Ardistan und Dschirnistan I. Karl May

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Ardistan und Dschirnistan I - Karl May

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man sie mit breiten Lederriemen umwunden hatte. Die Sohlen waren von einer solchen Länge und Breite, daß sie die Größe der Stapfen im Grase mehr als hinreichend erklärten. Die Oberschenkel steckten in sehr festen, ledernen Hohlzylindern, die man unter Zuhilfenahme der Phantasie als Hose bezeichnen könnte. Von Leder war auch die Bekleidung des Leibes, eine Art von Koller, welches vorn sehr weit offen stand und eine vollständig und sehr dicht behaarte Brust sehen ließ. Man hatte bei diesem Anblicke das Gefühl, daß auch der ganze übrige Körper in der gleichen Weise behaart sein müsse. Dementsprechend war der unbedeckte Kopf durch einen dunklen Haarwald geschützt, der wie eine Mähne bis halb über den Rücken herunterhing, und vom Gesicht waren nur einige kleine Stellen Haut zu sehen; das andere alles war Bart, der vorn fast noch weiter herniederreichte als hinten das Haar des Hauptes. Die Augen dieses Mannes konnten, genau wie diejenigen seines Pferdes, nur als >Äuglein< gelten; sie waren viel zu klein für diese Hünengestalt, für diesen Riesenkopf und für dieses breite, ja fast überbreite Gesicht, in dessen Behaarung sie fast ganz verschwanden. Einen Sattel gab es nicht, Steigbügel auch nicht, und das Zaumzeug bestand sehr einfach aus einem Riemen, der dem Pferde um das Maul geschlungen war, so daß der Reiter die beiden Enden in den Händen hatte. Metallteile gab es auch nicht. Das war sehr bequem für das Tier, nicht aber für den Reiter, dem in dieser Weise weiter nichts als nur der Schenkeldruck zur Verfügung stand, sich das Pferd gefügig zu machen.

      Man denke ja nicht, daß es in der Absicht dieser Beschreibung liegt, Roß und Reiter lächerlich zu machen. Ich habe ganz im Gegenteile zu konstatieren, daß die ungewöhnlichen Formen beider mich zwar überraschten, doch keineswegs nach der heiteren, sondern nur nach der ernsten Seite hin. Die Doppelfigur, die vor mir stand, machte den Eindruck der aufrichtigen ungekünstelten Natürlichkeit, der ungeschmälerten Kraft, der unbedingten Furchtlosigkeit, der überstrotzenden Gesundheit und – last not least – jener geraden, unbekümmerten Gutmütigkeit, die allen ihrem Ursprung nach ziemlich nahestehenden Wesen eigen ist. »Ursprung«, ja, das war das richtige Wort für die Vorstellung, die man sich bei dem Anblicke dieses Mannes und dieses Pferdes machte. Hätte ich ein Märchen zu schreiben, in welchem der Urmensch auf dem Urpferde zu erscheinen hat, so würde ich ganz unbedingt zu dem Bilde greifen, welches ich hier vor Augen hatte.

      Der Riese betrachtete mich ebenso still und forschend, wie ich ihn. Dann fragte er:

      »Wo kommst Du her?«

      Ich deutete hinter mich und antwortete:

      »Daher.«

      »Vom Meere?«

      »Ja.«

      »Wo willst Du hin?«

      »Dorthin.«

      Indem ich dies sagte, deutete ich vorwärts. Da forderte er mich auf:

      »Drücke Dich bestimmter aus! Daher und dorthin, das sind keine Antworten! Du scheinst mich nicht zu kennen?«

      »Ich habe Dich allerdings noch nicht gesehen.«

      »So höre, was ich Dir sage, und merke es Dir! Ich bin Amihn, der oberste Scheik des unbesiegbaren Stammes der Ussul, hast Du das verstanden?«

      »Ja.«

      »So verhalte Dich dementsprechend! Das ganze Land, von der Küste des Meeres an bis dort hinauf, wo die Berge beginnen, ist mein Eigentum. Alles, was in diesem Lande wächst, gehört mir. Jeder, der in diesem Lande wohnt, gehört mir. Und jeder, der dieses Land betritt, gehört mir. Also auch Du! Hast Du das verstanden?«

      »Ja.«

      »Wenn mir der Mann gehört, so versteht es sich ganz von selbst, daß mir auch alles gehört, was er besitzt. Gibst Du das zu?«

      »Ja.«

      »Das freut mich. Fremder, Du scheinst überhaupt nicht dumm zu sein! So schnell wie Du, hat bisher noch keiner eingesehen, daß ich der rechtmäßige Inhaber seines Eigentumes bin. Ich werde Dich einmal genau betrachten und Deine Sachen dann auch.«

      Er kam bis heran zu mir geritten und stieg von seinem Urpferde. Nun sah man erst, was dieser Mann für Füße, für Schenkel, für Arme hatte! Seine Hände waren noch einmal so breit als die meinigen. Diese Breite der Schultern! Ich stand fast wie ein Zwerg vor ihm! Er faßte mich hüben und drüben an den Oberarmen und drehte mich zweimal um mich selbst. Ich ließ mir dies ruhig gefallen, doch nicht etwa aus Angst, o nein! Hier stand der Körper dem Geiste, die rohe, ungefüge Kraft der geschulten Überlegung, der Muskel dem Gehirn gegenüber, und wer da schließlich die Oberhand behalten mußte, das kam gar nicht erst in Frage. Diese meine scheinbare Gefügigkeit schien ihn für mich einzunehmen, denn er sagte:

      »Du gefällst mir! Du bist von jetzt an mein Knecht, hast also bei mir zu bleiben. Ich weiß zwar nicht, wozu Du mir dienen und welchen Nutzen Du mir bringen sollst, aber es wird sich wohl schon etwas finden, wodurch Du mir beweisen kannst, daß Du wenigstens nicht ganz und gar wertlos bist. Zeig her, was Du da hast!«

      Um beide Hände frei zu bekommen, rannte er seinen Spieß in den Erdboden und griff nach meinen Gewehren, um sie zu betrachten. Den fünfundzwanzigschüssigen Henrystutzen behielt er nur einen Augenblick in der Hand, dann warf er ihn weg; er war ihm zu leicht.

      »Ich kenne diese Dinger nicht, mag sie auch nicht,« sagte er in sehr verächtlichem Tone. »Spielzeug für Kinder!«

      Die ungewöhnliche Schwere des Bärentöters aber imponierte ihm. Er wiegte ihn hin und her, nahm ihn dann bei den Läufen, schwang ihn durch die Luft, als ob er jemand mit dem Kolben erschlagen wollte, und ließ sich zu der lobenden Bemerkung herab:

      »Diese Flinte ist besser! Die zerbricht nicht, wenn man sie einem Feinde auf den Schädel schlägt!«

      Für ihn schienen Gewehre wohl nur als Keulen, nicht aber zum Schießen vorhanden zu sein. Dennoch gefiel es ihm, das Schloß der Büchse einer näheren Betrachtung zu unterziehen, doch sah ich ihm an, daß er sich gar nicht viel Kluges dabei dachte. Während der Urmensch sich mit dieser meiner Waffe beschäftigte, beliebte nun auch dem Urgaul eine Annäherung an mich. Er schob mit der Schnauze seinen Herrn ganz einfach zur Seite, kam zu mir heran, kurbelte mit dem Schwanze, beäugelte und beschnüffelte mich und schien mich für einen ganz annehmbaren Kerl zu halten, denn er tat mir die Ehre an, seine nasse Schnauze an meinem Gesicht abzutrocknen. Da gab ich ihm eine Ohrfeige, und zwar was für eine! Das beleidigte ihn aber nicht. Im Gegenteile, es schien ihm zu gefallen, denn er hob den ungeschlachten Kopf hoch empor, schloß vor lauter Glückseligkeit die beiden Äuglein zu, riß das Maul sperrangelweit auf und – — – wieherte etwa? O nein! Das, was ich da zu hören bekam, das war kein Wiehern, das war kein Trompeten eines Elefanten, kein Brüllen eines Löwen, kein Nebelhorn eines Seedampfers und auch keine Hupe eines Automobils; aber es hatte etwas von alledem, und das klang so außerordentlich überraschend, daß ich am liebsten umgefallen wäre, nur weiß ich nicht, ob vor Schreck oder vor Lachen. Da drehte sich sein Herr zu ihm um und fuhr es in strafender Weise an:

      »Bist Du toll? So zu brüllen! Hier im freien Feld, wo man gar nicht weiß, ob nicht noch andere Fremde da sind, die nicht wissen dürfen, wo wir uns befinden! Schäme Dich!«

      Da fiel der Kopf des Gaules schnell wieder herab, noch tiefer, als er vorher gehangen hatte; der Schwanz unterbrach seinen Radumlauf; die Äuglein näherten sich einander, um beschämt an der Nase lang herabzublicken, und aus dem Herzen stieg ein so langer, schwerer, unendlich tiefer Seufzer, als ob das liebe Vieh im Begriff stehe, aus lauter Scham und Reue in die Erde zu versinken. Ich fühlte mich im Innern meiner Seele aufrichtig gerührt. Es gab gar keinen Zweifel darüber, daß dieses Urpferd zugleich auch ein Gemütspferd war!

      »Er heißt Nazik,« erklärte mir der Scheik, indem er auf den Leierkasten deutete,

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