Old Surehand III. Karl May
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»Macht keine dummen Witze, Sir! Oder solltet Ihr Euch wirklich einbilden, daß wir uns vor Eurer Gartenspritze fürchten werden? Thut sie weg, und seid gemütlich, denn wir sind es auch!«
Das volle Gesicht des Kleinen strahlte allerdings eine Freundlichkeit aus, welcher der Reiter nicht widerstehen konnte wie ebensowenig sein Pferd, denn dieses ließ ein vergnügtes Wiehern hören, und er antwortete, indem er sein Gewehr sinken ließ:
»Diesen Gefallen kann ich Euch schon thun. Uebrigens bilde ich mir über Euch vorläufig gar nichts ein, weder etwas Gutes noch etwas Böses, obgleich Ihr zugeben werdet, daß ich allen Grund habe, Verdacht gegen Euch zu hegen.«
»Verdacht? Warum?«
»Weiße und Rote gehören nicht zusammen, und wenn man sieht, daß diese zwei Farben sich einmal vertragen, hat man gewöhnlich die Kosten dieses Schauspieles zu bezahlen.«
»Vertragen? Seht Ihr denn nicht, daß einer der Indianer gefangen ist?«
»Um so schlimmer, daß Ihr dem andern nicht auch einige Riemen angelegt habt. Der Gefangene scheint eine Leimrute zu sein, an der man kleben bleiben soll!«
»Ob Ihr kleben bleibt oder nicht, das ist uns ganz egal; aber los kommt Ihr nicht. Wir wollen wissen, wer Ihr seid, und zu welchem Zwecke Ihr Euer Pferd hier in dieser alten Prairie spazieren reitet.«
»Spazieren? Danke! Es war kein angenehmer Ritt, den ich hinter mir habe.«
»Warum?«
»Ehe ich antworte, will ich erst wissen wer Ihr seid!«
»Ah so! Bin sofort bereit, Euch gehorsamst zu Diensten zu stehen!« Und mit der Hand der Reihe nach auf sich und uns zeigend, fuhr er fort:
»Ich bin der Kaiser von Brasilien, wie Ihr mir ja gleich angesehen haben werdet. Der ungefesselte Indianer hier ist einer von den heiligen drei Königen aus dem Morgenlande, von denen bekanntlich der erste weiß, der zweite rot und der dritte schwarz gewesen ist; dieser hier wird also wohl der zweite sein. Der Mann mit dem großen und dem kleinen Gewehre« – er deutete dabei auf mich – »ist Bileam, der Euch wohl bald zum Sprechen bringen wird. Der Weiße neben ihm« – er meinte Treskow – »ist ein verwunschener Prinz aus Marokko, an dessen Seite Ihr seinen Hofnarren seht —«
Da er bei dem Worte Hofnarr auf Pitt Holbers zeigte, fiel ihm dieser kräftig in die Rede:
»Halte den Schnabel, alte Spottdrossel! Du gebärdest dich doch, als ständest du vor einer Menagerie, deren Bestien du diesem Fremden zeigen müßtest!«
»Ob Bestien oder nicht Bestien, das bleibt sich ganz gleich. Meinst du etwa, Pitt Holbers, altes Coon, daß ich ihm eure Namen nenne soll? Da kennst du weder mich noch die Gesetze des Westens. Er ist allein; wir sind ein ganzer Trupp, also hat er zuerst zu antworten, aber nicht wir, und wenn er das nicht augenblicklich thut, renne ich ihm mein Gewehr in den Leib oder reite ihn einfach über den Haufen.«
Er meinte das natürlich nur im Scherze; mochte nun der Fremde dies so nehmen oder nicht, aber er warf einen verächtlichen Blick auf die alte, haarlose Stute Hammerdulls und rief, indem er ein lautes Lachen hören ließ, aus:
»Lack-a-day! Mit dieser Pfefferkuchenziege soll ich umgeritten werden? Die würde doch sofort aus allen Knochen fallen. Versucht es doch einmal! Come on!«
Der Dicke hielt so große Stücke auf sein Pferd, daß ihn nichts so schnell in Harnisch bringen konnte, als wenn man sich über das häßliche Aeußere desselben lustig machte. So auch hier. Seine gute Laune war wie weggeblasen, und kaum hatte der Fremde die Aufforderung ausgesprochen, so ertönte die zornige Antwort:
»Sogleich, sogleich! Go on!«
Die Stute hörte das bekannte Wort; sie fühlte den Schenkeldruck und die Zügelhilfe und gehorchte augenblicklich. Sie rannte mit einem Satze, den ihr jeder, der sie nicht kannte, nie zugetraut hätte, das Pferd des Fremden an, welches zunächst in das Straucheln kam und nach einem zweiten Angriffssprunge der Stute sich hinten niedersetzte. Das geschah so rasch und unerwartet für den Reiter, daß er, ohne Zeit zum Parieren zu finden, die Bügel verlor und aus dem Sattel flog. Nun war die Reihe, zu lachen, an Dick Hammerdull. Er warf seine kurzen, dicken Arme triumphierend in die Luft und rief.
»Heigh-day! Da fliegt er hin, der Pfefferkuchenmann! Wenn er nur nicht zerbrochen ist! Hat das die alte Ziege nicht gut gemacht, Pitt Holbers, altes Coon?«
Der Lange antwortete in seinem gewöhnlichen Gleichmute:
»Wenn du denkst, daß sie dafür einen Sack voll Hafer verdient hat, so magst du recht haben, lieber Dick.«
»Ob Hafer oder nicht, daß bleibt sich gleich; es giebt hier leider nur Gras zu fressen!«
Der Fremde rappelte sich empor, hob sein Gewehr auf, welches ihm entfallen war, und stieg mißmutig wieder in den Sattel. Um aus dem derben Scherze nicht völlig Ernst werden zu lassen, richtete nun ich selbst das Wort an ihn:
»Ihr seht, daß es selbst dem besten Cow-boy einmal geschehen kann, daß er ein fremdes Pferd unter- und das seinige überschätzt. Ganz ebenso scheint Ihr Euch auch in den Reitern geirrt zu haben. Daß ein Roter unser Gefangener ist, giebt für Euch keinen Grund, uns für Leute zu halten, denen Ihr nicht trauen dürft. Wir sind ehrliche Westmänner, und da wir wissen, daß dort oben im Norden, woher Ihr kommt, sich Tramps herumtreiben, die wir vermeiden wollen, so möchten wir so ungefähr wissen, wer und was Ihr seid.«
Daß er ein Cow-boy war, sagte mir seine Kleidung und Ausrüstung. Er antwortete jetzt bereitwillig:
»Diese Tramps sind es eben, wegen denen ich euch mißtraute und eigentlich noch jetzt mißtrauen muß.«
»Hm, mag sein! Ich hoffe, Euer Vertrauen sogleich zu erlangen, falls Euch nämlich der Name Winnetou nicht unbekannt ist.«
»Winnetou? Wer sollte diesen Namen nicht kennen!«
»Wißt Ihr, wie er gewöhnlich gekleidet und bewaffnet ist?«
»Ja. Er geht in Leder, mit einer Sandillodecke um die Hüften, das Haar lang herab und die Silberbüchse an – — —«
Er hielt inne, fixierte den Apatschen einen Augenblick, schlug sich dann mit der Hand an die Stirn und rief:
»Wo habe ich doch nur meine Augen gehabt! Das ist er ja selbst, der berühmte Häuptling der Apatschen! Da ist ja alles gut. Ihr andern mögt nun meinetwegen sein, wer ihr wollt. Wo Winnetou dabei ist, da giebt‘s nur Ehrlichkeit und keine Schelmerei. Jetzt weiß ich, daß ich Euch alles sagen darf, was Ihr wissen wollt.«
»Well! Ihr habt schon wiederholt gehört, daß wir erfahren möchten, wer Ihr seid.«
»Ich heiße Bell und bin bedienstet auf Harbours Farm.«
»Wo liegt diese Farm?«
»Zwei Meilen südwärts von hier am Flusse.«
»Die kann erst seit kurzem gegründet sein. Früher hat es keine da gegeben.«
»Das ist richtig. Harbour ist erst seit zwei Jahren hier.«
»Er muß ein mutiger Mann sein, daß er