Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas. Karl May

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Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas - Karl May

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tot vom Pferd stürzten.

      »Holla, noch zwei geladene Gewehre!« gebot Helmers. – »Die sind für uns«, antwortete Emma Arbellez. – »Können Sie schießen?« – »Alle beide!« – »Dann schnell!«

      Helmers sprang dahin zurück, wo er seine Doppelbüchse verborgen hatte, und die beiden Damen ergriffen die Gewehre der zwei Komantschen. Das alles war so schnell gegangen, daß seit der ersten Salve bis jetzt kaum eine Minute vergangen war. Man hatte nun wieder geladen, und gleich darauf ertönte der Kommandoruf:

      »Feuer!«

      Die Feinde, die das jenseitige Ufer noch nicht wieder erreicht hatten, erhielten jetzt eine Salve aus acht einfachen und zwei Doppelgewehren, fast alle Schüsse gut gezielt. Mehrere Verwundete wurden vom Fluß abwärts getrieben, und mehrere Unverletzte stellten sich tot, indem auch sie sich abwärts treiben ließen, um so die Verteidiger zu täuschen und den Kugeln zu entgehen.

      »Laßt euch nicht betrügen!« rief Helmers. »Schnell laden und diesen Schuften längs des Ufers nach! Wer nicht untergeht, der hat noch Leben!«

      Man gehorchte seinen Worten, und bald hatten die Komantschen weit über zwanzig Tote verloren. Sie steckten nun drüben im Gebüsch und getrauten sich nicht wieder hervor.

      »Jetzt mag es genug sein!« sagte endlich der Deutsche. – »Sie werden uns nicht weiter verfolgen«, meinte auch der Apache. »Diese Hunde von Komantschen haben kein Hirn in ihren Schädeln.«

      Dann wandte Helmers sich mit folgenden Worten an die Damen:

      »Ich danke Ihnen für den Beistand, den Sie uns geleistet haben, Señoritas. Ich hatte keine Ahnung davon, daß Sie schießen wie ein Westmann.« – »Man ist in unseren einsamen Gegenden gezwungen, diese Fertigkeit sich anzueignen«, entgegnete Emma. »Denken Sie wirklich, daß wir jetzt unbelästigt bleiben?« – »Ich hoffe es.« – »So wollen wir aufbrechen. Dieser Ort, der so viel Menschenleben gekostet hat, ist mir schauerlich, obgleich ich selbst auch zur Waffe gegriffen habe.« – »Dort sind die Pferde der beiden letzten Indianer, nehmen wir sie mit?« fragte Helmers. – »Versteht sich«, antwortete der Majordomo. »Ein indianisch zugerittenes Pferd hat stets Wert. Meine Vaqueros werden sie am Zügel nehmen.«

      Nach einem nur kurzen Verweilen stieg man wieder auf und ritt nun wirklich in die Prärie hinein. So oft und so scharf die Truppe auch den hinter ihr liegenden Horizont musterte, es zeigte sich doch keine Spur von Verfolgung mehr. So vergingen einige Stunden, erst dann erlaubte man den Pferden, einen langsamen Schritt zu gehen, was auch die Unterhaltung erleichterte.

      Bärenherz ritt, wie bereits vorher, so auch jetzt wieder an der Seite der schönen Mixtekas-Indianerin, während sich der Deutsche zu der Mexikanerin hielt.

      »Wir sind nun fast einen Tag zusammen, ohne uns nur im geringsten kennengelernt zu haben«, sagte letzterer zu seiner Dame. »Setzen Sie das nicht auf Rechnung meiner Unhöflichkeit, sondern auf Rechnung der außerordentlichen Umstände.« – »Oh, ich meine doch, daß wir uns gerade im Gegenteil recht gut kennen«, meinte sie lächelnd. – »Inwiefern?« – »Ich weiß von Ihnen, daß Sie für andere Ihr Leben wagen, daß Sie ein kühner und umsichtiger Jäger sind, und Sie wissen von mir, daß – daß – daß ich auch schießen kann.« – »Das ist allerdings etwas, aber nicht viel. Lassen Sie mich wenigstens meinerseits das Notwendigste nachholen.« – »Ich werde Ihnen sehr dankbar sein, Señor.« – »Mein Name ist Anton Helmers, ich bin der jüngere von zwei Brüdern. Wir wollten studieren, da aber die Mittel nicht ausreichten und der Vater starb, so ging mein Bruder zur See und ich nach Amerika, wo ich nach vielen Irrfahrten mich schließlich in der Prärie als Waldläufer etablierte.« – »Also Anton heißen Sie? Da darf ich Sie Señor Anton nennen?« – »Wenn es Ihnen so beliebt, ja.« – »Aber wie kommen Sie so weit herab nach dem Rio Grande?« – »Hm, das ist eine Sache, von der ich eigentlich nicht sprechen sollte.« – »Also ein Geheimnis?« – »Vielleicht ein Geheimnis, vielleicht aber auch nur eine recht große Kinderei.« – »Sie machen mich neugierig.« – »Nun, so will ich Sie nicht auf die Folter spannen«, sagte Anton Helmers lachend. »Es handelt sich nämlich um nichts mehr und nichts weniger als um die Hebung eines unendlich reichen Schatzes.« – »Was für eines Schatzes?« – »Eines wirklichen, aus kostbaren Steinen und edlen Metallen bestehenden Schatzes.« – »Und wo soll derselbe liegen?« – »Das weiß ich noch nicht.« – »Ah, das ist unangenehm! Aber wo haben Sie denn von dem Vorhandensein dieses Schatzes gehört?« – »Hoch droben im Norden. Ich hatte das Glück, einem alten, kranken Indianer einige nicht ganz wertlose Dienste zu leisten, und als er starb, vertraute er mir zum Dank dafür das Geheimnis von dem Schatz an.« – »Aber er sagte Ihnen die Hauptsache nicht, nämlich wo er liegt?« – »Er sagte mir, daß ich ihn in Mexiko zu suchen habe, und gab mir eine Karte mit, bei der sich ein Situationsplan befindet.« – »Und welche Gegend betrifft diese Karte?« – »Ich weiß es nicht. Die Karte enthält zwar Höhenzüge, Talbildungen und Wasserläufe, aber keinen einzigen Namen.« – »Das ist allerdings höchst sonderbar. Weiß auch Shoshinliett, der Häuptling der Apachen davon?« – »Nein.« – »Und doch scheint er Ihr Freund zu sein?« – »Er ist es allerdings im vollsten Sinne des Wortes.« – »Und mir, mir teilen Sie das Geheimnis mit, obgleich wir uns erst heute gesehen haben!«

      Helmers blickte der schönen Mexikanerin mit seinen ehrlichen Augen voll in das Gesicht und antwortete:

      »Es gibt Menschen, denen man es ansieht, daß man kein Geheimnis vor ihnen zu haben braucht.« – »Und zu diesen Personen rechnen Sie mich?« – »Ja.«

      Sie errötete, reichte ihm die Hand und erwiderte:

      »Sie täuschen sich nicht. Ich werde Ihnen dies beweisen, indem ich ebenso aufrichtig gegen Sie bin und Ihnen eine auf Ihr Geheimnis bezügliche Mitteilung mache. Soll ich, Señor?« – »Ich bitte Sie sogar darum«, antwortete er mit überraschter Miene. – »Ich kenne nämlich einen, der auch nach diesem Schatz trachtet.« – »Ah! Wer ist es?« – »Unser junger Prinzipo, der Graf Alfonzo de Rodriganda y Sevilla.« – »Er weiß von dem Schatz?« – »Oh, wir alle wissen, daß die früheren Beherrscher des Landes ihre Schätze verbargen, als die Spanier Mexiko eroberten. Außerdem gibt es Orte, wo das gediegene Gold und Silber in Massen zu finden ist. Man nennt solche Orte eine Bonanza. Die Indianer kennen diese Orte, sterben aber lieber, als daß sie einem Weißen ihr Geheimnis anvertrauen.« – »Und diesem Alfonzo de Rodriganda hat es doch einer anvertraut?« – »Nein. Wir bewohnen die Hacienda del Erina, und es geht die Sage, daß in der Nähe derselben sich eine Höhle befindet, in der die Herrscher der Mixtekas ihre Schätze versteckten. Es ist viel nach dieser Höhle gesucht worden, Graf Alfonzo hat sich große Mühe gegeben, aber keiner fand sie.« – »Wo liegt diese Hacienda del Erina?« – »Etwas über eine Tagereise von hier, am Abhang der Berge von Coahuila. Sie werden sie sehen, da ich hoffe, daß Sie uns dorthin begleiten.« – »Ich werde Sie nicht eher verlassen, als bis ich Sie vollständig in Sicherheit weiß, Señorita!« – »Sie werden uns auch dann noch nicht verlassen, sondern unser Gast sein, Señor?« – »Gerade Ihre Sicherheit erfordert, daß ich Sie sofort wieder verlasse.« – »Wieso?« – »Wir haben eine Anzahl Komantschen getötet, und ich bin vollständig überzeugt, daß uns einige Späher heimlich folgen werden, um zu sehen, wo wir zu finden sind. Sie werden uns, wenn diese Kundschafter nicht unschädlich gemacht werden, überfallen, um sich zu rächen. Darum werde ich bei der Hazienda mit Bärenherz umkehren, um die Späher zu töten.«

      Die Mexikanerin warf Helmers einen besorgten Blick zu und sagte:

      »Sie begeben sich in eine neue Gefahr!« – »Gefahr? Pah! Der Präriejäger befindet sich stets in Gefahr, er ist daran gewöhnt. Bleiben wir aber für jetzt bei unserem Thema, dem Schatz des Königs! Es weiß also niemand, wo die Höhe zu suchen ist?« – »Wenigstens kein Weißer.« – »Aber ein Indianer?« – »Ja. Es gibt einen, der den Schatz der Könige ganz sicher kennt, vielleicht sind es auch

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