Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas. Karl May

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Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas - Karl May

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du hast sie! Das ist das Zeichen von Toxertes, der der Vater meines Vaters war. Er mußte das Land verlassen und kehrte nie wieder zurück. Du bist nicht arm. Willst du die Höhle des Königsschatzes sehen?« – »Kannst du sie mir zeigen?« – »Ja.« – »Wem gehört der Schatz?« – »Mir und Karja, meiner Schwester. Wir sind die einzigen Abkömmlinge der Könige der Mixtekas. Soll ich dich führen?« – »Ich gehe mit!« – »So sei heute zwei Stunden nach Mitternacht bereit. Dieser Weg darf nur im Dunkel der Nacht angetreten werden.« – »Wer darf davon wissen?« – »Niemand. Aber dem Weib deines Herzens magst du es anvertrauen.« – »Warum ihr?« – »Weil sie weiß, daß du den Schatz suchtest.« – »Ah, woher ist dir das bekannt?« – »Ich habe jedes Wort gehört, daß ihr gestern im Garten geredet habt. Du hattest die Karte und wolltest dennoch nichts nehmen. Du wolltest erst forschen, ob der Erbe vorhanden ist. Du bist ein ehrlicher Mann, wie es unter den Bleichgesichtern wenige gibt. Darum sollst du den Schatz der Könige sehen.«

      Eine Stunde später, zur Zeit des Mittagsmahls, als die anderen beim Nachtisch saßen, schlüpfte die Indianerin in das Zimmer des Grafen. Er empfing sie mit vollster Zärtlichkeit und zog sie auf das Sofa.

      »Hast du das Papier geschrieben?« fragte sie. – »Kannst du lesen?« – »Ja«, antwortete sie stolz. – »Hier ist es.«

      Alfonzo gab Katja einen Bogen Papier, auf dem folgende Zeilen zu lesen waren:

      »Ich erkläre hiermit, daß ich nach Empfang des Schatzes der Könige der Mixtekas mich als Verlobten von Karja, der Nachkömmlingin dieser Könige, betrachten und sie als meine Gemahlin heimführen werde.

      Alfonzo,

      Graf de Rodriganda y Sevilla.«

      »Ist es so recht?« fragte er. – »Die Worte sind gut, aber das Siegel fehlt.« – »Das ist ja nicht notwendig!« – »Du hast es mir versprochen.« – »Gut, so magst du es haben«, sagte er, seinen Unwillen verbergend.

      Er brannte den Wachsstock an und drückte sein Siegel unter die Worte.

      »Hier, meine Karja! Und nun halte auch du dein Wort!« – »Ich halte es. Kennst du den Berg El Reparo?« – »Ja. Er liegt vier Stunden von hier gegen Westen.« – »Er siehst fast aus wie ein langgezogener, hoher Damm.« – »Das stimmt.« – »Von ihm fließen drei Bäche in das Tal. Der mittelste ist der für dich wichtige. Sein Anfang bildet keinen offenen Quell, sondern er tritt gleich voll und breit aus der Erde heraus. Wenn du in das Wasser trittst und da, wo es aus dem Berg kommt, dich bückst und hineinkriechst, so hast du die Höhle vor dir.« – »Ah, das wäre doch recht einfach.« – »Sehr einfach.« – »Braucht man Licht?« – »Du wirst Fackeln rechts vom Eingang finden.« – »Das ist alles, was du mir zu sagen hast?« – »Alles.« – »Und der Schatz befindet sich wirklich auch vollständig dort?« – »Vollständig.« – »So habe Dank, mein gutes Kind. Du bist jetzt meine Verlobte und wirst nun bald mein Weibchen sein. Jetzt aber geh. Man könnte uns hier überraschen.« – Sehe ich dich heute abend?« – »Ja. Wieder am Bach unter den Oliven.«

      Karja ging. Sie hatte ein Opfer gebracht, aber dieses Opfer lag ihr mit Zentnerschwere auf der Seele, denn sie mußte teilnehmen an der heutigen Festlichkeit, und doch war es ihr bei der allgemeinen Freude, als ob sie bittere Tränen weinen möchte.

      Der Graf blieb in seinen Gemächern und ließ sich gar nicht sehen. Am Nachmittag kam eine Estafette an ihn. Er erhielt einen Brief aus der Hauptstadt Mexiko, der ihm nur allein eingehändigt werden durfte. Als er ihn geöffnet und gelesen hatte, blickte er erst starr vor sich hin, dann aber sprang er auf und murmelte:

      »Es mag ein Verbrechen sein, pah! Ich heiße es jedoch gut, denn es bringt mir eine Grafenkrone. Wie gut, daß ich bereits zur Abreise gerüstet bin. Ich bringe einen Reichtum mit, um den mich Könige und Kaiser beneiden werden.«

      Der Brief lautete folgendermaßen:

      »Lieber Neffe!

      Dein Vater hat geschrieben. Du mußt nach Rodriganda. Zuvor jedoch stirbt der alte Ferdinando, ganz so wie es verabredet wurde. Komm! Der Kapitän Landola wartet bereits im Hafen.

      Dein Oheim Pablo Cortejo.«

      8. Kapitel

      Wenn es einen gab, dessen Beifall die Verlobung Helmers‘ mit der Mexikanerin nicht ganz hatte, so war dies Bärenherz, der Häuptling der Apachen. Er hatte den Deutschen sehr liebgewonnen, wenn er es sich bei seiner schweigsamen Natur auch nicht merken ließ, und geglaubt, noch lange Zeit mit ihm durch Wald und Prärie streifen zu können, und nun mußte er diese Hoffnung aufgeben. Darum fühlte er sich unmutig und vereinsamt. Er fing sich also eines der halbwilden Pferde, setzte sich darauf und jagte in die Welt hinaus.

      Dort trieb er sich einige Stunden lang im tollen Jagen herum, bis er endlich doch daran dachte, daß man ihn vermissen und suchen werde, und kehrte zurück. Dabei suchte er sich aber nicht etwa den geradesten und bequemsten Weg aus, sondern folgte den Tälern, Schluchten und Gründen, wie sie ihm gerade in die Richtung kamen, bis er, in einer Vertiefung reitend, plötzlich Stimmen vernahm. Gleich darauf ertönte ein Schuß und ein Schrei.

      Ein solches Vorkommnis war verdächtig, besonders aber einem vorsichtigen Indianer. Er stieg also ab, band sein Pferd an, griff zur Büchse und pirschte sich vorsichtig der Gegend zu, wo der Schuß gefallen war. Es war nicht weit. Er kroch eine Böschung empor, deren Höhe mit wilder Myrte besetzt war. Als er diese Büsche erreichte, erblickte er zwischen diesen hindurch ein kleines, aber tiefes Tälchen, in dem sich um ein abgebranntes Feuer herum achtzehn Männer und zwei Leichen befanden. Dabei lagen eine Menge Kisten. Säcke und Packsattel auf einem Haufen. Einer der Männer hatte ein Pistol in der Hand, das er lud.

      »Es bleibt dabei«, sagte er, »wer widerspricht, der wird einfach erschossen!« – »Werden uns die Schüsse nicht verraten?« fragte ein anderer schüchtern. – »Schwachkopf, wer wird sich an uns wagen!«

      Bärenherz verstand das Gemisch von Spanisch und Indianisch, das an der Grenze gesprochen wird, sehr gut, diese Leute hier aber redeten rein Spanisch, das er nicht verstand. Er hielt sie für eine Jagdtruppe, deren Mitglieder untereinander in Streit geraten waren und auf sich geschossen hatten. Das kommt in Mexiko häufig vor, ohne daß es groß beachtet wird. Er zog sich also leise wieder zurück, bestieg sein Pferd und ritt nach der Estanzia.

      Dort hatte man ihn allerdings vermißt, und als er anlangte, mußte er sofort an der Tafel erscheinen, wo er keine Zeit fand, der Begegnung mit den Fremden zu gedenken.

      Der Freudentag verlief ungestört, zumal sich der Graf ganz und gar nicht sehen ließ; doch ermüdet die Freude den Menschen ebenso wie der Schmerz, und man legte sich zeitig schlafen.

      Nun erst verließ der Graf sein Zimmer und ging zu den Olivenbäumen, wo er die Indianerin bereits seiner wartend fand. Nicht die Sehnsucht der Liebe führte ihn zu ihr, aber er mußte ihr Vertrauen wenigstens so lange aufrechterhalten, bis er den Schatz gehoben hatte. Er heuchelte also Zuneigung und Zärtlichkeit, suchte aber so bald wie möglich von ihr fortzukommen.

      »Warum willst du schon gehen‘?« fragte sie ihn. – »Weil ich einen Ausflug nach der Höhle des Schatzes unternehme.« – »Willst du ihn jetzt schon holen?« – »Nein. Ich will nur sehen, ob er wirklich noch da ist.« – »Er ist noch da. Mein Bruder hat ihn vor kurzem erst gesehen.« – »Ich muß mich dennoch selbst überzeugen. Diese Sache ist ja zu wichtig für mich.« – »Wann kommst du wieder?« – »Noch vor Abend.« – »So schlafe wohl!«

      Karja umschlang den Grafen, küßte ihn zum Abschied und ging dann fort. Er folgte langsam. Als er sein Zimmer erreichte, waren

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