Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

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Ein Kampf um Rom - Felix  Dahn

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du diesen Schatten rächen? Ja, willst du die Goten verderben? Ja! Also mußt du wollen, was dahin führt.« — »Nie, bei meinem Eide!« — »Weib, reize mich nicht. Trotze mir nicht. Du kennst mich! Bei meinem Eide! Wie? Hast du mir nicht Gehorsam geschworen, blinden, unbedingten, wie ich dir Rache verheißen? Hast du’s nicht geschworen auf die Gebeine der Heiligen, dich und deine Kinder verflucht für den Eidbruch? Man sieht sich vor bei euch Weibern. Gehorche oder zittere für deine Seele.«

      »Entsetzlicher! Soll ich all meinen Haß dir, deinen Plänen opfern?«

      »Mir? Wer spricht von mir? Deine Sache führ’ ich. Deine Rache vollend’ ich. Mir haben die Goten nichts zuleid getan. Du hast mich aufgestört von meinen Büchern. Du hast mich aufgerufen, diese Amaler zu vernichten. Willst du nicht mehr? Auch gut! Ich kehre zurück zu Horatius und der Stoa! Leb’ wohl.«

      »Bleib, bleibe. Aber soll denn Kamilla das Opfer werden?«

      »Wahnsinn! Athalarich soll es werden. Sie soll ihn ja nicht lieben, sie soll ihn nur beherrschen. Oder«, fügte er, sie scharf ansehend, hinzu, »fürchtest du für ihr Herz?« — »Deine Zunge erlahme! Meine Tochter ihn lieben? Eher erwürg’ ich sie mit diesen Händen.«

      Aber Cethegus war nachdenklich geworden.

      Es ist nicht um das Mädchen, sagte er zu sich selbst. Was liegt an ihr! Aber wenn sie ihn liebt — und der Gote ist schön, geistvoll, schwärmerisch... »Wo ist deine Tochter?« fragte er laut.

      »Im Frauengemach. Auch wenn ich wollte, sie würde nie einwilligen, nie.«

      »Wir wollen’s versuchen. Ich gehe zu ihr.«

      Und sie traten ins Haus. Rusticiana wollte mit ihm in das Gemach. Aber Cethegus wies sie zurück.

      »Allein muß ich sie haben!« sprach er und schritt durch den Vorhang. Bei seinem Anblick erhob sich das schöne Mädchen von den Teppichen, auf denen sie in ratlosem Sinnen geruht. Gewöhnt, in dem klugen, beherrschenden Mann, dem Freund ihres Vaters, stets einen Berater und Helfer zu finden, begrüßte sie ihn vertrauend wie die Kranke den Arzt.

      »Du weißt, Cethegus?« — »Alles.« — »Und du bringst mir Hilfe.«

      »Rache bring’ ich dir, Kamilla!«

      Das war ein neuer, ein mächtig ergreifender Gedanke! Nur Flucht, Rettung aus dieser qualvollen Lage hatten ihr bisher vorgeschwebt. Höchstens eine zornige Abweisung der königlichen Geschenke. Aber jetzt Rache! Vergeltung für die Schmerzen dieser Stunden! Rache für die erlittene Schmach! Rache an den Mördern ihres Vaters! Ihre Wunden waren frisch. Und in ihren Adern kochte das heiße Blut des Südens. Ihr Herz frohlockte über Cethegus’ Wort!

      »Rache? Wer wird mich rächen? Du?« — »Du dich selbst! Das ist süßer.«

      Ihre Augen blitzten. »An wem?« — »An ihm. An seinem Haus. An allen unsern Feinden.« — »Wie kann ich das? Ein schwaches Mädchen?« — »Höre auf mich, Kamilla. Nur dir, nur des edeln Boëthius edler Tochter sag’ ich, was ich sonst keinem Weib der Erde vertrauen würde. Es besteht ein starker Bund von Patrioten, der die Herrschaft der Barbaren spurlos austilgen wird aus diesem Lande: das Schwert der Rache hängt über den Häuptern der Tyrannen. Das Vaterland, der Schatten deines Vaters beruft dich, es herabzustürzen.«

      »Mich? Ich — meinen Vater rächen? Sprich!« rief hocherglühend das Mädchen, die schwarzen Haare aus den Schläfen streichend. »Es gilt ein Opfer. Rom fordert es.« — »Mein Blut, mein Leben! Wie Virginia will ich sterben.« — »Du sollst leben, den Sieg zu schauen. Der König liebt dich. Du mußt nach Ravenna. An den Hof. Du mußt ihn verderben. Durch diese Liebe. Wir alle haben keine Macht über ihn. Nur du hast Gewalt über seine Seele. Du sollst dich rächen und ihn vernichten.«

      »Ihn vernichten?!« — Seltsam bewegt klang die leise Frage; ihr Busen wogte, ihre Stimme bebte in der Mischung ringender Gefühle, Tränen brachen aus ihren Augen, sie verbarg das Gesicht in den Händen. — Cethegus stand auf »Vergib«, sagte er. »Ich gehe. Ich wußte nicht, daß du den König liebst.«

      Ein Weheschrei des Zornes wie bei physischem Schmerz drang aus des Mädchens Brust. Sie sprang auf und faßte ihn an der Schulter:

      »Mann, wer sagt das? Ich hasse ihn! Hasse ihn, wie ich nie gewußt, daß ich hassen kann.« — »So beweis’ es. Denn ich glaub’ es dir nicht.« — »Ich will dir’s beweisen!« rief sie. »Sterben soll er! Er soll nicht leben!«

      Sie warf das Haupt zurück, wild funkelten die blitzenden Augen, ihr schwarzes Haar flog um die weißen Schultern.

      Sie liebt ihn, dachte Cethegus. Aber es schadet nicht. Denn sie weiß es noch nicht. Sie haßt ihn daneben. Und das allein weiß sie. Es wird gehn.

      »Er soll nicht leben«, wiederholte sie. »Du sollst sehen«, lachte sie, »wie ich ihn liebe! Was soll ich tun?« — »Mir folgen in allem.« — »Und was versprichst du mir dafür? Was soll er erleiden?« — »Verzehrende Liebe bis zum Tod.« — »Liebe zu mir? Ja, ja, das soll er!« — »Er, sein Haus, sein Reich sollen fallen.«

      »Und er wird wissen, daß durch mich —« — »Er soll es wissen. Wann reisen wir nach Ravenna?«

      »Morgen! Nein, heute noch.« Sie hielt inne und faßte seine Hand: »Cethegus, sage, bin ich schön?«

      »Der Schönsten eine.«

      »Ha!« rief sie, die losgegangenen Locken schüttelnd. »Er soll mich lieben und verderben! Fort nach Ravenna! Ich will ihn sehen, ich muß ihn sehen!« Und sie stürmte aus dem Gemach. Sie sehnte sich mit ganzer Seele, bei Athalarich zu sein

      SIEBENTES KAPITEL

      Noch am nämlichen Tage wurde die kleine Villa verlassen und der Weg nach der Königsstadt angetreten.

      Cethegus schickte einen Eilboten voraus mit einem Brief Rusticianas an die Regentin. Die Witwe des Boëthius erklärte darin, daß sie die durch Vermittlung des Präfekten von Rom wiederholt angebotene Rückberufung an den Hof nunmehr anzunehmen bereit sei. Nicht als eine Tat der Gnade, sondern der Sühne, als ein Zeichen, daß die Erben Theoderichs dessen Unrecht an den Verblichenen gutmachen wollten.

      Diese stolze Sprache war wie aus Rusticianas tiefstem Herzen, und Cethegus wußte, daß solches Auftreten nicht schaden, nur alle verdächtige Auslegung der raschen Umstimmung ausschließen werde. Unterwegs noch traf die Reisenden die Antwort der Königin, die sie am Hof willkommen hieß. In Ravenna angelangt, wurden sie von der Fürstin aufs ehrenvollste empfangen, mit Sklaven und Sklavinnen umgeben und in dieselben Räume des Palastes eingeführt, die sie ehedem bewohnt. Freudig begrüßten sie die Römer.

      Aber der Zorn der Goten, die in Boëthius und Symmachus undankbare Verräter verabscheuten, wurde durch diese Maßregeln, die eine stillschweigende Verurteilung Theoderichs zu enthalten schienen, schwer gereizt. Die letzten Freunde des Großen Königs verließen grollend den verwelschten Hof. —

      Einstweilen hatten die Zeit, die Zerstreuungen der Reise und der Ankunft Kamillas Aufregung gemildert. Und ihr Zorn konnte sich um so eher beschwichtigen, als ihr viele Wochen zu Ravenna verstrichen, ehe sie Athalarich begegnete. Denn der junge König war gefährlich erkrankt.

      Am Hof erzählte man, er habe bei einem Aufenthalt zu Aretium — er wollte dort, mit geringer Begleitung, der Bergluft, der Bäder und der Jagd genießen — in den Wäldern von Tifernum

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