Am Rio de la Plata. Karl May

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Am Rio de la Plata - Karl May

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große persönliche Vorliebe für alles, was deutsch heißt, und sodann im besonderen sind Sie mir als ein Herr bezeichnet worden, von dessen bedeutenden Kenntnissen und reichen Erfahrungen ich profitieren könne. Ich habe Sie also doppelt willkommen zu heißen, Sennor.«

      Das war sehr stark aufgetragen. Dieser Mann mußte mich wirklich für höchst harmlos halten, um annehmen zu können, daß er durch solche Ueberschwänglichkeiten seinen Zweck bei mir erreichen werde. Ich antwortete also im gemessensten Tone:

      »Es thut mir wirklich leid, daß der Inhalt des betreffenden Briefes Sie veranlaßt hat, mich falsch zu beurteilen. Ich reise, um zu lernen, nicht aber um zu belehren. Für das letztere mangeln mir alle dazu nötigen Eigenschaften. Wer mir ein so unverdientes Lob erteilt, erwirbt sich nicht etwa ein Verdienst um mich, sondern er bringt mich ganz im Gegenteile in Verlegenheiten, denen ich nicht gewachsen bin.«

      »Diese Sprache habe ich erwartet. Ich weiß sehr gut, durch welche rühmenswerte Bescheidenheit der Deutsche so vorteilhaft vor andern sich auszuzeichnen pflegt. Lassen wir also lieber diesen Gegenstand fallen, und sprechen wir von den Absichten, welche Sie bei Ihrer jetzigen Reise verfolgen. Ich vermute, daß dieselben entweder merkantilischer oder naturwissenschaftlicher Natur sind.«

      »Keins von beiden, Sennor. Ich reise um des Reisens willen. Ich bin weder in den Wissenschaften, noch im Handel unterrichtet und erfahren. Der Grund, warum ich reise, ist ganz derjenige eines Spaziergängers, welcher es liebt, sein Auge an abwechselnden Bildern zu ergötzen. Ich bitte also, der falschen Ansicht, welche Sie von mir haben, eine darauf bezügliche Berichtigung zu erteilen!«

      Nachdem er mich mit so ausgezeichneter Freundlichkeit empfangen hatte, mußte ihn meine Art und Weise abkühlen. Sein Ton klang bedeutend zurückhaltender, als er mich fragte:

      »Aber wie ist es denn möglich, so weite Reisen ohne einen wirklichen Zweck zu unternehmen? Wahrhaftig, die Deutschen sind ein höchst ideales Volk! Sie sagen, daß Sie spazieren gehen. Und dazu wählen Sie sich eine Gegend, welche alles besitzt, aber nur nicht den Anreiz zum Promenieren. Haben Sie denn wirklich eine Ahnung von den Gefahren und Entbehrungen, welchen Sie während einer Reise nach dem Westen unterworfen sein werden?«

      »Ich habe mich darüber unterrichtet, natürlich nur so weit, als es aus der Entfernung möglich war, und ich sehe keinen Grund, den einmal gefaßten Gedanken aufzugeben.«

      »So bewundere ich Ihre Unternehmungslust!«

      »Sie wollen sagen, Sie belächeln die Unerfahrenheit, mit welcher ich etwas thue, was jeder andere an meiner Stelle unterlassen würde. Wenn der Unerfahrene nichts unternimmt, gelangt er eben nicht zur Erfahrung.«

      Er schüttelte den Kopf. Er schien einzusehen, daß ich noch dümmer sei, als er bisher geglaubt hatte. Es klang fast wie Mitleid, als er mich fragte:

      »Und Sie besitzen wirklich die Kühnheit, bis nach Santiago oder gar Tukuman gehen zu wollen? Wissen Sie, wie es bei uns aussieht? Gegenwärtig giebt es zahlreiche politische Parteien, welche sich gegenseitig bekämpfen, und zwar mit allen Mitteln und ohne zu fragen, ob dieselben verwerflich sind oder nicht. Gerade diejenigen Gegenden, durch welche Sie reisen wollen, sind durch diese Wirren unsicher gemacht. Sie wagen viel, vielleicht gar Ihr Leben, wenn Sie darauf bestehen, diesen Vorsatz auszuführen. Ich rate Ihnen ganz entschieden ab.«

      Das sagte er natürlich nur zum Scheine. Ich antwortete ihm »Ich pflege einen einmal gefaßten und auch reiflich erwogenen Entschluß nicht wieder aufzugeben. Das ist auch hier der Fall.«

      »Nun, so habe ich meine Schuldigkeit gethan und bin auch noch bereit, Ihnen die Reise zu erleichtern, so viel das in meinen Kräften steht. Natürlich vorausgesetzt, daß Ihnen das angenehm ist.«

      »Ich werde Ihren Beistand mit größter Dankbarkeit acceptieren, Sennor.«

      »Schön. So darf ich Ihnen vielleicht meinen Rat zur Verfügung stellen. Die Reise, welche Sie vorhaben, macht man gewöhnlich von Buenos-Ayres aus, wohin Sie sich also von hier aus zu begeben hätten. Leider aber würden Sie da durch Gegenden kommen, welche durch zügellos gewordene militärische Banden unsicher gemacht werden. Aus diesem Grunde schlage ich Ihnen eine andre Route vor, welche zwar ungewöhnlicher ist, Ihnen dafür aber die möglichste persönliche Sicherheit bietet. Gehen Sie quer durch Uruguay und die Provinz Entre Rios bis nach Parana oder Santa Fé. Von da aus haben Sie die beste Gelegenheit, über Cordoba nach Santiago und Tukuman zu kommen.«

      »Danke, Sennor! Ich bin bereits jetzt der Ansicht, daß es für mich vorteilhaft sein wird, Ihrem Rate zu folgen.«

      »Gewiß ist es das beste, was Sie thun können. In diesem Falle wäre ich imstande, Ihnen die Reise bedeutend zu erleichtern. Ich könnte Sie mit einem Empfehlungsschreiben an einen sehr einflußreichen, hohen Offizier versehen, in dessen Macht es liegt, Ihnen Ihren Weg zu ebnen. Es ist Lopez Jordan, der Stiefsohn des früheren Präsidenten Urquiza. Haben Sie von ihm gehört?«

      »Ich habe erfahren, daß er allerdings ganz bedeutende Verbindungen besitze.«

      »Er besitzt weit mehr als das. Es ist aller Grund vorhanden, anzunehmen, daß er vor einer Carriere stehe, welche ihn zur höchsten Stelle der öffentlichen Gewalt bringen wird. Ich kann mich einer näheren Bekanntschaft, ja fast Freundschaft mit ihm rühmen, und hege die Ueberzeugung, daß meine Empfehlung an diesen bedeutenden Mann für Sie von sehr großem Vorteile sein würde. Da Sie mir empfohlen sind, ist es meine Pflicht, für Sie zu sorgen. An eine Gegenleistung hat man dabei nicht zu denken. Sie nehmen also meinen Vorschlag bezüglich dieser Empfehlung an?«

      »Gewiß. Es wäre ja die größte Unklugheit, denselben zurückzuweisen.«

      »Giebt es einen Grund, welcher Sie für längere Zeit hier in Montevideo halten könnte?«

      »Nein, Sennor. Hier fesselt mich weder ein persönliches, noch ein geschäftliches Interesse, und ich kann zu jeder Stunde aufbrechen. Die Stadt bietet mir nichts Neues oder Seltenes. Ich will tiefer in das Land hinein und habe gar keinen Grund, mich unnütz hier an der Küste lange aufzuhalten.«

      »Das ist gut, Sennor. Heute weiß ich nämlich noch, wohin ich meinen Empfehlungsbrief zu adressieren habe, später aber wüßte ich nicht, wohin ich Sie schicken sollte, da Lopez Jordan nächstens aufbrechen wird, um in amtlicher Eigenschaft die Provinzen zu bereisen. Je eher Sie bei ihm ankommen, desto besser für Sie. Es ist alle Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß Sie sich ihm anschließen könnten, da er nach ganz derselben Gegend gehen will, die auch Ihr Ziel ist. Freilich dürften Sie sich nicht unnötig hier verweilen und müßten vielleicht schon morgen von hier abreisen.«

      Er sagte das in einem so eindringlichen und fürsorglichen Tone, daß ich mich gewiß hätte täuschen lassen, wenn mir nicht der Inhalt des Schreibens bekannt geworden wäre. Ich ging daher scheinbar auf seine Vorstellung ein:

      »Unter diesen Verhältnissen bin ich natürlich bereit, schon morgen früh aufzubrechen.«

      »Schön! Ich werde Sie also jetzt mit der Empfehlung versehen. Aufrichtig gestanden, habe ich bereits am Nachmittage an dieselbe gedacht, da ich ziemlich überzeugt war, daß Sie meinem Rat Folge leisten würden, und habe also den Brief bereits angefertigt. Lopez Jordan befindet sich gegenwärtig in Parana. Der kürzeste Weg würde über Mercedes, den Uruguayfluß und Villaguay führen. In welcher Weise reisen Sie?«

      Ich zuckte die Achseln.

      »Ich bin mit den hiesigen Verhältnissen so wenig vertraut, daß ich Sie ersuchen möchte, mir auch in dieser Beziehung Ihren Rat zu erteilen.«

      »Ich rate zur Diligence, der Staatskutsche, deren Benutzung ich Ihnen angelegentlich empfehlen kann. Mit derselben reisen Sie billig und so

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