Der Letzte vom "Admiral". Franz Treller
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»Zu Befehl, Kapitän«, und Findling ging, um die Anker klarmachen zu lassen, so daß sie auf den ersten Befehl niedergehen konnten.
Am Steuer stand während der Unterredung der beiden Befehlshaber ein alter wettergebräunter Seemann, der jedes Wort vernahm. Als er gewahrte, daß Findling die Anker gleich ausbringen ließ, flog ein Zug der Befriedigung über sein derbes Gesicht und er murmelte: »Er versteht's, der Junge.«
Dann handhabte er sein Rad ruhig und still wie bisher.
Der Koch meldete dem Kapitän, daß der gerettete Schneider ganz munter erwacht sei.
»Na, laß ihn achter kommen, ich will mir das Gewächs mal ordentlich betrachten.«
Gleich darauf tauchte Fritze Fischer aus dem Mannschaftslogis auf und ging nach hinten. Bekleidet war er, wie man ihn aufgefunden hatte, nur mit einem wollenen Hemd und einer leinenen Hose. Aber sein rascher Schritt verriet, daß er sich durch Nahrung und Schlaf wesentlich gekräftigt hatte. Bald stand er in bescheidener Haltung vor dem Kapitän. Der sonst ganz unverfrorene Berliner hatte auf seinen Seereisen gelernt, daß auf dem Hinterdeck und vor dem Kapitän die größte Ehrerbietung geboten sei. Jansen musterte den Jungen von oben bis unten. Fritz Fischer war mager und von schmächtiger Gestalt. Sein Gesicht, welches er in diesem Augenblick in ehrfurchtsvolle Falten gelegt hatte, nahm für ihn ein; es lag viel Gutmütiges und durch die etwas aufgestülpte Nase, den Ausdruck der wasserblauen Augen und der Mundwinkel, doch etwas Drolliges darin.
»Nun, wie fühlst du dich, Bursche?«
»Janz passabel, Herr Kapitän; ick habe sehr anständig gefuttert und een Schläfchen jemacht.«
»Kann ich mir denken«, sagte Jansen lächelnd. »Wie alt bist du?«
»Über achtzehn, Herr Kapitän.«
»Und Schneider deines Zeichens?«
»So is et«, er wollte hinzusetzen: »sagt Neumann«, schluckte es aber, als für die Person, vor der er stand, nicht geeignet, hinunter.
»Nun erzähle mir mal, wie du hierher in die Südsee kommst?«
Fritz Fischer kratzte sich etwas in seinem nicht gerade glatten, semmelblonden Haar und sagte dann: »Det is so, Herr Kapitän: Vater is schon lange tot, und mein' liebe olle Mutter mußte uns vier alleene uffbringen. Und det hat sie auch redlich jetan, Herr Kapitän, det wird jeder sagen, der ihr kennt. Sie macht Feinwäscherei un die beeden guten Stuben vermietet sie an Zimmerherrn, die ooch nich allemal berappen. Ick bin der Älteste un de Line is erst dreizehn. Wilhelm is Tischler, Jule wird Buchbinder un ick habe de Schneiderakademie bei Meister Pietsch in de olle Jakobsgasse abserviert. Nu hatt' ick 'n Onkel in det olle Australien, in Sidney, un der schrieb, ick solle man kommen, et wäre ville Arbeit da, un die würde jut bezahlt. Ick wollte doch meiner lieben Ollen 'n bißken unter de Arme jreifen, un in Berlin jing det Geschäft nich recht von wejen zu ville Arbeitskräfte, da entschloß ick mir, rüber zu machen. Die liebe Verwandtschaft legte det Reisejeld vor mir zusammen un denn habe ick so 'n Sticker sechs Monat uff so 'n ollen Sejelkasten rumjeschaukelt. Wie ick nu nach Sidney kam, war mein juter Onkel tot und de liebe Verwandtschaft dort verleugnete mir, weil ick nich standesgemäß ufftreten konnte, un mit de Arbeit war et ooch nischt. Ick war jerade an't Verhungern, als mir Kapitän Dierks sah. Jott habe ihm selig, er war jut zu mir. Ick dauerte ihm in meine Not, un er sagte, er wolle mir mitnehmen nach Rostock; ick könnte mir unterwegs als Schneider un als Schiffskellner un sonst nützlich machen. Da dachte ick, det olle Australien, wo se nich emal 'n Berliner Schneiderjesellen richtich ästimieren, kann der Kuckuck holen, ick jehe wieder nach Berlin, un so kam's, det Sie mir uff det jroße Salzwasser jefunden haben, Herr Kapitän.«
Der Junge erzählte dies in seinem unverfälschten Berliner Dialekt mit unverkennbarer Treuherzigkeit, und das gefiel Kapitän Jansen. Ernst fragte er dann: »Und die Mannschaft hat den ›Goliath‹ verlassen und du bliebst zurück?«
»Ach, Herr Kapitän, sie hätten mir woll schonst mitjenommen, aber det jing alles so rasch mit die Masten un det jrausliche Wasser un den Sturm un de jräßliche Dunkelheit. Da hatte ick mir in de Küche verkrochen un habe an meine liebe Mutter un die andern jedacht, un als ick mir endlich uff de jejenwärtige Situation besann, waren de andern weg.«
»Du wirst wohl der einzige Überlebende vom ›Goliath‹ sein; bei einer See wie die, die über euch kam, konnte sich kein Boot halten. Wie lange ist das her?«
»Es ist heute der vierte Tag.«
»Hattest du denn etwas zu essen?«
»In een Kessel war noch 'n Häppken Salzfleesch, det habe ick mir zu Jemüte jezogen, aber der Durst – Herr Kapitän – der Durst – et wurde immer doller.«
»Na, min Jong, dat is all öwer! Mach dich hier nützlich an Bord und verdiene deine Kost.«
»Allemal. Ick werde allens, wat Sie mir ufftragen, uff det prompteste besorjen.«
»Nu geh nach vorn; was du an Kleidern brauchst, wird dir der Steuermann geben.«
Jansen nickte ihm zu, und Fritze ging eilig nach vorn. Henrik, der nahe dabeigestanden, hatte die Unterredung mit angehört, und der Berliner Junge hatte ihm sehr gefallen.
Die Südseeinsel
Die Sonne sank in den Ozean hinab, als der »Roland« die Insel erreichte, auf welche er zustrebte. Zu dem Kapitän trat der Insulaner von Neuhannover, deutete auf die Bucht, vor welcher das Schiff mit zwei Knoten Fahrt hinstrich, und sagte: »Dort gut, dort Kopra.«
Die Bucht, rings von dichtem Wald eingefaßt, war von ziemlicher Ausdehnung und bot eine sichere Lee. Der Kapitän ließ die Nahen schwenken und das Schiff außer Fahrt bringen, er war aber zu vorsichtig, um dem Land näherzutreten. Die Jolle wurde ausgesetzt und der zweite Steuermann in die Bucht geschickt, um sich der Wassertiefe zu versichern. Nach kurzer Zeit gab er das Signal, daß der »Roland« ohne Gefahr, aufzulaufen, bis dicht an Land treten könne. Hiernach wurde das Schiff an den Wind gebracht und trat in die Bucht ein. In acht Faden Tiefe ließ es einen der Buganker fallen und schaukelte bald ruhig auf dem Wasser. Die Küste lag schweigend da, als ob nie ein Menschenfuß sie betreten hätte, keine Hütte, kein Kanu war zu sehen. Die Nacht war hereingebrochen und hüllte Meer und Land in ihren dunkeln Schleier.
Zum Erstaunen Henriks ließ der Kapitän an die Steuerbordwache, welche, trotzdem das Schiff ankerte, vollzählig aufziehen mußte, Büchsen und Revolver verteilen, auch wurden einige kurze Lanzen sowie scharfgeschliffene Beile an die Masten gestellt, um zum augenblicklichen Gebrauch bereit zu sein.
Henrik gehörte zu dieser Wache, die vom Obersteuermann kommandiert wurde, während Marholm die Hundewache, das ist die von zwölf bis vier Uhr morgens, zu übernehmen hatte. Die an Deck befindlichen Leute hatten es sich bequem gemacht, saßen und lagen mittschiffs, plauderten und rauchten. Am Hinterdeck ging Findling langsam auf und ab. Henrik stand an die Reling gelehnt und schaute, in Gedanken versunken, in die Nacht hinaus. Bilder der Heimat stiegen vor seinem Geist empor. Er sah seine liebe Mutter im kleinen Stübchen beim Schein der Lampe am Tisch sitzen, mit der Nadel beschäftigt. Sein Onkel, Senator Asmus, trat herein und setzte sich zu ihr. Sie plauderten, und erzählten von ihm. Der Onkel liebte ihn wie seinen Sohn; er selbst hatte keine Kinder, und Henrik erwiderte herzlich des alten Herrn Zuneigung. Er nickte seinen Lieben in Gedanken freundlich zu. Während er so sann, kam der Obersteuermann und lehnte sich neben ihm über das Wasser hinaus. Findling unterhielt sich oft, soweit es der Dienst und die Disziplin erlaubten, mit Henrik, und