geheimdienst arbeitete oder als Tontechniker. Oder wenn man sich für Klatsch und Tratsch in der Nachbarschaft interessierte. Es hatte aber auch ziemlich viele Nachteile. Manchmal hörte man Sachen, die man gar nicht hören wollte. Zum Beispiel, wenn ein Haus weiter jemand rülpste. Oder aufs Klo ging. Oder wenn sich zwei Leute über etwas Unsinniges stritten. Wie bei einem Radio versuchte Herr Tepes dann sein Gehör auf eine andere Frequenz zu schalten. Doch oft war er zu neugierig.
Herr Tepes arbeitete weder beim Geheimdienst noch als Tontechniker. Herr Tepes war Gerichtsmediziner. Weil er ein sehr guter Gerichtsmediziner war, hatte er eine Stelle am Institut für Rechtsmedizin in Bindburg gefunden. Oder weil er sich freiwillig für die Nachtschichten gemeldet hatte.
Morgen