Ein Kampf um Rom. Felix Dahn
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Читать онлайн книгу Ein Kampf um Rom - Felix Dahn страница 57
»Wie, Jochem, Sohn Rachels, dem Römer willst du dienen? Dem Kaiser, dessen Vorfahren die heilige Zion verbrannt und in die Asche gelegt den Tempel des Herrn? Und bauen willst du an einem Haus des Unglaubens, du, der Sohn des frommen Manasse? Wehe, wehe über dich!« — »Was rufest du Wehe und weißt nicht warum? Riechst du’s dem Goldstück an, ob es kommt aus der Hand des Juden oder des Christen? Wiegt es nicht gleich schwer, und glänzt es nicht gleich lieblich?«
»Sohn Manasses, du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon.«
»Aber du selbst, dienst du nicht den Ungläubigen? Seh’ ich nicht das Wächterhorn an der Wand deines Hauses? Führst du nicht die Schlüssel für diese Goten und tust ihnen auf und zu die Pforten für ihren Ausgang und Eingang und hütest die Burg ihrer Stärke?«
»Ja, das tu’ ich«, sagte der Alte stolz, »und wachen will ich für sie treulich, Tag und Nacht, wie der Hund für den Herrn, und solang Isak Odem hat, der Sohn Rubens, soll kein Feind dieses Volkes schreiten durch dies Tor. Denn Dank schulden die Kinder Israels ihnen und ihrem großen König, der weise war wie Salomo, und wie Gideons war sein Schwert! Dank’ wie unsre Väter dem großen König Cyrus, der sie befreiet hat aus Babylon. Die Römer haben gebrochen den Tempel des Herrn und zerstreut sein Volk über das Angesicht der Erde. Sie haben uns verspottet und geschlagen und verbrannt unsre heiligen Stätten und geplündert unsre Truhen und verunreinigt unsere Häuser und gezwungen unsere Weiber überall in ihren Landen und haben geschrieben gegen uns manch grausam Gesetz. Da kam dieser große König von Mitternacht, dessen Samen Jehova segne, und hat wieder aufgebaut unsre Synagogen: und wenn sie die Römer niederrissen, mußten sie alles wieder aufrichten mit eigner Hand und eignem Gelde, und er hat beschützt den Frieden unsrer Dächer, und wer einen schädigte aus Israel, der mußte es büßen, wie wer einen Christen gekränkt. Er hat uns gelassen unsern Gott und unsern Glauben und hat beschirmt unsre Schritte auf den Straßen unsres Handels, und wir feierten das Passah in Frieden und Freude, wie nicht mehr seit den Tagen, da der Tempel noch stand auf den Höhen von Zion. Und als ein Großer unter den Römern mir mit Gewalt meine Sarah geraubt, mein Weib, ließ ihm König Theoderich das stolze Haupt abschlagen noch am selben Tage und gab mir wieder mein Weib unversehrt. Und das will ich gedenken, solange meine Tage dauern, und will dienen seinem Volke treu bis zum Tode, und man soll wieder sagen, weit in allen Landen: treu und dankbar wie ein Jude.«
»Mögest du nicht Undank ernten von den Goten für deinen Dank«, sagte Jochem, sich zum Gehen rüstend: »Mir ist, einmal kommt die Stunde für mich, wieder um Miriam zu werben, zum letztenmal. Vielleicht, Vater Isak, bist du dann minder stolz.« Und er schritt durch Miriams Gemach zur Treppe hinaus, wo er Totila begegnete. Mit einer häßlichen Verbeugung und einem stechenden Blick drückte sich der Kleine an dem schlanken Goten vorbei, der beim Eintritt in die Türmerwohnung sich tief bücken mußte. Miriam folgte ihm auf dem Fuß.
»Dort hängen deine Gärtnerkleider«, sagte sie, ohne die langen Wimpern aufzuschlagen, »und hier am Fenster hab’ ich die Blumen bereitgestellt. Sie liebt die weißen Narzissen, sagtest du neulich. Ich habe weiße Narzissen besorgt. Sie duften lieblich.« Und die melodische Stimme schwieg.
»Du bist ein gutes Mädchen, Miriam«, sagte Totila, den Helm mit den silberweißen Schwanenflügeln abhebend und auf den Tisch setzend, »wo ist dein Vater?« — »Der Segen des Herrn ruhe auf deinen goldenen Locken«, sprach der Alte, in das Gemach tretend. — »Gegrüßt, treuer Isak!« rief Totila, warf den langen, glänzend weißen Mantel ab, der ihm von den Schultern floß, und hüllte sich in einen braunen Überwurf, den ihm Miriam von der Wand reichte. »Ihr guten Leute! Ohne euch und eure verschwiegene Treue wüßte ganz Neapolis um mein Geheimnis. Wie kann ich euch danken!« — »Dank?« sagte Miriam, schlug die dunkelblauen Augen auf und ließ sie leuchtend auf ihm ruhen. »Du hast voraus gedankt für alle Zeit.«
»Nein, Miriam«, sagte der Gote, den braunen, breitkrempigen Filzhut tief in die Stirne ziehend, »ich mein’ es herzlich gut mit euch. Sage, Vater Isak, wer ist der Kleine, den ich schon öfter hier gesehen und eben wieder begegnet? Mir ist, er hat sein Auge auf Miriam geworfen. Sprich offen, wenn es bei ihr nur am Gelde fehlt — ich helfe gern.« — »Es fehlt an der Liebe, Herr, bei ihr«, sagte Isak ruhig. — »Da kann ich freilich nicht helfen! Aber wenn sonst ihr Herz gewählt — ich möchte gern etwas tun für meine Miriam.« Und er legte freundlich die Hand auf das glänzende schwarze Haar des Mädchens. Nur leise war die Berührung. Aber wie vom heißen Blitz getroffen fiel Miriam plötzlich auf die Knie: die Arme über dem Busen kreuzend, und das schöne Haupt tief nach vorne beugend: wie eine tauschwere Blume glitt sie zu den Füßen Totilas nieder.
Dieser trat bestürzt einen Schritt zurück.
Aber im Augenblick war das Mädchen wieder auf: »Verzeih, es war nur eine Rose — sie fiel vor deinen Fuß.«
Sie legte die Blume auf den Tisch, und so gefaßt war sie, daß weder ihr Vater noch der Jüngling des Vorfalls weiter achteten.
»Es dunkelt schon, eile Herr«, sprach sie ruhig und reichte ihm den Korb mit den Blumen. — »Ich gehe. Auch Valeria schuldet dir reichen Dank: ich habe ihr viel von dir erzählt, und sie fragt mich stets nach dir. Sie möchte dich lang schon sehen. Nun, vielleicht geht das bald — heut’ ist’s wohl das letztemal, daß ich diese Vermummung brauche.«
»Willst du sie entführen, die Tochter von Edom?« rief der Alte. »Bring’ sie nur hierher! Hier ist sie wohl geborgen.«
»Nein«, fiel Miriam ein, »nicht hierher, nein, nein!«
»Weshalb nicht, du seltsames Kind?« zürnte der Alte.
»Das ist kein Raum für seine Braut — dies Gemach — es brächte ihr kein Heil.« — »Beruhigt euch«, sagte Totila, schon an der Türe, »offne Werbung soll der Heimlichkeit ein Ende machen. Lebt wohl.« Und er schritt hinaus, Isak nahm den Speer, das Horn und einige Schlüssel von der Wand; er folgte, ihm zu öffnen und die Abendrunde längs allen Pforten des großen Torbaues zu machen.
Miriam blieb oben allein.
Lange Zeit stand sie unbeweglich mit geschlossenen Augen an derselben Stelle. Endlich strich sie mit beiden Händen über Schläfe und Wangen und schlug die Augen auf. Still war’s im Gemach; durch das offene Fenster glitt der erste Strahl des Mondlichts. Er fiel silbern auf Totilas hellen Mantel, der in langen Falten über dem Stuhl hing. Rasch flog Miriam auf den weißen Schimmer zu und bedeckte den Saum des Mantels mit heißen Küssen. Dann ergriff sie den blinkenden Schwanenhelm, der neben ihr auf dem Tische stand, sie umfaßte ihn mit beiden Armen und drückte ihn zärtlich an die Brust. Dann hielt sie ihn eine Weile träumend vor sich hin: endlich — sie konnte nicht wiederstehen — hob sie ihn rasch auf und setzte ihn auf das schöne Haupt: sie zuckte, als die Wölbung ihre Stirn berührte, dann strich sie die schwarzen Flechten aus den Schläfen und drückte einen Augenblick den harten, kalten Stahl fest mit beiden Händen an die glühende Stirn. Dann hob sie ihn wieder ab und legte ihn, scheu umblickend, auf seinen frühern Ort zu dem Mantel. Darauf trat sie ans Fenster und sah hinaus in die duftige Nacht und das zauberische Mondlicht. Ihre Lippen regten sich wie im Gebet: aber die Worte des Gebets klangen aus in der alten Weise:
»An Wasserflüssen Babylons
Saß weinend Judas Stamm:
Wann kommt der Tag, der all dein Leid,
Du Tochter Zions, stillt?«
DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Indessen Miriam schweigend aufsah zu den ersten Sternen, hatte Totilas rascher, sehnsuchtsbeflügelter Schritt alsbald die Villa des reichen Purpurhändlers, die