Old Surehand III. Karl May
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Es wurde ihnen schwer, diesem Befehle Gehorsam zu leisten. Sie sahen ihren Häuptling fragend an; er forderte sie auf:
»Thut, was Old Shatterhand euch gesagt hat! Sollten die Krieger der Osagen dann im Zweifel darüber sein, wie sie sich zu verhalten haben, so mögen sie Honskeh Nonpeh[11] fragen, dem ich den Befehl übergebe. Er wird das Richtige treffen!«
Als er diese Weisung erteilte, nahm ich sein Gesicht scharf in die Augen. Es war vollständig undurchdringlich; kein Zug desselben verriet, ob diese Abtretung des Kommandos an einen andern für uns später Kampf oder Frieden zu bedeuten haben werde. Die zwei Freigelassenen stiegen die Böschung hinan und entfernten sich in der Richtung, welche Old Wabble vorhin auch eingehalten hatte. Sie gingen auf seiner Spur, und es war vorauszusehen, daß sie ihn bald einholen würden.
Daß ich ihre Pferde zurückbehalten hatte, war nicht aus nur einem Grunde geschehen. Wären sie beritten gewesen, so hätten sie das Wara-tu viel schneller als zu Fuße erreicht, und die zu erwartende Verfolgung hätte einige Stunden eher beginnen können; wir gewannen also Zeit. Ferner waren sie als Boten, welche schnell und weit zu reiten hatten, mit sehr guten Pferden versehen gewesen, und grad solche Tiere konnten wir brauchen. Auch ihre Waffen konnten uns von Nutzen sein. Apanatschka, welcher, wie bereits erwähnt, nur mit einem Messer versehen gewesen war, bekam das Gewehr Schahko Mattos, welches mit nicht ganz schlechten Eigenschaften behaftet zu sein schien. Es verstand sich von selbst, daß er sein ursprüngliches Vorhaben, nach den heiligen Steinbrüchen zu reiten, einstweilen aufgab und sich dafür entschloß, uns hinauf nach Colorado zu begleiten. Da wir fast mit Sicherheit annehmen konnten, daß die Osagen, sobald die zwei Boten sie benachrichtigten, daß ihr Häuptling unser Gefangener sei, sofort nach dem Kih-pe-ta-kih kommen und uns von da aus folgen würden, um ihn zu befreien, konnte unsers Verweilens hier nicht länger sein. Schahko Matto wurde auf sein Pferd gebunden, doch in so schonender Weise, wie die Verhältnisse es uns erlaubten. Pitt Holbers und Treskow bestiegen die zwei Osagenpferde; die andern wurden als Packtiere benutzt, und so verließen wir die »alte Frau« , bei welcher uns nur eine so kurze Rast vergönnt war.
Der nun folgende Ritt mußte uns weit vom Republikan-River abbringen, weil dieser Fluß sich nun nordwärts nach Nebraska wendete. Wir hielten uns gradwestlich, um den Salmon-River zu erreichen. Dabei befanden wir uns zwischen zwei Uebeln, von denen das eine vor und das andere hinter uns lag. Das vor uns liegende bestand aus der Truppe des »Generales«, von welcher wir bald eine Spur zu finden hofften, das hinter uns befindliche aus den Osagen, deren Kommen mehr als wahrscheinlich war. Keines von diesen beiden Uebeln aber war geeignet, uns in große Unruhe zu versetzen. Daß es noch ein drittes, uns viel näherliegendes, geben könne, das ahnten wir nicht, obgleich wir ihm grad und genau entgegenritten.
Wir hätten, um die Osagen irre zu führen, uns für einige Zeit südlich wenden können; aber einesteils hatten wir vor diesen Indsmen keine Angst, und andernteils wäre durch einen solchen Umweg die Zeit unsers Zusammentreffens mit Old Surehand weiter, als wir wünschen durften, hinausgeschoben worden. Darum behielten wir die westliche Richtung bis zum Nachmittage des nächsten Tages bei, wo wir eine Begegnung hatten, welche uns veranlaßte, unserer ursprünglichen Absicht entgegen doch nach Süden einzubiegen.
Wir trafen nämlich auf drei Reiter, von denen wir erfuhren, daß eine sehr zahlreiche Bande von Tramps durch die ganze vor uns liegende Gegend schwärme. Die Männer waren einem Teile dieser Bande in die Hände gefallen und nicht nur vollständig ausgeraubt worden, sondern der eine von ihnen zeigte mir auch eine nicht ungefährliche Schußwunde, welche er bei dieser Gelegenheit in den Oberschenkel erhalten hatte. Wer von den Tramps gehört oder gar sie persönlich kennen gelernt hat, der wird es begreiflich finden, daß wir gar keine Lust hatten, solchen zügel- und gewissenlosen Menschen zu begegnen, vor denen jeder brave Westmann sich wie vor Ungeziefer hütet, weil er es für eine Schande hält, seine Kraft mit der ihrigen zu messen. Wie der geübteste und eleganteste Florettfechter unmöglich gegen die Düngergabel eines rüden Stallknechtes aufkommen kann, so hütet sich jeder ehrliche Prairieläufer, mit diesen von der Gesellschaft für immer Ausgestoßenen in Berührung zu kommen, nicht etwa aus Furcht oder gar Angst, sondern aus Abscheu vor der Gemeinheit ihres Auftretens.
So auch wir. Wir schwenkten kurz entschlossen nach Süden ab und gingen schon gegen Abend über den Nordarm des Salmon-River, an dessen rechtem Ufer wir für die Nacht Lager machten.
Hier war es, wo Apanatschka sein bisheriges Schweigen brach und mir erzählte, was er nach unserer Trennung im Llano estacado erlebt hatte. Es war nichts besonders Erwähnenswertes. Sein Ritt mit Old Surehand nach Fort Terrel war, wie bereits erwähnt, ohne Erfolg gewesen, da sie den dort gesuchten Dan Etters nicht gefunden hatten; es war dort überhaupt kein Mensch gewesen, der diesen Namen einmal gehört oder den Träger desselben gar persönlich gesehen hatte. Als Apanatschka dies erzählte, sagte ich:
»So ist meine damalige Voraussage also eingetroffen. Ich traute dem sogenannten »Generale« nicht; es kam mir gleich so vor, als ob er Old Surehand über diesen Etters täuschen wolle. Er hatte irgend eine bestimmte Absicht dabei, welche ich leider nicht erraten konnte. Es schien mir, als ob er das Verhältnis Old Surehands zu Etters genauer kenne, als er merken lassen wollte; ich machte unsern Freund darauf aufmerksam; er wollte es aber nicht glauben. Hat er mit meinem roten Bruder Apanatschka vertraulich darüber gesprochen?«
»Nein.«
»Er hat gar keine, keine einzige Aeußerung darüber fallen lassen, warum er so eifrig nach diesem Etters suchte?«
»Keine.«
»Und dann habt ihr euch am Rio Pecos getrennt und du bist zu deinem Stamme heimgekehrt?«
»Ja; ich bin nach dem Kaam-kulano geritten.«
»Wo deine Mutter dich gewiß mit Freude empfing?«
»Sie erkannte mich im ersten Augenblick und nahm mich liebreich auf, dann aber ging ihr Geist schnell wieder von ihr fort,« antwortete er, schnell trüb gestimmt, wie ich bemerkte.
Dennoch fragte ich, ohne auf diese seine Stimmung Rücksicht zu nehmen:
»Erinnerst du dich noch der Worte, die ich aus ihrem Munde gehört hatte?«
»Ich kenne sie. Sie sagt sie ja stets.«
»Und glaubst du noch heut so wie damals, daß diese Worte zur indianischen Medizin gehören?«
»Ja.«
»Ich habe es nie geglaubt und glaube es auch jetzt noch nicht. Es wohnen in ihrem Geiste Bilder von Personen und Ereignissen, welche nicht deutlich werden können. Hast du denn gar nicht einmal einen Augenblick bei ihr bemerkt, an welchem diese Bilder heller wurden?«
»Nie. Ich bin nicht oft mit ihr beisammen gewesen, denn ich mußte mich nach meiner Heimkehr bald von ihr trennen.«
»Warum?«
»Die Krieger der Naiini, und besonders Vupa Umugi, der Häuptling derselben, konnten es mir nicht verzeihen, daß mein weißer Bruder Shatterhand mich für würdig erachtet hatte, die Pfeife der Freundschaft und der Treue mit mir zu rauchen. Sie machten mit das Leben im »Thal der Hasen« schwer, und so ging ich fort.«
»Wohin?«
»Zu dem Komantschenstamme der Kaneans.«
»Würde mein Bruder sofort von ihnen aufgenommen?«
»Uff! Wenn es nicht Old Shatterhand
11
»Lange Hand«.