Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas. Karl May
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Читать онлайн книгу Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas - Karl May страница 9
Der Haziendero richtete sich auf. Sein Auge flammte vor Zorn.
»Ich kann Ew. Erlaucht nicht halten«, versetzte er. »Diese Señores haben das Leben und das Glück meines Kindes gerettet und sind mir hochwillkommen.« – »Ah! Ihr widersprecht mir?« rief der Graf. – »Ja«, antwortete Arbellez fest. – »Wißt Ihr, daß ich hier der Gebieter bin?« – »Das weiß ich nicht.« – »Nicht?« zischte Alfonzo. »Wer sonst?« – »Graf Ferdinando. Ihr seid hier nur als Gast anwesend. Übrigens hätte selbst Graf Ferdinando keine Stimme in dieser Angelegenheit. Ich bin Pächter auf Lebenszeit. Wer will mir befehlen, wen ich bei mir empfangen soll oder nicht?« – »Verdammt, das ist stark.« – »Nein, stark war mir Ihre Unhöflichkeit und Rücksichtslosigkeit gegen meine Gäste. Wenn Ihnen schon der Wald- und Sumpfgeruch nicht angenehm ist, von dem ich allerdings ganz und gar nichts merke, so weiß ich wirklich nicht, ob diese Señores nicht Ihre Parfüms auffällig finden, die ich recht gut bemerke. Ich werde meine Gäste jetzt in den Speisesaal führen und überlasse es Ihnen, weiterzuspeisen oder nicht.«
Damit öffnete der Haziendero die Tür des Saales noch weiter und bat die beiden mit der höflichsten Verbeugung, Zutritt zu nehmen. Der Indianer hatte teilnahmslos dagestanden; kein Blick seines Auges hatte den Grafen getroffen, und fast schien es, als ob er auch kein Wort desselben verstanden habe. Er schritt stolz und wortlos in den Saal. Helmers dagegen wandte sich zuvor zum Grafen:
»Sie sind Graf Alfonzo de Rodriganda?« – »Ja«, antwortete der Gefragte erstaunt, daß ihn der Jäger anzureden wagte. – »So. Señor Arbellez hatte vergessen, Sie auch uns vorzustellen. Sie sind gefordert. Was wählen Sie, Degen, Pistolen oder Kugelbüchsen?« – »Sie wollen sich mit mir schlagen?« fragte der Graf viel erstaunter als vorher. – »Versteht sich. Hätten Sie mich draußen vor der Hazienda beleidigt, so hätte ich Sie niedergeschlagen wie einen dummen Jungen; da es aber unter dem Dach meines Gastfreundes geschah, so nahm ich Rücksicht auf ihn und auf die Gegenwart dieser Damen. Nun ich jedoch höre, daß Sie in diesem Haus eigentlich keinen Pfifferling gelten, so biete ich Ihnen die Wahl der Waffen an.« – »Schlagen? Mit Euch? Gott, wer seid Ihr denn? Ein Jäger, ein Herumläufer! Pah!« – »Also nicht? So seid Ihr ein Lump, ein Feigling, ein ganz erbärmlicher Wicht! Laßt Ihr auch diese Prädikate auf Euch sitzen, so seid Ihr gerichtet auf alle Zeit. Tut, was Euch beliebt!«
Helmers schritt dem Apachen nach. Der Graf stand ganz perplex da.
»Arbellez, das leidet Ihr?« fragte er den Haziendero. – »Wenn Ihr es leidet!« antwortete dieser. »Komm, Emma, komm, Karja. Unser Platz ist da drinnen bei den Ehrenmännern.« – »Ah, welche Niederträchtigkeit! Das werde ich Euch eintränken, Arbellez.« – »Versucht es!«
Der wackere Alte ging in den Saal, die beiden Damen mit ihm. Als jedoch Emma an dem Grafen vorüberschritt, sagte sie mit verächtlich gekräuselten Lippen und funkelnden Augen:
»Das war niederträchtig, das war armselig!«
Die Indianerin folgte ihr mit niedergeschlagenen Augen, es widerstrebte ihr, den Geliebten zu verachten, und dennoch konnte sie ihm nicht in das Gesicht sehen. Graf Alfonzo blieb stehen und kehrte nicht wieder nach dem Saal zurück. Er warf die Serviette zu Boden, stampfte mit den Füßen und knirschte:
»Das sollt Ihr mir büßen, und bald, bald, bald!«
Nach dieser ohnmächtigen Zornesäußerung suchte er sein Zimmer auf.
Die anderen nahmen unterdessen ein lukullisches Mahl ein. Da gab es große Schnitte von Wassermelonen mit fleischfarbigem Inneren, deren wohlschmeckender Saft in rosigen Tropfen auf die silbernen Platten perlte; halb geöffnete Granaten, Früchte des Kerzenkaktus, Orangen, süße Limonen, Grenadillen und alle die Fleisch- und Mehlspeisen, an denen die mexikanische Küche so überaus reich ist. Während des Essens wurden die Erlebnisse noch ausführlicher besprochen, als es bisher möglich gewesen war; dann bat der Haziendero, den Señores ihre Zimmer anweisen zu dürfen.
Die beiden Freunde wohnten nebeneinander. Es war dem Deutschen aber unmöglich, lange in dem engen Raum zu bleiben; er verließ ihn und suchte den Garten auf, wo er sich von Wohlgerüchen umduften ließ, bis er hinaustrat in das Freie, um die herrlichen mexikanischen Renner auf der Weide zu beobachten.
Indem er so an den Palisaden hinschlenderte und um eine Ecke bog, erhob sich plötzlich vor ihm eine Gestalt, deren frappantes Äußeres ihn zum Stehen brachte. Der hohe, starke Mann war vollständig in ungegerbtes Büffelleder gekleidet, so wie die Ciboleros sich zu tragen pflegen; auf dem Kopf saß ihm der obere Teil eines Bärenschädels, von dem einige Streifen Fell bis fast herab zur Erde schleiften. Aus dem breiten Ledergürtel guckten die Griffe von Messern und anderen Werkzeugen, von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte herüber hatte er einen fünffach geflochtenen Lasso um den Leib geschlungen, und an der Palisade lehnte eine jener alten, schmiedeeisernen Büchsen, wie sie vor hundert Jahren in Kentucky gemacht wurden und die ein gewöhnlicher Mann nicht zu handhaben vermag, so schwer sind sie.
»Wer bist du?« fragte Helmers im ersten Augenblick des Erstaunens. – »Ich bin Büffelstirn, der Indianer«, antwortete der Gefragte. – »Tecalto bist du? Mokaschimotak, der Cibolero?« – »Ja. Kennst du mich?« – »Ich sah dich noch nie, aber ich habe viel, sehr viel von dir gehört.« – »Wer bist du?« – »Mein Name ist Helmers, ich bin ein Deutscher.«
Das ernste Gesicht des Indianers klärte sich auf. Er war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt und konnte als eine Schönheit des indianischen Typus gelten.
»So bist du der Jäger, der Karja, meine Schwester, befreit hat?« – »Der Zufall war mir hold.« – »Nein, das war kein Zufall. Du hast dir die Pferde der Komantschen geholt und bist ihnen nachgeritten. Büffelstirn ist dir vielen Dank schuldig. Du bist so tapfer wie Matavase, der Fürst des Felsens, der auch ein Deutscher ist.« – »Kennst du die Deutschen?« – »Ich kenne einige. Sie werden von den Amerikanern Dutchmen genannt. Sie sind stark, tapfer und klug, wahr und treu. Ich habe gehört von einem von ihnen, den die Apachen und Komantschen Itintika, den Donnerpfeil, nennen.« – »Gesehen hast du ihn noch nicht?« fragte der Deutsche. – »Nein, er heißt der Donnerpfeil, weil er schnell und sicher ist wie der Pfeil und mächtig und schwer wie der Donner. Seine Büchse fehlt nie ihr Ziel, und sein Auge irrt auf keiner Spur. Ich habe viel von ihm gehört, ich habe ihn bisher noch nie gesehen, aber heute sehe ich ihn.« – »Wo?« fragte Helmers überrascht. – »Hier. Du bist es.« – »Ich? Woran erkennst du mich?« – »Siehe deine Wange an. Donnerpfeil hat einen Bowiemesserstich durch die Wange erhalten, das weiß ein jeder, der einmal von ihm gehört hat. Solche Erkennungszeichen merkt man sich. Habe ich richtig geraten oder nicht?«
Helmers nickte.
»Du hast recht. Man nennt mich allerdings Itintika, den Donnerpfeil.« – »So danke ich Wahkonta – Gott —, daß er mir erlaubt hat, mit dir zu sprechen. Du bist ein tapferer Mann, reiche mir deine Hand und sei mein Bruder.«
Sie schlugen ein, und Helmers sagte:
»So lange unsere Augen einander erblicken, soll Freundschaft sein zwischen mir und dir!«
Und der Indianer fügte hinzu:
»Meine Hand sei deine Hand und mein Fuß dein Fuß. Wehe deinem Feind, denn er ist auch der meinige, und wehe meinem Feind, da er auch der deinige ist. Ich bin du, und du bist ich, wir sind eins!«
Sie