Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas. Karl May

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Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas - Karl May

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nun gilt‘s!«

      Mit diesen Worten trat er an den Hengst heran und wies die Vaqueros zurück, die ihm helfen wollten, die Fesseln abzunehmen. Das Tier wälzte sich noch immer schnaubend und stöhnend am Boden. Helmers nahm ihm den Korb ab und zog das Messer. Nur das Ende eines Lassos war dem Pferd um das Maul gebunden. Der Deutsche nahm diesen Riemen in die Linke, schnitt mit dem Messer die Fesseln erst der Hinter-, dann auch der Vorderbeine durch und saß, als der Rappe emporschnellte, wie angegossen auf dessen Rücken.

      Jetzt begann ein Kampf zwischen Reiter und Pferd, wie ihn noch keiner der sich vorsichtig zurückziehenden Zuschauer gesehen hatte. Der Hengst ging vorn und hinten in die Höhe, bockte zur Seite, schlug und biß, warf sich zu Boden, wälzte sich, sprang wieder empor – immer blieb der Reiter über ihm. Es war zunächst ein Kampf der menschlichen Intelligenz gegen die Widerspenstigkeit eines wilden Tieres, dann aber wurde es ein Kampf allein der menschlichen Muskeln gegen die tierische Kraft. Das Pferd schwitzte förmlich Schaum, es schnaubte nicht, sondern es grunzte, stöhnte, es strengte den letzten Rest seines Willens an, aber der eisenfeste Reiter gab nicht nach, mit stählernem Schenkeldruck preßte er das Pferd zusammen, daß diesem der Atem auszugehen drohte, und nun erhob es sich zum letzten Mal mit allen vieren in die Luft, dann – schoß es davon, über Stock und Stein, über Graben und Büsche, daß man es mit seinem Reiter in einer halben Minute nicht mehr erblickte.

      »Donnerwetter, so etwas habe ich noch nicht gesehen!« gestand Arbellez. – »Er wird den Hals brechen«, sagte einer der Vaqueros. – »Nun nicht mehr«, meinte ein anderer. »Er hat gesiegt.« – »Oh, war es mir angst!« gestand Emma. »Aber ich glaube nun wirklich, daß keine Gefahr mehr vorhanden ist. Nicht war, Vater?« – »Sei ruhig. Wer so fest sitzt und solche Stärke zeigt, der stürzt nun nicht mehr herab. Das war ja gerade, als ob Teufel gegen Teufel kämpften. Ich glaube, dieser Itintika könnte es auch nicht besser machen.«

      Da trat Büffelstirn heran und sagte:

      »Nein, Señor, er kann es nicht besser machen, sondern nur ganz genauso.« – »Wieso? Ich verstehe nicht.« – »Dieser Señor Helmers ist ja Itintika, der Donnerpfeil.« – »Was?« fuhr Arbellez auf. »Er? Der Donnerpfeil?« – »Ja. Fragt hier den Häuptling der Apachen.«

      Arbellez richtete einen fragenden Blick auf den Genannten.

      »Ja, er ist es«, sagte dieser einfach. – »Ja, wenn ich das wußte, so hätte ich keine solche Angst ausgestanden«, erklärte der Haziendero. »Es war mir wahrhaftig so, als ob ich selbst auf dem Tier säße.«

      Emma blickte still vor sich hin, aber in ihrem Auge brannte ein glückliches, inniges Feuer. Helmers hatte recht gehabt, er konnte nicht zurück, es hatte sich um seine Ehre gehandelt, und nun wußte sie, daß er ein noch viel größerer Held sei, als sie bisher gedacht hatte.

      Voller Erwartung blieben alle halten, und keiner ging von dem Platz fort. So verfloß eine Viertelstunde, da kehrte Helmers zurück. Der Rapphengst war zum Zusammenbrechen müde, aber der Reiter saß lächelnd und frisch auf seinem Rücken. Emma ritt ihm entgegen.

      »Señor, ich danke Euch!« sagte sie.

      Ein anderer hätte gefragt. »Wofür?« Er aber verstand sie und lächelte ihr glücklich zu.

      »Nun, Señor Arbellez«, fragte er, »braucht es denn gerade wirklich dieser Itintika zu sein?« – »Natürlich!« – »Na, ich denke, wir können ihn entbehren, denn ich kann es auch.« – »Weil Ihr es seid, ja.« – »Aha, so ist mein Geheimnis verraten!« lachte er. – »Und das Inkognito des Fürsten der Savanne ist zu Ende«, fügte Emma hinzu.

      Es wurde ihm von allen Seiten die lauteste Bewunderung zuteil, er aber wehrte alle Lobeserhebungen ab und sagte:

      »Ich bin noch nicht fertig. Darf ich Sie auf Ihrem Ritt begleiten, Señor Arbellez?« – »Ist das Pferd nicht zu müde?« – »Es muß, ich will es so.« – »Gut, so kommt!«

      Sie ritten nun die weiten Plätze ab, auf denen Pferde, Rinder, Maultiere, Schafe und Ziegen weideten, und kehrten dann nach Hause zurück, wo der Rapphengst angepflockt wurde.

      6. Kapitel

      Als Karja, die Indianerin, sich nach ihrem Zimmer begab und an der Tür des Grafen vorüberging, öffnete sich diese, und Graf Alfonzo trat für einen Augenblick heraus.

      »Karja«, fragte er, »kann ich dich heute sprechen?« – »Wann?« fragte sie. – »Zwei Stunden vor Mitternacht.« – »Wo?« – »Unter den Ölbäumen am Bach.« – »Ich komme!«

      Als der Abend hereingebrochen war, versammelte man sich im Speisesaal, wo ein großartiges Souper aufgetragen wurde. Auch die beiden Indianerhäuptlinge waren anwesend, der Graf jedoch ließ sich nicht sehen. Er hatte sich bereits nach den Ölbäumen geschlichen, in deren Nähe das Wasser so vertraulich rauschte. Um die angegebene Zeit kam die Indianerin. Er umschlang sie und zog sie zu sich nieder. Sie zeigte sich schweigsamer als bisher.

      »Was hast du, Karja?« fragte er. »Liebst du mich nicht mehr?« – »O doch, obgleich ich dich nicht mehr lieben sollte«, erwiderte sie. »Freust du dich etwa nicht, daß ich gerettet worden bin?« – »Ah! Wie kommst du auf diesen Gedanken?« – »Hättest du sonst meine Retter beleidigt?« – »Sie gehören hinaus auf die Weide, nicht aber in die Estanzia.«

      Die Indianerin schüttelte den schönen Kopf.

      »Du bist nicht edel, Alfonzo.« – »O doch, aber ich hasse alles Häßliche.« – »Ist dieser Donnerpfeil etwa häßlich?« – »Donnerpfeil? Der große Reiter und Rastreador? Den habe ich ja noch gar nicht gesehen.« – »Du hast ihn allerdings gesehen. Es ist Helmers.« – »Verdammt! Nun begreife ich auch die Forderung.« – »Wirst du dich mit ihm schlagen?« – »Fällt mir nicht ein. Er ist mir nicht ebenbürtig!«

      Die Indianerin liebte Alfonzo, und sie hatte Angst um ihn, darum sagte sie:

      »Daran tust du recht, du wärest sonst verloren.«

      Es ist nicht angenehm für einen Mann, von der Geliebten zu hören, daß sie einen anderen für stärker und tapferer hält. Er antwortete daher

      »Du täuschst dich. Sahst du mich einmal schießen oder fechten?« – »Nein.« – »Nun, so kannst du auch nicht über mich urteilen. Ein Ritter, ein Graf muß ja in solchen Dingen jedem Jäger überlegen sein. Du wirst mich erst kennenlernen, wenn ich dich zu meiner Gemahlin erhoben habe.« – »Oh, das wird nie geschehen!« – »Warum zweifelst du?« – »O Alfonzo, ich möchte dir ja so gern glauben. Ich liebe dich, und wir würden glücklich sein.« – »Ja, wir werden es, und ob früher oder später, das kommt ganz auf dich an, mein süßes Herz. Kennst du nicht die Bedingung, die ich dir gesagt habe?« – »Sie ist hart, denn sie verlangt, daß ich meinen Schwur breche, daß ich zur Verräterin an meinem Volk werde.« – »Der Schwur bindet dich nicht, da du ihn als Kind gabst und dein Volk kein Volk mehr ist. Wenn du mich liebst und die meinige werden willst, so ist nur mein Volk das deinige. Ich bin jetzt nach der Hacienda del Erina gekommen, um mir Gewißheit zu holen. Muß ich auch dieses Mal ohne dich abreisen, so gehe ich nach Spanien, und wir sind getrennt für immer.« – »Du bist grausam.« – »Nein, ich bin nur vorsichtig. Ein Herz, das kein Opfer zu bringen vermag, kann nicht wirklich lieben.« – »Oh«, rief Karja, ihn umschlingend, »ich liebe dich ja unendlich! Glaube es mir doch!« – »So beweise es mir!« – »Muß es wirklich sein?« – »Ja. Wir brauchen die Schätze der Königshöhle, um dem Vaterland einen neuen Herrscher zu geben. Und die erste Tat dieses Herrschers wird sein, dich in den Adelsstand zu erheben, damit du Gräfin Rodriganda werden kannst.« – »Das wird wirklich geschehen?« – »Ich

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