Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas. Karl May
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Читать онлайн книгу Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas - Karl May страница 6
»Ist sie verschwiegen?« fragte er. – »Ich denke es«, antwortete die Mexikanerin. Dann fügte sie lächelnd hinzu: »Man sagt allerdings, daß Damen nur bis zu einem gewissen Punkt verschwiegen sind.« – »Und welcher Punkt ist dies, Señorita?« – »Die Liebe.« – »Ah! Es ist möglich, daß Sie recht haben«, scherzte er. »Darf ich vielleicht erfahren, ob Karja bereits bei diesem Punkt angekommen ist?« – »Ich halte dies fast für möglich.« – »Ah! Wer ist der Glückliche?« – »Raten Sie. Es ist nicht schwer.«
Die Stirn des Jägers zog sich scharf zusammen.
»Ich vermute es«, sagte er. »Es ist Graf Alfonzo, der ihr auf diesem Weg das Geheimnis entlocken will.« – »Sie raten richtig.« – »Und Sie glauben, daß seine Bestrebungen Erfolg haben?« – »Sie liebt ihn.« – »Und ihr Bruder, der Nachkomme der Mixtekas? Was sagt er zu dieser Liebe?« – »Vielleicht weiß er noch nichts davon. Er ist der berühmteste Cibolero – Büffeljäger – und kommt nur selten einmal nach der Hazienda.« – »Der berühmteste Cibolero? Dann müßte ich ja seinen Namen kennen. Der Name Tecalto aber ist mir unbekannt.« – »Er wird von den Jägern nicht Tecalto genannt, sondern Mokaschimotak.« – »Mokaschimotak, Büffelstirn?« fragte Helmers überrascht. »Ah, den kenne ich allerdings. Büffelstirn ist der bekannteste Büffeljäger zwischen dem Red River und der Wüste Mapimi. Ich habe sehr viel von ihm gehört und würde mich freuen, ihn zu sehen. Und Karja ist also die Schwester dieses berühmten Mannes? Da muß man sie ja mit ganz anderen Augen ansehen.« – »Wollen Sie vielleicht Ihre Liebenswürdigkeit auch an ihr versuchen?«
Er lachte und antwortete:
»Ich? Wie kann ein Westmann liebenswürdig sein! Und wie könnte ich mit einem Grafen de Rodriganda in die Schranken treten wollen! Wäre es mir möglich, liebenswürdig zu sein, so würde ich dies bei einer ganz anderen versuchen.« – »Und wer wäre diese andere?« fragte sie. – »Nur Sie allein, Señorita!« antwortete er aufrichtig.
Ihre Augen leuchteten ihm glückverheißend zu, als sie antwortete:
»Aber bei mir können Sie ja nichts von Ihrem Königsschatz erfahren.« – »Oh, Señorita, es gibt Schätze, die mehr wert sind als eine ganze Höhle voll Gold und Silber. In diesem Sinne wünschte ich, einmal ein glücklicher Gambusino – Goldsucher – zu sein.« – »Suchen Sie, vielleicht finden sie.«
Sie streckte ihm die Hand entgegen, und als er diese ergriff, war es ihnen beiden, als ob ein elektrisches Fluidum sie überströme. Sie hatten sich verstanden.
Während dieser Unterredung war hinter ihnen eine andere geführt worden. Bärenherz ritt an der Seite der Indianerin. Sein Auge umfaßte mit verhaltener Glut die schöne Gestalt seiner Nachbarin, die mit einer Sicherheit auf dem halb wilden Pferd saß, als habe sie niemals anders als auf einem indianischen Männersattel geritten. Der schweigsame Häuptling war nicht gewohnt, seine Worte zu verschwenden; wenn er aber sprach, so hatte eine jede Silbe das doppelte Gewicht. Karja kannte diese Art und Weise der wilden Indianer, und darum wunderte sie sich auch nicht darüber, daß er wortlos blieb. Doch fühlte sie es förmlich, daß sein Auge durchdringend auf ihr ruhte; und fast erschrak sie, als er sie anredete:
»Zu welchem Volk gehört meine junge Schwester?« – »Zu dem Volk der Mixtekas«, antwortete sie. – »Das war einst eine große Nation und ist noch jetzt durch die Schönheit seiner Frauen berühmt. Ist meine junge Schwester eine Squaw – Frau – oder ein Mädchen?« – »Ich habe keinen Mann.« – »Ist ihr Herz noch ihr Eigentum?«
Bei dieser direkten Frage, die ein Weißer sicherlich nicht ausgesprochen hätte, rötete sich ihr dunkles Gesicht, aber sie antwortete mit fester Stimme:
»Nein.«
Sie wußte, daß es hier besser sei, die Wahrheit zu sagen, denn sie kannte die Apachen. Es veränderte sich kein Zug seines eisernen Gesichts, und er fragte weiter:
»Ist es ein Mann ihres Volkes, der ihr Herz besitzt?« – »Nein, ein Weißer.« – »Bärenherz beklagt seine Schwester. Sie mag es ihm sagen, wenn der Weiße sie betrügt.« – »Er wird mich nicht betrügen!« antwortete sie stolz und zurückweisend.
Ein leises, leises Lächeln zuckte um seine Lippen; er schüttelte den Kopf und entgegnete:
»Die weiße Farbe ist falsch und wird leicht schmutzig. Meine Schwester mag vorsichtig sein!«
Dies war das ganze Gespräch zwischen den beiden, aber es war wenigstens ebenso folgewichtig, wie die Unterredung zwischen dem Deutschen und der Mexikanerin.
Im Verlauf des Weiterritts erfuhr Helmers, daß die beiden Frauen oben am Rio Pecos gewesen waren, um eine Tante der Mexikanerin zu besuchen, die schwer krank darniederlag. Diese Verwandte war die Schwester von Emmas Mutter, also die Schwägerin des alten Pedro Arbellez, der der Verwalter des Grafen Ferdinando de Rodriganda gewesen war, jetzt aber als Pächter des Grafen auf der Hacienda del Erina lebte. Die Pflege der beiden Frauen hatte den Tod der Tante nicht zu hindern, sondern nur zu verzögern vermocht. Später hatte Arbellez den Majordomo mit den Vaqueros geschickt, um die Tochter abholen zu lassen. Auf dem Rückweg waren sie von den Komantschen überfallen worden und wären ohne die Dazwischenkunft des Deutschen und des Apachenhäuptlings ganz sicher verloren gewesen.
3. Kapitel
Man ritt immer nach Süden zu. Der Tag neigte sich zu Ende; sie hatten nur noch eine Stunde bis zum Hereinbruch des Abends und befanden sich am Rand einer weiten Ebene, die nun hinter ihnen lag, als der Apache sein Pferd plötzlich anhielt, hinter sich zeigte und rief:
»Ugh!«
Die anderen drehten sich um, die Ebene zu durchmustern.
»Ich sehe nichts«, sagte der Majordomo. – »Wir auch nicht«, erklärten die Vaqueros, trotzdem sie Augen besaßen, die gewohnt waren, in weite Ferne zu spähen. – »Was gibt es?« fragte Emma. – »Auch Sie sehen nichts?« antwortete Helmers. – »Nein. Siehst du etwas, Karja?« – »Nicht das mindeste«, erklärte die Indianerin. – »Der Häuptling der Apachen kann doch nicht den Trupp wilder Pferde meinen, den man dort erblickt?« fragte der Majordomo. »Uff!« sagte der Apache mit geringschätziger Miene. – »Gerade den meint er«, sprach der Deutsche. – »Was gehen uns die Mustangs an?« – »Sind sie wirklich so gleichgültig, Señor Majordomo?« – »Ja. Wir sind ja mit Pferden versehen.« – »Seht sie Euch genauer an!«
Ungefähr zwei englische Meilen hinter ihnen galoppierte eine Herde von Pferden mit erhobenen Schwänzen und wehenden Mähnen einher. Sie kam immer näher. Kein Reiter, kein Sattel oder Bügel, kein Zügel, nicht die dünnste Schnur ließ sich sehen.
»Es sind Mustangs!« sagte der Majordomo. – »Uff!« rief der Apache zum zweiten Mal, jetzt aber wirklich verächtlich.
Dann lenkte der sein Pferd wieder herum und ritt im Galopp vorwärts. Die anderen mußten folgen. Emma aber drängte ihr Pferd zu Helmers heran und fragte:
»Was hat der Apache?« – »Er ärgert sich.« – »Worüber?« – »Über die Dummheit des Majordomo.« – »Dummheit? Señor Helmers, unser Majordomo ist ein sehr erfahrener Mann.« – »In häuslichen Angelegenheiten vielleicht.« – »O nein. Er ist ein tüchtiger Reiter und Schütze, ein Pfadfinder, der seinesgleichen sucht; man kann sich in jeder Beziehung auf ihn verlassen.« – »Ein Pfadfinder? Hm!« Jetzt blickte der Deutsche ebenfalls verächtlich drein. »Ja, ein Pfadfinder in den Straßen einer Stadt oder auf den Gassen eines Dorfes. Zu einem Rastreador, zu einem wirklichen Pfadfinder, gehört mehr. Sie sagen, daß man sich in jeder Beziehung auf ihn verlassen könne, und doch wären Sie verloren,