Der Schut. Karl May
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Allah dejirmenler jawasch öjütirler,
Lakin korkurlu jufka öjütirler.
(* Gottes Mühlen mahlen langsam,
Mahlen aber schrecklich klein.)
Dieses Wort gilt auch für euch. Es trägt für den Sünder eine furchtbare Wahrheit in sich. Ich wünsche, daß ihr dieselbe erkennt und nach ihr handelt. Tut ihr das nicht, so werdet ihr ebenso wie der Mübarek dem Strafgericht verfallen.«
»Herr, mir gelten deine Worte nicht,« lachte der Konakdschi. »Ich bin dein Freund und habe mit dem Alten nichts zu schaffen. Allah kennt meine Gerechtigkeit und weiß, daß ich keine Strafe verdiene. Und auch dieser Mann, der Kohlenhändler, und seine Frau sind ehrliche Leute. Du hast uns eine Rede gehalten, die wir nicht auf uns zu beziehen brauchen. Jeder Mensch sollte sich um seine eigenen Fehler bekümmern.«
Da er sich seiner bösen Absichten gegen uns sehr wohl bewußt war, so konnten diese Worte nur als eine Frechheit bezeichnet werden. Halef griff auch nach der Stelle seines Gürtels, an welcher sich die Peitsche befand. Ich gab ihm aber einen abwehrenden Wink und antwortete dem Konakdschi:
»Du hast recht, denn wir alle sind Sünder, und ein jeder Mensch hat seine Fehler. Dennoch ist es Pflicht, den Nächsten zu warnen, wenn er sich in eine Gefahr begibt, in welcher er leicht umkommen kann. Und es gibt keine größere Gefahr als diejenige, mit der Langmut und Barmherzigkeit Allahs sein Spiel zu treiben. Ich habe diese meine Pflicht getan, und es ist nun eure Sache, meiner Warnung Gehör zu schenken oder nicht. Wir sind hier fertig und wollen nun das Fleisch nach der Stelle tragen, an welcher das Pferd überfallen ward.«
Wir begaben uns in den Schuppen. Das Gerippe des Pferdes hielt noch zusammen, und wir konnten es gleich im ganzen tragen. Halef und der Kohlenmann faßten vorn an, ich trug hinten, und dann marschierten wir ab. In der Nähe des Platzes angekommen, gebot ich, die Last niederzulegen. An dem schweren Geripp hing wohl noch ein voller Zentner Fleisch. Das Fell hatte der Wirt schon abgezogen.
Ich gebot, unsere Sohlen recht fest an dem Fleische hin und her zu reiben, damit der Bär nicht unsere frischen Spuren wittere. Der Fleischgeruch mußte seine Nase irreführen. Dann ging es weiter.
Als wir die Stelle erreichten, sah ich, daß sie außerordentlich gut für unsern Zweck geeignet war. Ich erkannte trotz des abendlichen Dunkels die Einzelheiten der Oertlichkeit, da ich sie in einem Halbkreise so umschritt, daß sie zwischen mir und dem helllodernden Feuer lag und sich also alle Umrisse gegen dasselbe abzeichneten.
Die sehr scharf vortretende Zunge des Waldes endete in einer schroff felsigen Spitze, von welcher schwere, quaderartige Massen abgestürzt waren. Diese lagen zerstreut unten umher. Zwischen ihnen war das tote Pferd aufgefunden worden. Wir hatten es genau an demselben Punkt wieder hingelegt, und wenn wir uns im richtigen Wind hinter eins der Felsstücke legten, so konnte uns das Raubtier, falls es wirklich kam, gar nicht entgehen.
Dem Kohlenhändler war es an diesem Ort nicht geheuer, und er ging alsbald davon. Wir folgten ihm langsam nach.
»Der Kerl will nicht gefressen werden,« lachte Halef. »Jetzt im Dunkeln könnte ihm das vielleicht passieren, aber ich wette, wenn der Bär ihn am Tage sähe, so würde er den Kopf schütteln und sagen: du bist mir zu schmutzig! Sihdi, du winktest mir nach dem Päckchen, welches er in der Hand hatte?«
»Ja. Weißt du, was es enthielt?«
»Natürlich! Ich erkannte sogleich den Lappen, welchen die Besitzerin des Fischtranes um das Geräucherte gewickelt hatte. Ich hatte ihn samt der Wurst weggeworfen. Sollte er auch die Wurst gefunden haben?«
»Höchst wahrscheinlich, denn das, was der Lappen enthielt, hatte ganz die Form einer Wurst.«
»So mag er sie essen und die Fortsetzung meiner Qual empfinden! Ich wollte, ich könnte ihm dabei zusehen; es sollte mir eine Augenweide sein.«
»Dieses Vergnügen wirst du vielleicht haben. Weil er diesen Fund gemacht hat, so schließe ich daraus, daß er sich dort befand, wo du die Wurst weggeworfen hast. Was hatte er dort zu suchen? Sein Weib sagte, er sei fortgegangen, um die Fährte des Bären zu entdecken; das ist aber nicht wahr. Er hat erfahren, daß wir kommen werden, und seine Ungeduld trieb ihn, uns entgegenzugehen. Er muß also an unserm Eintreffen ein Interesse haben, zumal er denken mußte, daß wir während seiner Abwesenheit den Mübarek, welchen wir doch nicht sehen sollten, viel leichter entdecken könnten, als wenn er persönlich anwesend wäre. Das läßt mich vermuten, daß ihm von der Beute, welche die Schurken bei unserer Ermordung machen wollen, ein Teil zugesichert ist.«
»Da soll er sich den Mund abwischen, ohne gegessen und getrunken zu haben. Ich sage dir, Sihdi, daß wir viel zu glimpflich mit diesen Leuten verfahren. Erschießen sollten wir sie; die Menschheit würde uns Dank dafür wissen. «
»Du weißt, wie ich darüber denke. Ich habe ja auch geschossen. Der Mübarek wird an meinen beiden Kugeln sterben. Aus dem Hinterhalt töte ich sie nicht. Das wäre Mord. Aber wenn sie uns so angreifen, daß unser Leben bedroht ist, dann verteidigen wir uns mit allen Mitteln.«
Wir kamen bei dem Feuer an, um welches sich mittlerweile die Andern gelagert hatten. Der Konakdschi hatte zwei Gabeläste in die Erde gesteckt und war nun damit beschäftigt, ein großes Stück Pferdefleisch an einen dritten Ast zu schieben, welcher die Stelle des Bratspießes vertreten sollte. Wenn er glaubte, bei diesem Braten uns als Gäste zu bekommen, so mußte er verzichten. Glücklicherweise hatten wir noch einen kleinen Speisevorrat bei uns, welcher für diesen Abend leidlich ausreichte.
Als der Kohlenhändler uns essen sah, bekam er solchen Appetit, daß er das Garwerden des Pferdebratens nicht erwarten konnte. Er ging in das Haus und brachte seine Frau und — das ominöse Päckchen herbei. Beide setzten sich nebeneinander an das Feuer. Er wickelte den Lappen auf, und richtig, die Wurst war darin mit Ausnahme der Düte. Er teilte die Wurst, aber sehr ungleich; seine Frau bekam den kleinen und er nahm den großen Teil. Von dem Konakdschi befragt, woher er die Wurst habe, erklärte er, sie von einer seiner Handelsfuhren mitgebracht zu haben. Er durfte sie essen, weil er kein Mohammedaner war. Und die beiden aßen denn auch mit größtem Behagen. Halef sah ihnen aufmerksam zu. Er hätte gern eine Bemerkung gemacht, aber er durfte ja nichts sagen.
Aus dem Hause erschallte das immerwährende Aechzen und Wimmern des Mübarek, untermischt mit einzelnen schrillen Angstschreien. Es klang, als ob ein Mensch auf der Folter läge. Seine Verbündeten machten sich nichts daraus. Ich forderte das Weib auf, wieder einmal nach ihm zu sehen und ihm Wasser zu geben; aber eben war der Braten fertig geworden, und so weigerte sie sich, meinem Wunsch nachzukommen. Darum stand ich selbst auf, um es zu tun.
Grad als ich mich erhob, ließ der Kranke ein so entsetzliches Gebrüll hören, daß es mich eiskalt überlief. Ich wollte zu ihm hineineilen, aber da erschien er auch bereits unter der Türe und schrie:
»Hilfe! Hilfe! Es brennt! Ich stehe in Flammen!«
Er stürzte auf uns zu. Die Aufregung des Fiebers spottete der Schwachheit seiner Kräfte. Schon nach einigen Schritten blieb er stehen, stierte das Feuer an und brüllte entsetzt:
»Auch hier Flammen! Ueberall Flammen, hier, da, dort! Und in mir brennt's auch, brennt's, brennt's! Hilfe! Hilfe!«
Er warf den unverletzten Arm in die Luft und fiel dann schwer zu Boden, wo er leise, aber herzbrechend fortwimmerte.
Wir hoben ihn auf, um ihn wieder in die Stube zu tragen, hatten aber Mühe, ihn fassen zu können, denn er hielt uns für böse Geister und wehrte sich verzweifelt gegen uns. Als wir