Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

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Ein Kampf um Rom - Felix  Dahn

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überlassen war. Dieser, der Vertraute der Liebenden, nahm dem Gärtnerburschen die Blumen und Sämereien ab, die er angeblich von dem ersten Blumenhändler von Neapolis brachte, und geleitete ihn in sein gewöhnliches Schlafgemach im Erdgeschoß, dessen niedrige Fenster in den Garten führten: am anderen Morgen noch vor Aufgang der Sonne — so wollte es die Geheimlehre der antiken Gärtnerei — müßten die Blumen eingesetzt werden, auf daß das erste Sonnenlicht, das sie in dem neuen Boden träfe, das segenbringende der Morgensonne sei. —

      Ungeduldig erwartete der junge Gote in dem engen Gemach bei einem Kruge Weines die Stunde, da sich Valeria von ihrem Vater nach dem gemeinsamen Nachtmahl verabschieden konnte.

      Immer wieder sah er zum Himmel auf, an dem Auftauchen der Sterne und dem Gang des Mondes den Fortschritt der Nacht zu ermessen. Er schlug den Vorhang zurück, der die Fensteröffnung schloß; stille war’s in dem weiten Garten. In der Ferne plätscherte nur leise der Springbrunnen, und Zikaden zirpten in den Myrtengebüschen: der warme, üppige Südwind strich in schwülem Hauch durch die Nacht, stoßweise ganze Wolken von Wohlgerüchen aus Rosenbäumen auf seinen Fittichen mit sich führend, und weithin aus dem Pinienwäldchen am Ende des Gartens drang lockend und sinnaufregend der tiefgezogene, heiße Schlag der Nachtigall.

      Endlich hielt sich Totila nicht länger. Geräuschlos schwang er sich über die Marmorbrüstung des Fensters: kaum knisterte unter seinen raschen Schritten der weiße Sand der schmalen Wege, wie er, den Strom des Mondlichts meidend, unter dem Schatten der Gebüsche dahineilte. Vorüber an den dunklen Taxusgängen und den Lauben von Oliven, vorüber an der hohen Statue der Flora, deren weißer Marmor geisterhaft im Mondlicht schimmerte, vorüber an dem weiten Becken, wo sechs Delphine den Wasserstrahl hoch aus den Nüstern bliesen, rasch eingebogen in den dicht verwachsenen Laubweg von Lorbeer und Tamarinden, und nun, noch ein Oleandergebüsch durchdringend, stand er vor der Grotte aus Tropfstein, in der die Quellnymphe über einer dunklen, großen Urne lehnte.

      Wie er eintrat, glitt eine weiße Gestalt hinter der Statue hervor.

      »Valeria, meine schöne Rose!« rief Totila und umschlang glühend die Geliebte, die leise seinem Ungestüm wehrte. »Laß, laß ab, mein Geliebter«, flüsterte sie, sich seinem Arm entziehend. »Nein, du Süße, ich will nicht von dir lassen. Wie lang, wie schmerzlich hab’ ich dein entbehrt! Hörst du, wie lockend und wirbelnd die Nachtigall ruft, fühlst du, wie der warme Hauch der Sommernacht, der berauschende Duft des Geißblattes Liebe atmet? Sie alle mahnen und bedeuten, wir sollen glücklich sein! Oh, laß sie uns festhalten, diese goldnen Stunden. Meine Seele ist nicht weit genug, all ihr Glück zu fassen: all deine Schönheit, all unsre Jugend und diese glühende, blühende Sommernacht; in mächtigen Wogen rauscht das volle Leben durch das Herz und will’s vor Wonne sprengen.«

      »O mein Freund! Gern möcht’ ich, wie du, aufgehn im Glücke dieser Stunden. Ich kann es nicht. Ich traue nicht diesem berauschenden Duft, der üppigen Schwüle dieser Sommernächte: sie dauert nicht: sie brütet Unheil: ich kann nicht glauben an das Glück unsrer Liebe.«

      »Du liebe Törin, warum nicht?«

      »Ich weiß es nicht: der unselige Zwiespalt, der all mein Leben scheidet, übt seinen Fluch auch hier. Gern möchte mein Herz sich trunken, wie du, diesem Glücke hingeben. Aber eine Stimme in mir warnt und mahnt: es dauert nicht — du sollst nicht glücklich sein.«

      »So bist du nicht glücklich in meinen Armen?«

      »Ja und nein! Das Gefühl des Unrechts, der Schuld gegen meinen edlen Vater lastet auf mir. Sieh, Totila, was mich zumeist an dir beglückt, ist nicht diese deine jugendschöne Kraft, selbst deine große Liebe nicht. Es ist der Stolz meines Herzens auf deine Seele, auf deine offene, lichte, edle Seele. Ich habe mich gewöhnt, dich klar und hell wie einen Gott des Lichts durch diese dunkle Welt schreiten zu sehen: der edle Mut siegessichrer Kraft, der Schwung, die freudige Wahrhaftigkeit deines Wesens ist mein Stolz: daß alles Kleine, Dumpfe, Gemeine versinken muß, wo du nahest, das ist mein Glück. Ich liebe dich wie eine Sterbliche den Sonnengott, der ihr in Fülle seines Lichts genaht. Und deshalb kann ich an dir nichts Heimliches, Verstecktes dulden. Auch die Wonnen dieser Stunden nicht — sie sind erlistet, und es kann nicht länger also sein.«

      »Nein, Valeria, und es soll auch nicht. Ich fühle ganz wie du. Auch mir ist die Lüge dieser Mummerei verhaßt, ich trage sie nicht länger. Ich bin gekommen, ihr ein Ende zu machen. Morgen, morgen werf’ ich diese Täuschung ab und spreche zu deinem Vater offen und frei.« — »Dieser Entschluß ist der beste, denn« —

      »Denn er rettet dein Leben, Jüngling!« unterbrach plötzlich eine tiefe Stimme, und aus dem dunklen Hintergrund der Grotte trat ein Mann und stieß das blanke Schwert in die Scheide.

      »Mein Vater!« rief Valeria überrascht, doch in mutiger Fassung. Totila schlang seinen Arm um sie, sein Kleinod zu verteidigen.

      »Hinweg, Valeria, fort von dem Barbaren!« sprach Valerius, befehlend den Arm ausstreckend.

      »Nein, Valerius«, sagte Totila, die Geliebte fester an sich drückend, »ihr Platz ist forthin an dieser Brust.«

      »Verwegner Gote!«

      »Höre mich, Valerius, und zürne uns nicht um dieser Täuschung willen. Du hast es selbst gehört, schon morgen sollte sie enden.«

      »Zu deinem Glück hab’ ich’s gehört. Gewarnt von dem ältesten meiner Freunde, wollt’ ich doch kaum glauben, daß meine Tochter — mich hintergeht. Als ich’s glauben mußte, beschloß ich, daß dein Blut deine List bezahlen sollte. Dein Entschluß hat dein Leben gerettet. Jetzt aber flieh: du siehst ihr Antlitz niemals wieder.« —

      Totila wollte heftig erwidern, aber Valeria kam ihm zuvor: »Vater«, sprach sie ruhig, zwischen die Männer tretend, »höre dein Kind. Ich will meine Liebe nicht entschuldigen, sie bedarf es nicht, sie ist göttlich und notwendig wie die Sterne: die Liebe zu diesem Mann ist das Leben meines Lebens.

      Du kennst meine Seele: Wahrheit ist ihr Äther, und ich sage dir, bei meiner Seele: nie werd’ ich lassen von diesem Mann!« — »Und niemals ich von ihr«, rief Totila und ergriff ihre Rechte.

      Hochaufgerichtet stand das junge Paar, vom Licht des Mondes voll beleuchtet, vor dem Alten: ihre edlen Züge und Gestalten trugen im Augenblick die Weihe heiliger Begeisterung: und so schön war die Gruppe, daß ein rührendes, erweichendes Gefühl davon sich unwillkürlich dem zürnenden Vater aufdrängte. »Valeria, mein Kind!«

      »O mein Vater! Du hast mit einer Liebe und Treue all meine Schritte geleitet, daß ich bisher die Mutter, die verlorene, zwar beklagte, aber kaum vermißte. Jetzt, in dieser Stunde, vermiß’ ich sie zum erstenmal: jetzt, ich fühl’ es, bedürfte ich ihrer Fürsprache. O so laß ihr Andenken wenigstens für mich sprechen. Laß mich dir ihr Bild vor die Seele führen und dich an den Augenblick erinnern, da dich die Sterbende zum letztenmal an ihr Lager rief und dir, wie du mir oft gesagt, mein Glück auf die Seele band als heiligstes Vermächtnis.« —

      Valerius drückte die linke Hand vor die Stirn; seine Tochter wagte die andre zu fassen, er entzog sie ihr nicht, offenbar rang es gewaltig in des Alten Brust. Endlich sprach er: »Valeria, du hast ein mächtig Wort gesprochen, ohne es zu wissen. Es wäre unrecht, dir zu verschweigen, was du ahnungsvoll berührt. Erfahre, was deine Mutter in jener Sterbestunde mir auferlegt. Noch immer drückte ihre Seele jenes Gelübde, das wir doch lange abgelöst. ‘Soll unser Kind nicht Braut des Himmels werden’, sprach sie, ‘so gelobe mir wenigstens, die Freiheit ihrer Wahl zu ehren. Ich weiß, wie römische Mädchen, zumal die Töchter unsres Standes, in die Ehe gegeben werden, ungefragt, ohne Liebe: ein solcher Bund ist ein Elend auf Erden und ein Greuel vor dem Herrn. Meine Valeria wird edel wählen — gelobe mir, sie dem Mann ihrer Wahl anzuvertrauen und keinem

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