Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen
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Der Weg war ausgezeichnet, leicht rollten die Wagen auf dem tennenähnlichen Boden dahin, in raschem Trab wurde die letzte Hälfte unseres Tagesmarsches zurückgelegt, und nur wenn wir durch eine aus dem Gebirge nach der Mitte der Ebene zu auslaufende Schlucht setzten, trat einige Verzögerung ein.
Ungefähr acht Meilen von der Stelle, wo runde Hügel dem westlichen, spitzen Winkel des Großen Beckens abschneiden, liegt auf einer kahlen Fläche, die tief ins südliche Gebirge hineinreicht, ein einsames Blockhaus. Dieses ist von einem fest eingefriedeten Hof umgeben, in dessen äußerster Ecke sich ein kleiner Pferdestall befindet. Eine Quelle dicht bei dem Gehöft hat Veranlassung zur Errichtung desselben gegeben, denn außer gutem Wasser mangelt es dort an allem, was sonst zum Leben nicht nur bequem, sondern was auch notwendig ist. Das nächste Holz ist nämlich vier Meilen weit von der Quelle entfernt, den Hof umgibt unfruchtbarer, kiesiger Boden, und zum Überfluß ist die ganze Lage so, daß jeder Sturm mit Leichtigkeit seinen Weg zu der einsamen Wohnung findet. Diese Stelle nun sowie ihr Besitzer sind weit und breit unter dem Namen »Irish John« bekannt. Die Straße führt hart an der Tür vorbei, und fast jeder, der dort vorüberreist, ist durch die Umstände gewissermaßen gezwungen, beim »Irish John« einzukehren; der eine, um zu übernachten, der andere, um eine Mahlzeit für sich selbst und Futter für seine Tiere zu erstehen, viele aber auch, um den schlechten Whisky des Irländers zu prüfen. Natürlich müssen für alles höchste Preise gezahlt werden; wie könnte auch sonst ein einzelner Mensch in dieser öden Wildnis sein Leben dahinschleppen, wenn ihm nicht auf irgendeine Weise Vorteil daraus erwüchse? Und daß »Irish John« Geschäfte zu machen versteht, geht am besten daraus hervor, daß ihm drei Monate vor unserer Ankunft achthundert Dollar, die er noch nicht sicher angelegt hatte, geraubt werden konnten, bei welcher Gelegenheit ihm noch, als er sich zur Wehr setzte, durch einen Pistolenschuß die halbe Nase und die halbe Backe weggerissen wurden. Dieser Raubüberfall hatte ihn denn endlich dazu bewogen, noch einen Menschen zu sich ins Haus zu nehmen. Die achthundert Dollar waren indessen fort, die entstellenden Wunden dagegen wieder geheilt, und so bin ich denn wirklich unfähig, zu entscheiden, was dem Irländer mehr Kummer verursacht: ob nämlich der Verlust des Geldes, die tiefen Narben in seinem Gesicht oder der Umstand, daß es ihm nicht gelungen ist, dem Räuber einen tüchtigen Messerstich mit auf den Weg zu geben.
Der Nähe der Quelle wegen schlugen wir also beim »Irish John« unser Nachtlager auf. Holz mußten wir natürlich von dem berechnenden Iren kaufen — was keine geringe Ausgabe verursachte —, da die kalten Abend- und Morgenstunden ein tüchtiges Lagerfeuer wünschenswert machten und der »ehrliche« John es angemessen fand, Gouvernementsausgaben, für die er die unsrigen erkannte, doppelt zu berechnen. »Uncle Sam ist reich und kann zahlen«, bemerkte er in wohlwollendem Ton, als er das empfangene Geld in seine Tasche schob.
Auf den Rat unseres »ehrlichen« Wirts verließen wir am 15. November die Hauptstraße und schlugen eine mehr östliche Richtung ein, die uns auf kürzerem, wenn auch nicht besserem Weg nach Fort Tejon bringen sollte. Nach einem mühseligen Marsch durch die sandige Ebene erreichten wir die Sierra Nevada und lenkten auf dem wenig befahrenen Weg in eine weite Schlucht, die stark ansteigend auf die Höhe der nächsten Bergkette führte. Eine angenehme Überraschung gewährte mir dort der veränderte Charakter der Umgebung. Es war nicht mehr das Wüstenähnliche, welches das Auge so leicht ermüdet, sondern eine Vegetation, die durch Kraft und malerische Verteilung die ansprechendste Unterhaltung gewährte. Mächtige Eichen standen verstreut umher, hier mit den weitverzweigten Kronen sich berührend, dort den Sonnenstrahlen Öffnungen lassend, durch welche diese ihren Weg zu den rotblätterigen Sumachstauden und Brombeerranken fanden, deren dichte Gruppen eigentümlich gegen den gebleichten Rasen kontrastierten. Auf der Höhe entdeckten wir in dem schwindenden Schnee frische Spuren von Wagen und zahlreichen Maultierherden, welche auf die Nähe des Militärpostens deuteten und zugleich den von uns einzuschlagenden Weg bezeichneten, der in einer schroffen, engen Schlucht gegen Norden abwärts führte.
Wir befanden uns dort oben in einer Höhe von 4256 Fuß über dem Meeresspiegel. Vor uns, jedoch 1000 Fuß tiefer, lag die Cañada de las UvasDiese Schlucht windet sich in nördlicher Richtung durch das Gebirge dem Tularetal zu. Die schroffen, spärlich mit Zwergeichen geschmückten Seitenwände zeigen die Formation der Sierra Nevada, freilich nur im kleinsten Maßstab, nämlich granitisches und metamorphosiertes Gestein, das am südlichen Ende der Cañada in erhöhtem Grad mit der tertiären Formation bedeckt ist. und in derselben versteckt Fort Tejon, unser Bestimmungsort. Ohne Unfall gelangten wir auf dem abschüssigen, für Wagen so gefährlichen Pfad hinab in das Castecatal, das eine reizende, von hohen Bergen eingeschlossene und mit kräftigen Eichen eingefaßte Grasebene bildet. Das Tal hat von Osten nach Westen eine Länge von ungefähr zwei Meilen, ist vielleicht halb so breit und nach einem kleinen See benannt worden, von dem zur Zeit unserer Ankunft nur das flache, ausgetrocknete und mit einer dicken Salzkruste überzogene Bett sichtbar war. Wir fuhren quer durch das Salzfeld des Casteca LakeDas Salz in dem Seebett ist augenscheinlich bei der Verdunstung des Wassers zurückgeblieben, das sich dort zu nassen Jahreszeiten ansammelt. Dasselbe bildet eine mehrere Zoll starke, weiße Kruste, die, einem kleinen Schneefeld nicht unähnlich, einen eigentümlichen Kontrast zu der grünenden Umgebung bildet. Die Winde entführen in Wolken oder Wirbelwindsäulen den Salzstaub und bestreuen die Nachbarschaft in weitem Umkreis mit dem weißen Pulver, das dann zu anderen Zeiten von dem niederströmenden Wasser wieder in das Seebett zurückgewaschen wird.
Das Salz rührt wahrscheinlich von den tertiären Aufschwemmungen her, die sich zahlreich in jener Gegend befinden, und ist von der niederschlagenden Feuchtigkeit oder von Quellen durch Filtrierung ausgeschieden. Da der See eine umfangreiche Strecke dieser Formation entwässert und keinen Abfluß hat, so unterliegt es keinem Zweifel, daß die Masse des Salzes von Jahr zu Jahr langsam im Zunehmen bleibt. Süßwasserseen können also allmählich salzig werden, indem sie das Salz einer älteren Seeformation und nicht, wie in den meisten Fällen, der Verdunstung von Gewässern entnehmen, welche im Laufe der Zeit vom Ozean getrennt wurden. — Das Salz des Castecasees ist bitter und widerlich, wahrscheinlich infolge des Vorhandenseins von Chlormagnium. Auch Pflanzen, die dem Strand des Ozeans eigentümlich sind, wachsen in der Nähe des Castecasees.
Das San-Amédio-GebirgeDiese hervorragende Gruppe bildet gewissermaßen das südwestliche Ende der Sierra Nevada oder vielmehr die Scheidewand zwischen letzterer und den Küstengebirgen. Jedenfalls aber gehört sie mit zum System der Sierra Nevada und zeigt wie diese granitisches und metamorphosiertes Terrain, umgeben von tertiärer Formation. Bedeutende Massen von Schwefelantimonerz befinden sich in den Schluchten dieses Gebirges. mit seinen beschneiten Kuppen (7000 Fuß ü. d. M.), das die nordwestliche Grenze des eben beschriebenen Tals bildet, wurde unseren Blicken entzogen, als wir in die Cañada de las Uvas einbogen, welche nunmehr als eine breite, sich gegen Norden verengende Schlucht vor uns lag. Zu beiden Seiten erhoben sich, bis zu einer Höhe von 3000 Fuß über ihrer Basis, Berge, die nur eine spärliche, verkrüppelte Baumvegetation trugen, dafür schmückten die Niederungen doppelt der üppige Graswuchs sowie die riesenhaften Eichen. — Die ganze Umgebung war ansprechend und einladend und nahm an Schönheit zu, als wir auf dem ebenen Weg tiefer in die Cañada hineinfuhren. Ein klarer Bach schlängelte sich durch die Wiesen und Gärten; Häuser, Ställe und Einfriedungen traten allmählich hervor; Pferde und Kühe weideten an den Abhängen, und arbeitende wie müßige Leute, größtenteils in der Uniform der Armee der Vereinigten Staaten, bewegten sich in allen Richtungen.
Etwa zwei Meilen von Castecatal, wo durch das Einmünden von Nebenschluchten die Cañada erweitert wird, liegt unter den westlichen Abhängen auf einer sanft ansteigenden Fläche der junge Militärposten Fort Tejon, doppelt geschützt durch die zu beiden Seiten und im Rücken aufstrebenden Berge. Man kann sich kaum einen freundlicheren Anblick denken als den, der dem Reisenden geboten wird, wenn er, der Hauptstraße folgend, dem Fort gegenüber