Ein Kampf um Rom. Felix Dahn
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Читать онлайн книгу Ein Kampf um Rom - Felix Dahn страница 26
»Ich leugne das. Er ist nicht unbescholten: seine Eltern lebten in nichtiger blutschänderischer Ehe: sie waren Geschwisterkinder, die Kirche hat ihr Zusammensein verflucht und seine Frucht: er ist ein Bastard und kann nicht zeugen gegen mich, einen edeln Römer senatorischen Ranges.« Ein Murren des Zornes entrang sich den anwesenden Goten. Tejas blasses Antlitz wurde noch bleicher. Er zuckte. Seine Rechte fuhr ans Schwert: »So vertret’ ich mein Wort mit dem Schwert«, sprach er mit tonloser Stimme. »Ich fordere dich zum Kampf, zum Gottesgericht auf Tod und Leben.« — »Ich bin Römer und lebe nicht nach eurem blutigen Barbarenrecht. Aber auch als Gote: ich würde dem Bastard den Kampf versagen.« — »Geduld«, sprach Teja und stieß das halb gezückte Schwert leise in die Scheide zurück. »Geduld, mein Schwert. Es kommt dein Tag.« Aber die Römer im Saale atmeten auf.
Der König nahm das Wort: »Wie dem sei, die Klage ist genug begründet, die genannten Römer zu verhaften. Du, Cassiodor, wirst die Geheimschrift zu entziffern suchen. Du, Graf Witichis, eilst nach Rom und bemächtigst dich der fünf Verdächtigen, durchsuchst ihre Häuser und das des Präfekten. Hildebrand, du verhaftest den Verklagten, nimm ihm das Schwert ab.« — »Halt«, sprach Cethegus, »ich leiste Bürgschaft mit all meinem Gut, daß ich Ravenna nicht verlasse, bis dieser Streit zu Ende. Ich verlange Untersuchung auf freiem Fuß: das ist des Senators Recht.«
»Kehr’ dich nicht dran, mein Sohn«, rief der alte Hildebrand vortretend, »laß mich ihn fassen.« — »Laß«, sprach der König. »Recht soll ihm werden, strenges Recht, doch nicht Gewalt. Laß ab von ihm. Auch hat ihn die Klage überrascht. Er soll Zeit haben, sich zu verteidigen. Morgen um diese Stunde treffen wir uns wieder hier. Ich löse die Versammlung.«
Der König winkte mit dem Zepter: in höchster Aufregung eilte Amalaswintha aus dem Gemach. Die Goten traten freudig zu Teja. Die Römer drückten sich rasch an Cethegus vorbei, vermeidend, mit ihm zu sprechen. Nur Cassiodor schritt fest auf ihn zu, legte die Hand auf seine Schulter, sah ihm prüfend ins Auge und fragte dann: »Cethegus, kann ich dir helfen?« — »Nein, ich helfe mir selbst«, sprach dieser, entzog sich ihm und schritt allein und stolzen Ganges hinaus.
ZEHNTES KAPITEL
Der heftige Schlag, den der junge König so unerwartet gegen den ganzen Grundbau der Regentschaft geführt hatte, erfüllte bald den Palast und die Stadt mit Staunen, mit Schrecken oder Freude. Zu der Familie des Boëthius brachte die erste bestimmte Kunde Cassiodor, der Rusticianen zum Trost der erschütterten Regentin beschied. Mit Fragen bestürmt, erzählte er den ganzen Hergang ausführlich: und so bestürzt oder unwillig er darüber war, auch aus seinem feindlichen Bericht leuchteten die Kraft, der Mut des jungen Fürsten unverkennbar hervor. Mit Begierde lauschte Kamilla jedem seiner Worte: Stolz, stolz auf den Geliebten — der Liebe glücklichstes Gefühl — erfüllte mächtig ihre ganze Seele.
»Es ist kein Zweifel«, schloß Cassiodor mit Seufzen, »Athalarich ist unser entschiedener Gegner: er steht ganz zu der gotischen Partei, zu Hildebrand und seinen Freunden. Er wird den Präfekten verderben. Wer hätte das von ihm geglaubt! Immer muß ich daran denken, Rusticiana, wie so ganz anders er sich bei dem Prozeß deines Gatten benahm.«
Kamilla horchte hoch auf.
»Damals gewannen wir die Überzeugung, er werde zeitlebens der glühendste Freund, der eifrigste Vertreter der Römer sein.« — »Ich weiß davon nichts«, sagte Rusticiana. — »Es ward vertuscht. Das Todesurteil war gesprochen über Boëthius und seine Söhne. Vergebens hatten wir alle, Amalaswintha voran, die Gnade des Königs angerufen: sein Zorn war unauslöschlich. Als ich wieder und wieder ihn bestürmte, fuhr er zornig auf und schwur bei seiner Krone, der solle es im tiefsten Keller büßen, der ihm noch einmal mit der Fürbitte für die Verräter nahe. Da verstummten wir alle. Nur einer nicht. Nur Athalarich, der Knabe, ließ sich nicht schrecken, er weinte und flehte und hing sich an seines Großvaters Knie.«
Kamilla erbebte. Der Atem stockte ihr.
»Und nicht ließ er ab, bis Theoderich in höchstem Zorn emporfuhr, ihn mit einem Schlag in den Nacken von sich schleuderte und den Wachen übergab. Der ergrimmte König hielt seinen Eid. Athalarich ward in den Kerker des Schlosses geführt und Boëthius sofort getötet.«
Kamilla wankte und hielt sich an einer Säule des Saales.
»Aber nicht umsonst hatte Athalarich gesprochen und gelitten.
Tags darauf vermißte der König an der Tafel schwer den Liebling, den er von sich gebannt. Er gedachte, mit welch edlem Mut er, der Knabe, für seine Freunde gebeten, als die Männer in Furcht verstummten. Er stand endlich auf von seinem Abendtrunk, bei dem er lange sinnend saß, stieg selbst hinab in den Keller, öffnete die Pforte, umarmte seinen Enkel und schenkte auf seine Bitte deinen Söhnen, Rusticiana, das Leben.«
»Fort, fort zu ihm!« sprach Kamilla mit erstickter Stimme zu sich selbst und eilte aus dem Saal.
»Damals«, fuhr Cassiodor fort, »damals mochten Römer und Römerfreunde in dem künftigen König ihre beste Stütze sehen, und jetzt meine arme Herrin, arme Mutter!« und klagend schritt er hinaus.
Rusticiana saß lange wie betäubt. Sie sah alles wanken, worauf sie ihre Rachepläne gebaut: sie versank in dumpfes Brüten. Länger und länger schon fielen die Schatten der hohen, starken Türme in den Schloßhof, auf welchen sie hinausstarrte.
Da weckte sie der feste Schritt eines Mannes im Saal, erschrocken fuhr sie auf: Cethegus stand vor ihr. Sein Antlitz war kalt und finster, aber eisig ruhig.
»Cethegus!« rief die Bekümmerte und wollte seine Hand fassen, aber seine Kälte schreckte sie zurück. »Alles verloren!« seufzte sie, stehen bleibend. »Nichts ist verloren. Es gilt nur Ruhe. Und Raschheit«, setzte er, umblickend im Gemach, hinzu, Als er sich allein mit ihr sah, griff er in die Brustfalten seiner Toga. »Dein Liebestrank hat nicht geholfen, Rusticiana. Hier ist ein andrer — stärkrer. Nimm.« Und rasch drückte er ihr eine Phiole von dunklem Lavastein in die Hand. Mit banger Ahnung sah ihn die Freundin an: »Glaubst du auf einmal an Magie und Zaubertrank? Wer hat ihn gebraut?« — »Ich«, sagte er, »und meine Liebestränke wirken.« — »Du!« — es durchlief sie ein eisiges Grauen. »Frage nicht, forsche nicht, säume nicht«, sprach er herrisch. »Es muß noch heute geschehen. Hörst du? Noch heute.«
Aber Rusticiana zögerte noch und sah zweifelnd auf das Fläschchen in ihrer Hand. Da trat er heran, leise ihre Schulter berührend: »Du zauderst«, sagte er langsam. »Weißt du, was auf dem Spiele steht? Nicht nur unser ganzer Plan! Nein, blinde Mutter. Noch mehr. Kamilla liebt, liebt den König mit aller Kraft der jungen Seele. Soll die Tochter des Boëthius die Buhle des Tyrannen werden?«
Laut aufschreiend fuhr Rusticiana zurück: was in den letzten Tagen wie eine böse Ahnung in ihr aufgestiegen, ward ihr gewiß mit diesem einen Wort: noch einen Blick warf sie auf den Mann, der das Grausame gesprochen, und hinweg eilte sie, zornig die Faust um das Fläschchen geballt.
Ruhig sah ihr Cethegus nach. »Nun, Prinzlein, wollen wir sehen. Du warst rasch, ich bin rascher. — Es ist eigen«, sagte er dann, die Falten seiner Toga herabziehend, »ich glaubte längst nicht mehr, noch solche heftige Regung empfinden zu können. Jetzt hat das Leben wieder einen Reiz. Ich kann wieder streben, hoffen, fürchten. Sogar hassen. Ja, ich hasse diesen Knaben, der sich unterfängt, mit der kindischen Hand in meine Kreise zu tappen. Er will mir trotzen — meinen Gang aufhalten, er stellt sich kühn in meinen Weg: Er — mir! Wohlan, so trag’ er denn die Folgen.«
Und langsam schritt er aus dem Gemach und wandte sich nach dem Audienzsaal der Regentin, wo er sich