Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

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Ein Kampf um Rom - Felix  Dahn

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laden nach Ravenna. Mit dem nächsten Sonnwendfest sollen sie eintreffen.«

      Überrascht schwieg die Versammlung.

      »Das sind nur noch vierzehn Tage«, sprach endlich Cassiodor. »Wird es möglich sein, in so kurzer Frist noch die Ladungen zu besorgen?« — »Sie sind besorgt. Hildebrand, mein alter Waffenmeister, und Graf Witichis haben sie alle bestellt.« — »Wer hat die Dekrete unterschrieben«? fragte Amalaswintha, sich ermannend. »Ich allein, liebe Mutter. Ich mußte doch den Geladenen zeigen, daß ich reif genug, allein zu handeln.«

      »Und ohne mein Wissen!« sprach die Regentin. — »Und ohne dein Wissen geschah es, weil es sonst gegen deinen Willen geschehen mußte.«

      Er schwieg. Alle Römer waren ratlos und wie betäubt von der plötzlich entfalteten Kraft des jungen Königs. Nur in Cethegus stand sogleich der Entschluß fest, jene Versammlung zu verhindern, um jeden Preis. Er sah den Grund all seiner Pläne wanken. Gern wär’ er mit aller Wucht seines Wortes der vor seinen Augen versinkenden Regentschaft zu Hilfe gekommen, gern hätte er schon mehrere Male in dieser Verhandlung das kühne Aufstreben des Jünglings mit seiner ruhigen Überlegenheit zu Boden gedrückt, aber ihm hielt ein seltsamer Zufall Gedanken und Zunge wie mit Zauberbanden gefesselt.

      Er hatte in der Nische hinter dem Vorhang Geräusch zu vernehmen geglaubt und scharfe Blicke darauf geheftet: da bemerkte er unter dem Vorhang durch, dessen Fransen nicht ganz bis zur Erde reichten, die Füße eines Mannes.

      Freilich nur bis an die Knöchel. Aber an diesen Knöcheln saßen Beinschienen von Erz eigentümlicher Arbeit. Er kannte diese Beinschienen, er wußte, daß sie zu einer vollen Rüstung gleicher Art gehörten, er wußte auch in unbestimmter Gedankenverbindung, daß der Träger dieser Rüstung ihm verhaßt und gefährlich, aber es war ihm nicht möglich, sich zu sagen, wer dieser Feind sei. Hätte er die Schienen nur bis ans Knie verfolgen können! Gegen seinen Willen mußte er die Augen immer und immer wieder auf jenen Vorhang richten und raten und raten. Und das bannte seinen Geist jetzt — jetzt, da alles auf dem Spiele stand. Er zürnte über sich selbst, aber er konnte Gedanken und Blicke nicht von der Nische losreißen. Der König jedoch fuhr, ohne Widerstand zu finden, fort: »Ferner haben wir die edeln Herzoge Thulun, Ibbas und Pitza, die grollend diesen Hof verlassen, aus Gallien und Spanien zurückgerufen. Wir finden, daß allzuviele Römer, allzuwenig Goten uns umgeben. Jene drei tapferen Krieger werden mit Graf Witichis die Wehrmacht unseres Reiches, die Festen und die Schiffe untersuchen und alle Schäden aufdecken und heilen. Sie werden nächstens eintreffen.« Sie müssen sogleich wieder fort, sagte Cethegus rasch zu sich selbst. Aber seine Gedanken fuhren fort: Nicht ohne Grund ist jener Mann da drinnen versteckt.

      »Weiter«, hob der königliche Jüngling wieder an, »haben wir Mataswinthen, unsre schöne Schwester, zurückbeschieden an unsern Hof. Man hat sie nach Tarent verbannt, weil sie sich geweigert, eines betagten Römers Weib zu werden. Sie soll wiederkehren, die schönste Blume unseres Volkes, und unseren Hof verherrlichen.«

      »Unmöglich!« rief Amalaswintha: »Du greifst in das Recht der Mutter wie der Königin.« — »Ich bin das Haupt der Sippe, sobald ich mündig bin.«

      »Mein Sohn, du weißt, wie schwach du warst noch vor wenigen Wochen. Glaubst du wirklich, die gotischen Heermänner werden dich waffenreif erklären?«

      Der König wurde rot wie sein Purpur, halb vor Scham, halb vor Zorn; eh’ er Antwort fand, rief eine rauhe Stimme an seiner Seite: »Sorge nicht darum, Frau Königin. Ich bin sein Waffenmeister gewesen: ich sage dir, er kann sich messen mit jedem Feind: und wen der alte Hildebrand wehrfähig spricht, der gilt dafür bei allen Goten.« Lauter Beifall der anwesenden Goten bestätigte sein Wort.

      Wieder gedachte Cethegus einzugreifen, aber eine Bewegung hinter dem Vorhang zog seine Gedanken ab: Einer meiner größten Feinde ist es, aber wer?

      »Noch eine wichtige Sache ist euch kundzutun«, begann der König wieder, mit einem flüchtigen Seitenblick nach der Nische, der dem Präfekten nicht entging.

      Etwa ein Anschlag gegen mich? dachte er. Man wollte mich überraschen? Das soll nicht gelingen! —

      Aber es überraschte ihn doch, als plötzlich der König mit lauter Stimme rief: »Präfekt von Rom, Cethegus Cäsarius!« Er zuckte, aber rasch gefaßt, neigte er das Haupt und sprach: »Mein Herr und König.« — »Hast du uns nichts aus Rom zu melden? Wie ist die Stimmung der Quiriten? Was denkt man dort von den Goten?«

      »Man ehrt sie als das Volk Theoderichs!« — »Fürchtet man sie?« — »Man hat nicht Ursach’, sie zu fürchten.« — »Liebt man sie?« — Gern hätte Cethegus geantwortet: Man hat nicht Ursach’, sie zu lieben. Aber der König selbst fuhr fort:

      »Also keine Spur von Unzufriedenheit? Kein Grund zur Sorge? Nichts Besonderes, das sich vorbereitet?«

      »Ich habe dir nichts anzuzeigen.« — »Dann bist du schlecht unterrichtet, Präfekt — oder schlecht gesinnt. Muß ich, der in Ravenna kaum vom Siechbett ersteht, dir sagen, was in deinem Rom unter deinen Augen vorgeht? Die Arbeiter auf deinen Schanzen singen Spottlieder auf die Goten, auf die Regentin, auf mich, deine Legionäre führen bei ihren Waffenübungen drohende Reden. Höchst wahrscheinlich besteht bereits eine ausgebreitete Verschwörung, Senatoren, Priester an der Spitze: sie versammeln sich nachts an unbekannten Orten. Ein Mitschuldiger des Boëthius, ein Verbannter, Albinus, ist in Rom gesehen worden; und weißt du, wo? im Garten deines Hauses.« Der König stand auf. Die Augen aller Anwesenden richteten sich erstaunt, erzürnt, erschrocken auf Cethegus. Amalaswintha bebte für den Mann ihres Vertrauens. Aber dieser war jetzt wieder völlig er selbst. Ruhig, kalt, schweigend sah er dem König ins Auge.

      »Rechtfertige dich!« rief ihm dieser entgegen.

      »Rechtfertigen gegen einen Schatten, ein Gerücht, eine Klage sonder Kläger? Nie!« — »Man wird dich zu zwingen wissen.« Hohn zuckte um des Präfekten schmale Lippen.

      »Man kann mich morden auf bloßen Verdacht, ohne Zweifel — wir haben das erfahren, wir Italier! — nicht mich verurteilen. Gegen Gewalt gibt es keine Rechtfertigung, nur gegen Gerechtigkeit.« — »Gerechtigkeit soll dir werden, zweifle nicht. Wir übertragen den hier anwesenden Römern die Untersuchung, dem Senat in Rom die Urteilsfällung. Wähle dir einen Verteidiger.« — »Ich verteidige mich selbst«, sprach Cethegus kühl. »Wie lautet die Anklage? Wer ist mein Ankläger? Wo ist er?« — »Hier«, rief der König und schlug den Vorhang zurück.

      Ein gotischer Krieger in ganz schwarzer Rüstung trat hervor.

      Wir kennen ihn. Es war Teja.

      Dem Präfekten drückte der Haß die Wimper nieder. Jener aber sprach: »Ich, Teja, des Tagila Sohn, klage dich an, Cethegus Cäsarius, des Hochverrats an diesem Reich der Goten. Ich klage dich an, den verbannten Verräter Albinus in deinem Haus zu Rom zu bergen und hehlen. Es steht der Tod darauf. Und du willst dies Land dem Kaiser in Byzanz unterwerfen.«

      »Das will ich nicht«, sprach Cethegus ruhig: »beweise deine Klage.« — »Ich habe Albinus vor vierzehn Nächten mit diesen Augen in deinen Garten treten sehen«, fuhr Teja zu den Richtern gewendet fort. »Er kam von der Via sacra her, in einen Mantel gehüllt, einen Schlapphut auf dem Kopf. Schon in zwei Nächten war die Gestalt an mir vorbeigeschlüpft; diesmal erkannt’ ich ihn. Als ich auf ihn zutrat, verschwand er, ehe ich ihn ergreifen konnte, an der Tür, die sich von innen schloß.« — »Seit wann spielt mein Amtsgenoß, der tapfere Kommandant von Rom, den nächtlichen Späher?« — »Seit er einen Cethegus zur Seite hat. Aber ob mir auch der Flüchtling entkam — diese Rolle fiel ihm aus dem Mantel: sie enthält Namen von römischen Großen und neben den Namen Zeichen einer unlösbaren Geheimschrift. Hier ist die Rolle.« Er reichte

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