Satan und Ischariot II. Karl May
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»Jenseits des mittelländischen Meeres.«
»Des mittel – — ländischen? Was wollt Ihr damit sagen?«
»Daß Ihr Euren Bruder aus dem Oriente holen müßtet, wenn er Euch helfen oder sich überhaupt an mir rächen sollte. Doch fällt mir dabei ein, daß es gar nicht nötig ist, daß Ihr ihn selbst holt. Euer Jonathan will ja nach dem Oriente; dem könnt Ihr den Auftrag mitgeben.«
»Jonathan – nach dem Oriente? Es träumt Euch wohl?«
»Möglich! Nebenbei träume ich auch noch von einem gewissen Small Hunter, welcher sich mit türkischer und arabischer Grammatik beschäftigt und in naher Zeit mit einigen Checks seines geizigen Vaters über den Ocean dampfen will. Vielleicht findet sich der junge Master mit Eurem Neffen zusammen. Solche Zufälle sind ja nicht nur möglich, sondern kommen wirklich vor.«
Da gab es ihm einen Ruck, als ob er völlig aufspringen wolle, woran ihn aber die Fesseln hinderten; dann spuckte er mich wieder an und schrie, im höchsten Grade erbost:
»In dir stecken mehr als hundert Teufel. Mag dich die Hölle verschlingen!«
Dann warf er sich wieder nieder und drehte sich auf die Seite, um mich nicht ferner sehen zu müssen. Ich kehrte an meinen Platz zurück.
Wir waren von Almaden bis zu der Stelle, an welcher wir lagen, zwar länger unterwegs gewesen, doch nur infolge davon, daß wir uns erst südwärts gewendet hatten; wir befanden uns in Wahrheit jetzt nur eine Wegstunde von dem Lager der Yumas entfernt. Ich nahm an, daß der Mimbrenjo mit seinem guten Pferde nur eine Viertelstunde gebraucht hatte, um die Strecke zurückzulegen; eine halbe Stunde rechnete ich auf seine Besprechungen dort; er konnte also nach Verlauf einer Stunde wieder zurück sein, wenn er den Yumas voranritt, denn zu führen brauchte er sie nicht, da sie infolge seiner Fährte uns leicht finden konnten. Sie hatten keine Pferde bei sich und mußten also gehen; darum konnten sie nicht eher als sieben Viertelstunden nach dem Aufbruche des Mimbrenjo bei uns sein.
Die Stunde verging, ohne daß dieser sich sehen ließ; ich glaubte infolgedessen, daß er nicht eher kommen werde, sondern als Führer bei ihnen geblieben sei, hatte mich in Beziehung auf die Zeit auch nicht verrechnet, denn als nicht viel mehr an der zweiten Stunde fehlte, sahen wir fünf oder sechs Fußgänger von Norden her auf uns zukommen. Es waren die Indianer; aber der Mimbrenjo befand sich nicht bei ihnen. Warum kam er nicht? Wo war er geblieben? Ich war wirklich gespannt, dies zu erfahren.
Es war augenscheinlich, daß sie der Spur folgten, welche er bei seinem Hinritte verursacht hatte, denn sie gingen in gebückter Haltung und hielten die Augen zu Boden gerichtet. Als sie nahe genug gekommen waren, richtete sich die »listige Schlange« auf, und ich tat ebenso; da sahen sie uns und kamen nun schneller herbei. Sie waren bewaffnet, ganz gegen den Befehl ihres Häuptlings, legten aber in einer Entfernung von vielleicht zweihundert Schritten ihre Messer, Bogen, Pfeile und Lanzen nieder und kamen dann vollends heran. Sie hatten die Waffen doch mitgenommen, aber nicht aus Hinterlist, sondern weil sie unterwegs infolge irgend eines Umstandes in die Lage kommen konnten, dieselben zu brauchen.
Sie taten so, als ob sie nicht sähen, daß der »listigen Schlange« die Hände gebunden waren; sie wollten ihn möglichst wenig in Verlegenheit bringen, betrachteten mich mit großen, achtungsvollen Blicken, die keine Spur von zudringlicher Neugierde besaßen, und nahmen die Gruppe der Deutschen kurz in Augenschein; aber Melton schienen sie gar nicht zu sehen. Letzteres war ein gutes Zeichen für mich. Da sie ihn mit solcher Verachtung straften, durfte ich annehmen, daß der Mimbrenjo sich seines Auftrages in bester Weise entledigt habe und daß sie von der Schuld und Treulosigkeit Meltons überzeugt worden seien. Vor allem andern mußte ich erfahren, warum der Indianerknabe nicht mitgekommen war. Darum nahm ich, um dem Häuptlinge zunächst mein Vertrauen zu zeigen, ihm die Fesseln ab und sagte dabei:
»Mein roter Bruder soll der Beratung als freier Mann beiwohnen; sie kann sofort beginnen, nachdem ich erfahren habe, weshalb mein Bote, der junge Mimbrenjo, nicht mitgekommen ist.«
Einer der Yumas übernahm als ältester von ihnen die Antwort:
»Er ist nach Westen geritten, um Weller getrieben zu bringen.«
»Weller?« fragte ich. »Das ist eine große Unvorsichtigkeit, denn der war uns sicher; er mußte ihn mir überlassen.«
»Old Shatterhand ist ein berühmter Krieger; meine Taten aber sind klein; er mag verzeihen, daß ich nicht seiner Meinung bin. Weller stand im Begriff, für immer zu entkommen.«
»Wieso? Da er auf Kundschaft gegangen ist und also wiederkehren wird, muß er uns gerade in die Arme laufen.«
»Nun nicht mehr, denn er kehrte zurück, als der Mimbrenjo seine Botschaft ausgerichtet hatte.«
»Das ist freilich etwas anderes. Ihr habt ihm gesagt, um was es sich handelt?«
»Ja, denn er fragte, was der Mimbrenjo bei uns wolle.«
»Wie nahm er die Kunde auf?«
»Erst war er so erschrocken, daß er kaum sprechen konnte; dann wütete er vor Grimm und forderte uns auf, gegen Old Shatterhand und seine Bleichgesichter aufzubrechen. Das taten wir nicht, da »listige Schlange« uns benachrichtigt hatte, daß Friede geschlossen werden solle. Wir konnten nicht tun, was Weller wollte, weil wir unserm Häuptlinge zu gehorchen hatten.«
»Warum habt ihr ihn nicht festgehalten?«
»Durften wir das? Er ist jetzt noch unser Freund und Bruder; der Vertrag, welchen wir abgeschlossen haben, ist noch nicht zerrissen, und der Friede mit dir muß erst geschlossen werden. Darum konnten wir ihn nicht halten; wir hinderten aber auch den Mimbrenjo nicht, ihm nachzureiten.«
»War das Pferd, welches Weller ritt, ein gutes?«
»Ja; aber es hat durch die Wüste gemußt, war ermüdet und hatte Durst.«
»So wird der Mimbrenjo ihn sehr rasch einholen; es wird zwischen ihnen zum Kampfe kommen, was ich gern verhindern möchte und doch nicht verhindern kann. Ich kann aber auch nicht eher von hier fort, als bis ich mit euch abgeschlossen habe.«
Da antwortete der Häuptling:
»Wenn Old Shatterhand fort will, um dem Mimbrenjo zu helfen, so mag er getrost fortreiten. Er braucht nicht zu besorgen, daß wir eine Untreue begehen. Seine Bleichgesichter mögen die Waffen meiner Krieger an sich nehmen und uns bis zu seiner Rückkehr als ihre Gefangenen betrachten.«
Das war immerhin soviel, wie ich nur verlangen konnte, dennoch ging ich nicht darauf ein, sondern entschied:
»lch bleibe noch hier. Wenn wir uns beeilen, werde ich wohl noch zur rechten Zeit kommen.«
»Da muß ich meinen weißen Bruder darauf aufmerksam machen, daß man alles andere eher als eine Beratung oder gar einen Friedensschluß beeilen darf. Es gibt da vieles zu überlegen und zu besprechen, und wenn man das zu schnell tut, kann später leicht eine falsche Auslegung vorkommen. Also ist es besser, mein Bruder reitet fort und wir beraten uns, wenn er zurückgekehrt ist.«
Da fiel der vorige Sprecher ein:
»Er wird bleiben können, denn ehe der Mimbrenjo fortritt, hat er gesagt, daß er Weller getrieben bringen will, nicht aber, daß er zu kämpfen beabsichtigt. Er ist noch jung, aber er hat ein ausgezeichnetes Pferd und scheint an Verstand und Ueberlegung älter als an Jahren zu sein.«
Als ob sich die Wahrheit dieser