Ein Kampf um Rom. Felix Dahn
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»Willst du nicht weiter sprechen?«
»O mein Freund, mein König — dringe nicht in mich.« Er sah ihr nur in das liebliche Antlitz, in das leuchtende Auge, nicht mehr auf Weg und Ziel. »Nun warte dort auf der Insel — dort sollst du mir« — —
Ein neuer leidenschaftlicher Ruderschlag — da erdröhnte ein dumpfer Krach, das Schiff war angeprallt und fuhr schütternd zurück.
»Himmel!« rief Kamilla aufspringend und nach dem Schnabel des Schiffes sehend: ein ganzer Schwall von Wasser sprudelte herein, ihr entgegen.
»Das Schiff ist geborsten — wir sinken«, sprach sie erbleichend. »Hierher zu mir, laß mich sehen«, rief Athalarich vorspringend. »Ach, das sind die Nadeln der Amphitrite — wir sind verloren.« Die Nadeln der Amphitrite — wir wissen, man konnte sie von der Terrasse des Venustempels kaum erkennen — waren zwei schmale, scharfzackige Klippen zwischen dem Ufer und der nächsten der Laguneninseln: sie ragten kaum über den Wasserspiegel, bei leisestem Wind gingen die Wellen über sie weg. Athalarich kannte die Gefahr dieser Stelle und hatte sie immer leicht vermieden: aber diesmal hatte er nur in der Geliebten Augen geblickt.
Mit einem Blick übersah er die Lage. Es gab keine Rettung.
Ein Brett im Boden des leicht gezimmerten Gefährts war durch den Anprall an der Klippe zertrümmert, gewaltig drang das Wasser durch das Leck.
Das Schiff sank von Sekunde zu Sekunde.
Schwimmend mit Kamilla die nächste Insel oder das Ufer zu erreichen, konnte er nicht hoffen, und das Ruderschiff Rusticianens hatte kaum erst abgestoßen. Mit Blitzesschnelle hatte er alles überschaut, erwogen, eingesehen, und warf einen entsetzten Blick auf das Mädchen. »Geliebte, du stirbst«, jammerte er verzweifelnd, »und ich, ich hab’s verschuldet.« Und er umfaßte sie stürmisch. »Sterben?« rief sie, »o nein! Nicht so jung, nicht jetzt sterben! Leben, leben mit dir.« Und sie klammerte sich fest an seinen Arm. Der Ton, die Worte durchschnitten sein Herz.
Er riß sich los, er sah nach Rettung ringsumher, umsonst, umsonst immer höher stieg das Wasser, immer rascher sank das Schiff. Er warf das Ruder weg. »Es ist aus, alles aus, Geliebte. Laß uns Abschied nehmen.« — »Nein! Nicht mehr scheiden! Muß es gestorben sein: — o dann hinweg alle Scheu, welche die Lebendigen bindet« — und glühend drückte sie das Haupt an seine Brust — »o laß dir sagen, laß dir noch gestehen, wie ich dich liebe, wie lange schon, seit — seit immer. All mein Haß war ja nur verschämte Liebe. Gott, ich liebte dich schon, da ich wähnte, ich müsse dich verabscheuen. Ja, du sollst wissen, wie ich dich liebe.« Und sie bedeckte ihm Augen und Wangen mit eiligen Küssen. »Oh, jetzt will ich auch sterben — lieber sterben mit dir als leben ohne dich. Aber nein« und sie riß sich von ihm los — »du sollst nicht sterben — laß mich hier, springe, schwimme, versuch’s, du allein erreichst die Insel wohl — versuch’s und laß mich.«
»Nein«, rief er selig, »lieber sterben mit dir als leben ohne dich. Nach so langem, langem Sehnen endlich Erfüllung! Wir gehören einander auf ewig von dieser Stunde. Komm, Kamilla, Geliebte, laß uns hinab.«
Schauer der Liebe und des Todes rieselten durcheinander. Er zog sie an sich, umschlang sie mit dem linken Arm und stieg mit ihr auf den kaum noch handbreit über’s Wasser ragenden Steuergransen: schon schickte er sich zum jähen Sprunge an — da entrang sich beiden ein froher Schrei der Hoffnung.
Blitzschnell bog vor ihren Augen um die schmale Landspitze, die unfern von ihnen ins Meer ragte, ein Schiff mit vollen Segeln, das gerade auf sie loseilte.
Das Schiff vernahm ihren Schrei, es erkannte jedenfalls die Lage des sinkenden Kahns, vielleicht die Person des Königs: vierzig Ruder, aus zwei Stockwerken von Ruderbänken zugleich in die Flut getaucht, beförderten den Flug des raschen Fahrzeugs, das brausend vor ganzem Wind mit allen Segeln daherschoß. Die Leute auf dem Deck riefen ihnen zu, auszuharren, und bald — es war die höchste Zeit — lag der Bauch der Bireme neben der Gondel, die augenblicklich versank, nachdem das Paar durch die Lukenpforte des untern Ruderstockwerks an Bord gerettet war. Es war ein kleines gotisches Wachtschiff, der goldene, steigende Löwe, das Wappen der Amalungen, glänzte auf der blauen Flagge: Aligern, ein Vetter Tejas, befehligte es.
»Dank euch, wackre Freunde«, sprach Athalarich, da er wieder Worte gefunden. »Dank! Ihr habt nicht euren König nur, ihr habt eure Königin gerettet.«
Staunend sammelten sich Krieger und Matrosen um den Glücklichen, der die laut weinende Kamilla in seinen Armen hielt. »Heil unsrer schönen jungen Königin!« jauchzte der rotblonde Aligern, und die Mannschaft jubelte donnernd nach: »Heil, Heil unsrer Königin!« In diesem Augenblick rauschte der Segler an dem Kahn Rusticianens vorbei: der Schall dieses Jubelrufs weckte die Unselige aus der Erstarrung von Entsetzen und Betäubung, die sie ergriffen, da die beiden erschrocknen Rudersklaven die Gefahr des jungen Paares auf dem sinkenden Boot entdeckt und zugleich erklärt hatten, es sei ihnen unmöglich, sie rechtzeitig aus den Wellen zu retten. Da war sie besinnungslos Daphnidion in die Arme gefallen.
Jetzt erwachte sie und warf einen irren Blick umher. Sie staunte: war es ein Traumbild, was sie sah? oder war es wirklich ihre Tochter, die dort auf dem Deck des Gotenschiffs, das stolz an ihr vorüberrauschte, an der Brust des jungen Königs lag? Und jauchzten wirklich dazu jubelnde Stimmen: »Heil, Kamilla, unsrer Königin?«
Sie starrte auf die vorübergleitende Erscheinung, sprachlos, lautlos. Aber das rasch fliegende Segelschiff war schon an ihrem Kahn vorüber und dem Lande nah. Es ankerte außerhalb der seichten Gartenbucht, eine Barke ward herabgelassen, das gerettete Paar, Aligern und drei Matrosen sprangen hinein, und bald stiegen sie die Stufen der Hafentreppe hinan, wo außer Cethegus und seiner Begleitung, eine Menge von Leuten sich versammelt hatte, die vom Palast oder vom Garten aus mit Schrecken die Gefahr des kleinen Schiffes wahrgenommen und jetzt herbeieilten, die Geretteten zu begrüßen. Unter Glückwünschen und Segensrufen stieg Athalarich die Stufen hinan.
»Seht hier«, sprach er, vor dem Tempel angelangt, »sehet, Goten und Römer, eure Königin, meine Braut. Uns hat der Gott des Todes zusammengeführt, nicht wahr, Kamilla?« Sie sah zu ihm auf, aber heftig erschrak sie: die Aufregung und der jähe Wechsel von Schrecken und Freude hatten den kaum Genesenen übermächtig erschüttert: sein Antlitz war marmorblaß, er wankte und griff wie Luft schöpfend krampfhaft an seine Brust.
»Um Gott«, rief Kamilla, einen Anfall des alten Leidens fürchtend, »dem König ist nicht wohl. Rasch den Wein, die Arznei!« Sie flog an den Tisch, ergriff den Silberbecher, der bereit stand, und drängte ihn in seine Hand.
Cethegus stand dicht dabei und folgte mit scharfem Blick jeder seiner Bewegungen.
Schon setzte er den Becher an die Lippen, aber plötzlich ließ er ihn nochmals sinken, er lächelte: »Du mußt mir zutrinken, wie’s der gotischen Königin ziemt an ihrem Hof«, und er reichte ihr den Pokal: sie nahm ihn aus seiner Hand.
Einen Augenblick durchzuckte es den Präfekten siedend heiß. Er wollte hinzustürzen, ihr den Trank aus der Hand reißen, ihn verschütten.
Aber er hielt sich zurück. Tat er’s, so war er unrettbar verloren. Nicht nur morgen als Hochverräter, nein, sofort als Giftmörder angeklagt