Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2. Karl May
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Sie blickte ihm zärtlich in die Augen. Cortejo aber schüttelte den Kopf und sagte:
»Ich bedarf keiner Belohnung.« – »Nicht?« meinte sie enttäuscht. – »Nein. Was ich tue, ist meine Pflicht oder wenigstens der Ausfluß meines Charakters.«
4. Kapitel
Auf der Reede von Rio de Janeiro, der Hauptstadt Brasiliens, lag ein schmucker Dampfer vor Anker. Er war nicht groß. Man sah es ihm an, daß er wohl nur zum Privatgebrauch bestimmt sei.
Gewiß wollte er in kurzer Zeit die Reede verlassen, denn leichter Rauch, der gekräuselt dem Schornstein entquoll, zeigte an, daß man eben begann den Kessel zu feuern.
Es war am späten Nachmittag. Die Sonne war gesunken, und die kurze Dämmerung brach herein.
Da kam von der Stadt her ein Boot, von vier kräftigen Jungen gerudert, so daß es wie ein Pfeil über das Wasser flog und fast nicht in den Wellen, sondern in der Luft zu fahren schien.
Der Mann, der auf der Mittelbank saß, war jedenfalls ein Seemann. Sein volles, freundliches Gesicht ließ den Kenner vermuten, daß er ein Deutscher sei. Sein blaues, helles Auge ruhte mit wohlgefälligem Blick auf dem Dampfer, und als das Boot anlegte, stand er mit einem schnellen Sprung auf dem Fallreep und stieg die Stufen hinan mit der Miene eines Mannes, der von einem anstrengenden Ausflug müde nach Hause kommt.
Als er das Deck erreichte, trat der Steuermann auf ihn zu und meldete:
»Kapitän, da sind zwei Herren, die mit Ihnen zu sprechen verlangen.« – »Was wollen sie denn?« fragte der Kapitän, indem er die beiden Männer erblickte, die auf seine Rückkehr gewartet zu haben schienen. – »Sie haben gehört, daß wir nach Verakruz gehen …« – »Und wollen etwa mit?« – »Ja.« – »Ah! Hm. Was sprechen sie für eine Sprache?« – »Spanisch.« – »Gut. Wollen sehen.«
Der Kapitän schritt auf die beiden Männer zu.
»Mein Name ist Wagner«, sagte er, »Kapitän dieses Schiffes.« – »Ich heiße Antonio Veridante, Advokat aus Barcelona. Dieser Señor ist mein Sekretär«, sagte der eine der beiden Männer. – »Sie wünschen?« – »Wir hörten, daß Sie nach Verakruz gehen.« – »Das ist allerdings wahr.« – »So wollten wir Sie fragen, ob Sie nicht die Güte hätten, uns mitzunehmen.« – »Señores, das wird wohl nicht möglich sein.«
Der ältere der beiden Männer, der Advokat, zog die Stirn kraus.
»Warum nicht?« fragte er. »Wir sind bereit, sehr gut zu zahlen.« – »Das ändert nichts. Dieser Dampfer ist weder Fracht- noch Passagierschiff, er dient zu ganz privaten Zwecken.« – »Die wir nicht erfahren dürfen?« – »Es würde Sie nicht interessieren.« – »So schlagen Sie uns unsere Bitte wirklich ab?« – »Ich bin leider gezwungen.« – »Wir müssen das um so mehr beklagen, als wir im Vertrauen auf Ihre Güte bereits unser Gepäck mitgebracht haben.« – »Sapperlot, so haben Sie wohl gar das Boot zurückgeschickt, das Sie an Boot brachte?« – »Nein. Das gab Ihr Steuermann nicht zu. Es liegt seitwärts am anderen Bord.« – »Ich hoffe, daß Sie eine baldige Gelegenheit finden.« – »Wir wünschen es auch; doch wird dieser Wunsch wohl nicht so bald in Erfüllung gehen. Ich habe bedeutende Verluste zu befürchten, die ich erleide, wenn ich nicht schleunigst eintreffe.« – »So.«
Das Auge des Kapitäns überflog noch einmal die beiden Männer. Sie hatten beide etwas an sich, was ihm nicht gefiel; aber sonst zeigten sie ein ehrbares, Achtung forderndes Äußeres. Es war übrigens so dämmerig, daß man Einzelheiten nicht mehr gut sehen konnte.
»Große Verluste?« fragte er. »Sind sie bedeutend?« – »Sehr.« – »Wohl für eine Bank, deren Vertreter Sie sind?« – »Nein. Sondern für einen Privatmann.« – »Darf ich fragen, wer das ist?« – »Ja. Ich meine den Grafen de Rodriganda.«
Kaum war dieses Wort ausgesprochen, so trat der Kapitän einen Schritt näher.
»Was?« fragte er. »Habe ich recht gehört? Rodriganda?« – »Ja.« – »Meinen Sie den Grafen, dessen Stammschloß gleichen Namens bei Manresa in Spanien liegt?« – »Ja.« – »Er hat große Besitzungen in Mexiko?« – »Ja.« – »Sie sollen mitfahren. Sie haben doch Ihre Legitimationen bei sich?« – »Das versteht sich. Wünschen Sie dieselben zu sehen?« – »Jetzt nicht. Das hat für später Zeit. Das Schiff sticht bald in See, und ich habe noch anderes zu tun. Ihr Boot kann zurückgehen. Peters!«
Auf diesen Ruf kam ein Matrose herbei.
»Führe die beiden Señores in die vorderste Kajüte. Du magst sie bedienen und bist deshalb vom übrigen frei.« – »Danke, Kapitän!« meinte der Mann. Dann drehte er sich zu den beiden Pflegebefohlenen und sagte in gebrochenem Spanisch: »Folgen Sie mir!«
Er führte sie in einen zwar kleinen, aber allerliebsten Raum, in dem sich übereinander zwei Betten befanden.
»So, das ist Ihre Koje«, sagte er. »Machen Sie es sich bequem. Ich hole Wasser und dergleichen herbei.«
Kaum war er fort, so meinte Cortejo:
»Was war das, Señor Landola?« – »Er kannte die Familie Rodriganda.« – »Ja. Wir müssen da außerordentlich vorsichtig sein.« – »Hätten wir den Namen Rodriganda nicht erwähnt, so wären wir wahrhaftig nicht mitgenommen worden.« – »Und doch wünschte ich, ich hätte lieber nichts gesagt.« – »Na, wir müssen warten, was wir erfahren. Bis dahin können wir vorsichtig lavieren, bis wir das richtige Fahrwasser finden.« – »Ja, aber da bitte ich um eins.« – »Was?« – »Daß ich die Erkundigungen einziehe. Ihr geltet für meinen Untergebenen, also bin ich derjenige, der reden muß.« – »Meinetwegen«, meinte Landola mürrisch.
Peters kam bald zurück, um Wasser und Waschrequisiten zu bringen.
»Lagt Ihr lange in Rio?« fragte Cortejo. – »Nur drei Tage«, lautete die Antwort. – »Woher kommt Ihr?« – »Um Kap Hoorn.« – »Ah! Um Südamerika herum?« – »Ja.« – »Wohl von Australien?« – »Eigentlich ja, aber zunächst von Mexiko.« – »Von einem der Westhäfen?« – »Guaymas.« – »Ladung dort genommen?« – »Nein. Passagiere dort gelandet.« – »Viele? Der Kapitän sagte doch, dies sei kein Passagierschiff.« – »Ist es auch nicht.« – »Was sonst?« – »Privateigentum.« – »Wem gehört es denn?« – »Dem Grafen Rodriganda.«
Die beiden Freunde blickten einander erschrocken an, was jedoch der Matrose nicht bemerkte.
»Rodriganda?« fragte Cortejo, indem er sich zusammennahm. »Wie ist denn der Vorname dieses Herrn?« – »Don Ferdinando.« – »Wo wohnt er?« – »In Mexiko.« – »Kennst du ihn?« – »Nein, ich habe ihn nicht gesehen.« – »Ich denke, nach deinen Reden zu schließen, ihr habt ihn in Guaymas ausgeschifft.« – »Das ist richtig, aber ich war nicht dabei.« – »Wieso?« – »Ich hatte einen schlechten Kapitän und ging daher in Valparaiso vom Schiff. Da kam Kapitän Wagner mit diesem Dampfer. Er mußte einen schwerkranken Mann ans Land geben und nahm an dessen Stelle mich auf.« – »So bist du also erst seit Valparaiso hier an Bord?« – »Ja.« – »Und weißt nichts von den früheren Schicksalen dieses Schiffes?« – »Ich weiß einiges, was ich von den anderen erfahren habe.« – »Nun?« – »Es gehörte einem Engländer und wurde in Ostindien von dem Grafen Rodriganda gekauft.« – »Wie kam der Graf nach Indien?« – »Mit Kapitän Wagner, Schiff Seejungfer aus Kiel.« – »Kiel ist wohl ein deutscher Hafen? Nicht?« – »Ja.« – »Sonderbar, daß der Graf dorther gekommen ist.« – »Oh, nicht von dort kam er.«